BNetzA-Präsident Müller: „Ermöglichen zügigen und sicheren Ausbau der E-Mobilität und von Wärmepumpen." (Quelle: Bundesnetzagentur)
„Wir treffen heute Vorsorge, dass Wärmepumpen und Ladeeinrichtungen für E-Autos zügig angeschlossen und sicher betrieben werden können. Wir wollen, dass jeder angeschlossen wird und gleichzeitig alle ein sicheres Netz haben. Ein Netzbetreiber darf nun den Anschluss von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen nicht mehr mit Verweis auf mögliche Engpässe verweigern. Wir rechnen damit, dass Eingriffe des Netzbetreibers die zwingende Ausnahme bleiben. Wir stärken in der finalen Regelung die Möglichkeiten der Verbraucher, Reduzierungen eigenständig zu koordinieren und dabei selbst erzeugten Strom anzurechnen“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. „Verbraucher werden Eingriffe meist kaum bemerken, da ein Basisbezug an Strom gesichert wird. Wenn Engpässe auftreten, muss das Netz ausgebaut werden. Darauf werden wir achten.“
Inhalt der Festlegungen
Steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und private Ladeeinrichtungen für E-Autos haben höhere Leistungen als die meisten Haushaltsgeräte. Auch beziehen steuerbare Verbrauchseinrichtungen häufiger gleichzeitig Strom. Das Niederspannungsnetz ist in der Lage, einzelne neue Anwendungen aufzunehmen. Auf einen schnellen Hochlauf ist der größte Teil der Niederspannungsnetze aktuell allerdings noch nicht ausgelegt. Die Netze müssen daher in einem hohen Tempo optimiert, digitalisiert und ausgebaut werden.
Wo diese Netzoptimierung noch nicht stattgefunden hat, trifft die Bundesnetzagentur mit ihren Regelungen Vorsorge, um die Verkehrs- und Wärmewende zu beschleunigen und die Versorgungssicherheit auch in der Niederspannung zu gewährleisten. Die Bundesnetzagentur hat die Regelungen gegenüber dem Entwurf vom Juni 2023 in kleineren Punkten angepasst.
Der Netzbetreiber darf den Anschluss von neuen Wärmepumpen oder privaten Ladeeinrichtungen für E-Autos zukünftig nicht mehr mit Verweis auf mögliche lokale Überlastung seines Netzes ablehnen oder verzögern. Im Gegenzug darf der Netzbetreiber, wenn eine akute Beschädigung oder Überlastung des Netzes droht, die Belastung des Netzes reduzieren, indem er den Strombezug steuerbarer Verbrauchseinrichtungen temporär „dimmt“. Diese Maßnahme muss sich aus objektiven Kriterien der Netzzustandsermittlung ableiten. Die Netzzustandsermittlung stellt die aktuelle Netzauslastung anhand von Echtzeit-Messwerten dar. Zu diesem Zweck ist eine zügige Digitalisierung der Niederspannungsnetze inklusive Erhebung von Echtzeit-Messwerten notwendig.
Dabei muss eine Mindestleistung immer zur Verfügung stehen, so dass Wärmepumpen betrieben und Elektroautos weiter geladen werden können. Die Netzbetreiber dürfen dabei den Bezug für die Dauer der konkreten Überlastung auf bis zu 4,2 kW senken. Damit können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in aller Regel in zwei Stunden für 50 Kilometer Strecke nachgeladen werden. Der reguläre Haushaltsstrom ist davon nicht betroffen. Die besonderen Anforderungen von Großwärmepumpen werden berücksichtigt.
Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass Eingriffe nur in Ausnahmefällen erfolgen müssen und ohne wesentliche Komforteinbußen verbunden sein werden. Vollständige Abschaltungen der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sind nicht mehr zulässig.
Die Bundesnetzagentur erhöht in der Festlegung die Handlungsmöglichkeiten der Verbraucher. Sie können einzelne Anlagen direkt vom Netzbetreiber ansteuern lassen. Alternativ können sie wählen, von ihrem Netzbetreiber den Wert für einen zulässigen Strombezug zu erhalten, der insgesamt nicht überschritten werden darf. In diesem Fall koordinieren sie die Reduzierung durch ein Energiemanagementsystem für mehrere steuerbare Verbrauchseinrichtungen eigenständig. Selbst erzeugte Energiemengen können eingerechnet werden. Eine Wallbox darf also zum Beispiel mehr Strom beziehen, wenn dieser aus der eigenen Solaranlage stammt.
Das Ziel ist es, regelmäßige netzorientierte Steuerungsmaßnahmen zu vermeiden. Der Netzbetreiber ist dafür verpflichtet, das Netz vorausschauend und bedarfsgerecht ausbauen. Wenn Maßnahmen zur Leistungsreduzierung durchgeführt werden und mit weiteren Maßnahmen zu rechnen ist, muss der Netzbetreiber dies in seiner Netzausbauplanung berücksichtigen.
Netzbetreiber müssen Steuerungseingriffe in einem einheitlichen Format auf einer gemeinsamen Internetplattform detailliert ausweisen. So ist auch für eine breite Öffentlichkeit nachvollziehbar, wenn in einzelnen Netzbereichen Überlastungsprobleme auftreten und der Netzbetreiber sein Netz besser ausstatten muss.
Die Regelungen gelten ab 1. Januar 2024. Für Bestandsanlagen, für die eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber besteht, sieht die Bundesnetzagentur Übergangsregelungen vor. Bestandsanlagen ohne eine solche Vereinbarung bleiben dauerhaft ausgenommen. Nachtspeicherheizungen sollen dauerhaft nicht unter die neuen Regelungen fallen.
Auch für den Netzbetreiber gibt es Übergangsregelungen. Solange der Netzbetreiber noch nicht die notwendigen Vorbereitungen für die netzorientierte Steuerung getroffen hat, kann er maximal 24 Monate unter Beachtung einiger Rahmenbedingungen vorsorglich steuern. Diese sogenannte präventive Steuerung ist eine regelmäßige Maßnahme aufgrund einer prognostizierten Überlastung.
Die Vorgaben der Festlegung sollen zeitnah praxistauglich konkretisiert werden. Die Bundesnetzagentur bittet die Netzbetreiber, gemeinsam mit anderen relevanten Marktteilnehmern Empfehlungen für die Standardisierung und massengeschäftstaugliche Umsetzung der netzorientierten Steuerung auszuarbeiten. Das ist ein Beitrag zur effizienten Umsetzung der notwendigen Prozesse, aber keine Voraussetzung für deren Start.
Reduzierung des Entgelts
Im Gegenzug für die netzorientierte Steuerung sollen die Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen ein reduziertes Netzentgelt zahlen. Die Bundesnetzagentur legt außerdem zukunftsgerichtet erstmals Rahmenbedingungen für ein variables Netzentgelt fest, die sicherstellen, dass zeitliche Verbrauchsverschiebungen belohnt werden können.
Angesichts der großen Unterschiede der Anschluss- und Verbrauchssituationen legt die Bundesnetzagentur verschiedene Module zur Entgeltreduzierung fest. Die Reduzierung besteht entweder aus einem netzbetreiberindividuellen pauschalen Betrag (Modul 1) oder einer prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises (Modul 2). Der Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtung kann zwischen Modul 1 und 2 auswählen.
Für die Variante eines pauschalen Rabatts auf das Netzentgelt (Modul 1) gilt eine bundeseinheitliche Regelung zur Bestimmung des Rabatts je Netzbetreiber. Er kann je nach Netzgebiet zwischen 110 und 190 Euro (brutto) im Jahr betragen. Das entspricht einer Reduzierung um 50 bis 95 Prozent des für den jährlichen Verbrauch eines E-Autos (ca. 2.500 kWh) zu zahlenden Netzentgelts. Ein pauschaler Rabatt auf das Netzentgelt dürfte zukünftig in Verbindung mit einem variablen Netzentgelt sehr attraktiv für die E-Mobilität sein.
Das Modul 2 beinhaltet eine prozentuale Reduzierung des Arbeitspreises um 60 Prozent. Technische Voraussetzung hierfür ist ein separater Zählpunkt für die steuerbare Verbrauchseinrichtung. Dieses Modell lässt sich mit der Umlagebefreiung für Wärmestrom kombinieren (KWK- und Offshore-Umlage, Umlagebefreiung nach EnFG) und dürfte sich daher in vielen Fällen besonders für Wärmepumpen eignen.
Hat der Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtung Modul 1 gewählt, kann er sich zusätzlich ab 2025 für ein zeitvariables Netzentgelt entscheiden (Modul 3). Durch dieses neu hinzugekommene zeitvariable Netzentgelt sollen Lastspitzen im Netz reduziert werden. Der Netzbetreiber legt unterschiedliche Preisstufen innerhalb eines Tages fest, die die typische Auslastung seines Netzes berücksichtigen. Der Verbraucher wird über ein besonders niedriges Entgelt angereizt, seine Verbräuche in Zeiten zu verschieben, in denen die Netzauslastung niedrig ist.
Modul 3 muss von den Netzbetreibern erst ab dem 1. April 2025 abgerechnet werden, da hierzu die Digitalisierung in der Niederspannung weiter fortgeschritten sein muss. Wenn der Netzbetreiber nicht sehen kann, welchen Effekt er durch die preislichen Anreize erzielt hat, kann er auch die Steuerungsmaßnahmen nicht anpassen. Dazu kommt, dass der Umsetzungsaufwand die Marktakteure vor größere Herausforderungen stellt. Diesem wird hier mehr Zeit eingeräumt.
Zur Abrechnung der reduzierten Entgelte soll die bestehende Struktur des Stromliefervertrages genutzt werden. Der Stromlieferant ist verpflichtet, die genutzten Module auf der Verbraucherrechnung transparent auszuweisen. Es wird kein neues Abrechnungsverhältnis zwischen Letztverbraucher und Netzbetreiber geschaffen.
Die Festlegung enthält ebenfalls Übergangsregelungen für Verbrauchseinrichtungen, für die bereits vor dem 1. Januar 2024 ein reduziertes Netzentgelt nach § 14a EnWG zwischen Netzbetreiber und Netznutzer abgerechnet wurde.
Bisheriges Verfahren und Konsultation der Festlegungsentwürfe
Die Bundesnetzagentur hat im ersten Quartal dieses Jahres ein Eckpunktepapier mit ersten Überlegungen zu dem zukünftigen Modell konsultiert. Basierend auf den eingegangenen Stellungnahmen hat die Bundesnetzagentur detaillierte Regelungen ausgearbeitet und bis zum 27. Juli 2023 zur Konsultation gestellt.
Die heute veröffentlichten Regelungen bestehen aus zwei Festlegungen. Eine Festlegung der Beschlusskammer 6 befasst sich mit der Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz. Eine Festlegung der Beschlusskammer 8 befasst sich mit der damit verbundenen Reduzierung der Netzentgelte.
Weitere Informationen: www.bundesnetzagentur.de/14aenwg und unter www.bundesnetzagentur.de/steuerbare-ve