Dr. Philipp Huppertz zeigt die GridCal-Komponenten im Einsatz. Dezentrale Intelligenz nach dem zellularen Ansatz. Daten ohne Kompromisse erheben, dezentral vorverarbeiten und zeitgleich das Ortsnetz simulieren.

Dr. Philipp Huppertz zeigt die GridCal-Komponenten im Einsatz. Dezentrale Intelligenz nach dem zellularen Ansatz. Daten ohne Kompromisse erheben, dezentral vorverarbeiten und zeitgleich das Ortsnetz simulieren. (Quelle: ansvar2030)

Herr Dr. Huppertz, PSInsight wird häufig als Startup-Unternehmen bezeichnet. Worauf begründet sich diese Formulierung?

Huppertz: PSInsight wurde im Jahr 2015 als Ausgründung der Hochschule Düsseldorf ins Leben gerufen. Grundlage war ein sehr erfolgreiches Forschungsprojekt, dass wir zusammen mit der Netzgesellschaft Niederrhein durchgeführt hatten. Zur Weiterentwicklung und Kommerzialisierung der in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse, hin zur heutigen GridCal-Systemlösung, war dieser Schritt notwendig. Wir sind jetzt seit ungefähr dreieinhalb Jahren am Markt aktiv und können uns also durchaus noch zu Recht als Startup-Unternehmen bezeichnen.

Wer steht hinter der Ausgründung und damit auch hinter PSInsight?

Huppertz: Wir sind insgesamt vier Gründer, ergänzt um unseren Mentor Prof. Roland Zeise – einer der Pioniere in Deutschland auf dem Gebiet der Netzberechnung. Er hatte in den achtziger Jahren die Netzberechnung auf den PC gebracht, zum Beispiel mit dem Netzberechnungsprogramm NEPS, das bei über 200 Stadtwerken erfolgreich im Einsatz war. Für mich persönlich als ehemaliger Stadtwerker ist diese Vorstellung auch heute noch immer wieder besonders motivierend. Die dabei verwendeten Algorithmen haben wir dann ab 2011/2012 an der Hochschule auf den neuesten technologischen Stand gebracht, konsequent an die Anforderungen eines intelligenten Verteilnetzes angepasst und durch neue Module wie Nutzermodellierung und Meteorologiemodellierung ergänzt. Die modernisierten Verfahren wurden dann ab 2014 in dem genannten Forschungsprojekt auf Praxistauglichkeit getestet und bilden heute unter dem Namen GridCal einen wichtigen Teil des Leistungsspektrums der PSInsight GmbH. Daneben bieten wir auch Datenanalysen und Software-Engineering für spezielle Anforderungen an.

Welche Ziele wollen Sie mit der System­lösung GridCal erreichen?

Huppertz: Bei uns geht es immer um die Optimierung der Netzbewirtschaftung und um die Steigerung der Profitabilität von Netzbetreibern. Im regulierten Wirtschaftszweig gelingt dies vor allem durch Kostensenkung. Daher ist Effizienz das entscheidende Stellglied für Netzbetreiber. Ziel muss es also sein, versteckte Effizienzen aufzudecken und Ineffizienzen abzubauen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Hier gilt der Grundsatz: Wenn man einen Prozess optimieren möchte, muss man ihn messbar machen – und beides setzen wir als Softwareschmiede mit unserer Lösung GridCal konsequent um.

Als Softwareentwickler sind Sie auf Partner für die Messtechnik und Hardware angewiesen. Mit welchen Unternehmen arbeiten Sie zusammen?

Huppertz: Wir haben unter anderem mit der PQ Plus GmbH einen ganz wichtigen Partner an unserer Seite, der nicht nur die gleiche DNA wie wir besitzt. Das Unternehmen ergänzt mit seinem Portfolio an Power-Quality- und Abgangsmesstechnik unsere Systemlösung ideal – und dies auch zu einem sehr attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis. Mittlerweile ist die Partnerschaft so weit fortgeschritten, dass wir gemeinsam ein neues Messgerät auf den Markt gebracht haben und intensiv an neuen Innovationen arbeiten.

Verwenden Sie hier Standardmesssysteme, oder sind Neuentwicklungen notwendig, um alle Vorteile Ihrer Systemlösung ausspielen zu können?

Huppertz: Wir haben uns ganz bewusst gegen die Entwicklung eigener proprietärer Messsysteme entschieden und setzen auf am Markt verfügbare und etablierte Messtechnik.

Systemoffenheit ist also ein ganz wichtiges Thema bei der GridCal-Lösung?

Huppertz: Richtig. Wir bieten Netzbetreibern bereits heute eine Lösung an, mit der sie aufgrund der hohen Flexibilität unserer Software und ausgewählten Standardkomponenten auch zukunftsfähig sind. Gleichzeitig können Bestandssysteme der Kunden eingebunden werden. Softwareseitig arbeiten wir daher mit einem offenen Linux-Betriebssystem auf einem Fernwirkcontroller. Dort können wir alle Komponenten über die bekannten Schnittstellen und über moderne Webtechnologien anbinden. Allerdings gibt es auch Komponenten, die aus unserer Sicht besonders gut mit der GridCal-Systemlösung harmonieren, sodass damit das volle Potenzial unserer Lösung zur Geltung kommt. Daher geben wir gerne Empfehlungen für den Einsatz der Hardware.

Ein intelligentes und damit zukunftsfähiges Verteilnetz ist eine Mammutaufgabe für Netzbetreiber mit enormen Kosten. Was ist die richtige Strategie auf dem Weg hin zum Smart Grid?

Huppertz: Wir erleben immer wieder, dass unsere Kunden zu große Einstiegshürden nehmen müssen, um überhaupt mit ersten Ergebnissen auch Akzeptanz zu erzeugen. Vor allem wenn IT-Infrastrukturen betroffen sind, führt der Overhead an Vorbereitungen und internen Abstimmungen meist zu großen Verzögerungen. Unsere Lösung ist daher im Sinne eines zellularen Ansatzes aufgebaut, sodass wir eine sehr niedrige Einstiegshürde für Netzbetreiber in das Smart Grid schaffen. Zum einen ist der Einsatz unserer Lösung bereits bei einer einzigen Ortsnetzstation möglich, ohne dass sofort die IT-Infrastruktur einbezogen oder gar eine Cloud-Lösung zum Einsatz kommen muss. So bildet der GridCal-Node in der Netzstation zusammen mit dem Ortsnetz eine Zelle, die unabhängig von der Zentrale agieren und dezentrale Aufgaben bereits in der Netzstation vor Ort lösen kann. Zum anderen ist die Installation und Parametrierung der Lösung einfach und schnell – vor dem Hintergrund des steigenden Zeit- und Kostendrucks ein wichtiges Argument für Netzbetreiber. Mittlerweile sind wir sogar so weit, dass bei Personalknappheit auch der örtliche Elektriker aushelfen kann, einzelne Stationen mit unserer Lösung zu digitalisieren.

Sie sprechen hier von einem dualen Ansatz aus dezentralen und zentralen Komponenten. Ziel ist es also nicht, die erfassten Daten primär in einer Cloud zu speichern, sondern bereits vor Ort zu nutzen?

Huppertz: Richtig, wir verwenden hier einen dualen oder hybriden Ansatz. Warum sollten wir auch in einem immer dezentraler werdenden Energiesystem bei der IT-Infrastruktur auf rein zentrale Ansätze mit Server- und Cloud-Lösungen setzen? Dass dies ökonomisch und prozessual nicht sinnvoll ist, wissen wir längst aus dem Bereich der Industrieautomatisierung. Daher setzen wir auf Edge Computing in der Ortsnetzstation. Damit schaffen wir eine autonom arbeitende Station mit dahinterliegendem Ortsnetz, das fortlaufend alle wichtigen Informationen hochauflösend erfasst, sinnvoll verarbeitet und auswertet. Somit ist vor Ort die Simulation und Überwachung des Netzzustands und sogar das Schalten einzelner Teilnehmer unabhängig von einer zentralen Instanz möglich. Probleme mit Laufzeiteffekten sowie Kosten für die Mobilfunkverbindung und die zentrale Speicherung werden drastisch reduziert. Dies ist der dezentrale Ansatz. Für stationsübergreifende Optimierungsaufgaben – also für einen ganzheitlichen Blickwinkel – lassen sich die Ergebnisse der dezentralen Analysen sehr schlank über einen Pull-Modus von der Zentrale aus abrufen und stehen dann zum Beispiel für Netzberechnungen und Simulationstechniken zur Verfügung. Selbst der Abruf der Rohdaten ist möglich, wenn es aufgrund der Fragestellung notwendig ist. So profitieren nicht nur das Betriebspersonal vor Ort oder im Büro von unserer Lösung, sondern zum Beispiel auch Netzplaner, Assetmanager oder die Kollegen aus den Prognoseabteilungen.

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