Lässt sich GridCal für alle Netzstrukturen gleichermaßen nutzen?

In der Zentrale alles Wichtige im Blick. Der GridCal Node liefert Erkenntnisse aus großen Datenmengen genau dann, wenn sie gebraucht werden. GridCal verbraucht dabei nur einen Bruchteil des Datenvolumens. Fortlaufende Live-Simulation des Ortsnetzes lassen sich in Echtzeit einsehen und ermittelte Grenzwertverletzungen werden in die Zentrale gemeldet.

In der Zentrale alles Wichtige im Blick. Der GridCal Node liefert Erkenntnisse aus großen Datenmengen genau dann, wenn sie gebraucht werden. GridCal verbraucht dabei nur einen Bruchteil des Datenvolumens. Fortlaufende Live-Simulation des Ortsnetzes lassen sich in Echtzeit einsehen und ermittelte Grenzwertverletzungen werden in die Zentrale gemeldet. (Quelle: ansvar2030)

Die Strukturen und Anforderungen der Verteilnetze sind in Deutschland sehr unterschiedlich. Lässt sich GridCal für alle Netzstrukturen gleichermaßen nutzen?

Huppertz: Die Physik ist ja in allen Netzen gleich. Daher gibt es hier keine Beschränkungen. Natürlich haben ländliche oder städtische Netze sowie Arealnetze unterschiedliche Herausforderungen. Aber die Software ist mittlerweile so weit entwickelt, sodass wir all diese unterschiedlichen Anwendungen mit Standardprotokollen abdecken können. Das Besondere dabei: Wir sprechen immer von der Scada-Welt der Netzleittechnik und der Büro-Welt. Das System zu überwachen und im Fehlerfall einzugreifen, ist Aufgabe der Netzleit­technik – also der eigentlichen kritischen Infrastruktur. Hier, im zertifizierten Bereich, neue Lösungen zu implementieren, kostet viel Zeit. Das ist natürlich sehr wichtig und gut so. Die Netzbewirtschaftung erfolgt jedoch häufig außerhalb des zertifizierten Bereichs in der klassischen Bürowelt, zum Beispiel bei den Assetmanagern und Netzplanern. Hierfür können wir ohne zusätzlichen Aufwand bereits mit der ersten umgerüsteten Station wichtige Informationen sehr sicher zur Verfügung stellen. Die Leitwarte mit ihren hohen sicherheitstechnischen Aspekten lässt sich dann in einem zweiten Schritt nachträglich aus der Ferne, und damit ohne Wiederanfahrt, anbinden.

Bei wie vielen Netzbetreibern kommt das System mittlerweile zum Einsatz?

Huppertz: Wir haben die Netzgesellschaft Niederrhein als größten Kunden und sind darüber hinaus bei einer Handvoll Netzbetreibern bereits im Einsatz. Unsere GridCal-Testboxen haben bei rund dreißig Unternehmen bereits ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen können. Viele weitere Kunden werden noch in diesem Jahr mit dem Einsatz von GridCal beginnen.

Wie stellen Sie sich künftig bei der Vermarktung ihrer Lösung auf. Setzen Sie hier auch auf Kooperationspartner?

Huppertz: Bei der Produktentwicklung und der Abstimmung mit notwendiger Hardware haben wir die GridCal-Allianz mit ausgewählten Partnern gebildet. Neben PQ Plus sind hier auch Stationsbauer, Infrastrukturdienstleister und Ingenieurbüros sowie weitere Hard- und Softwarehersteller vertreten, die wir im Laufe der nächsten Monate vorstellen. Viele Partner unterstützen uns in diesem Zuge auch bereits tatkräftig bei der Vermarktung von GridCal. Unseren ­Kunden können wir so auch die Sicherheit geben, dass sie mit GridCal in eine Systemlösung aus optimal abgestimmten Bausteinen investieren.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Projekte?

Huppertz: Zum einen bieten wir mit GridCal eine sehr moderne und fortschrittliche Lösung an, die Netzbetreiber jedoch nicht direkt überfordert. Alles kann in der eigenen Geschwindigkeit und in maßgeschneiderten Ausbaustufen erfolgen. Daher nennen wir GridCal auch den digitalen mitwachsenden Maßanzug für das Verteilnetz. Zum anderen ist die Bandbreite, auf der sich unsere Kunden bei der Digitalisierung befinden, sehr groß. Manche überlegen noch, in neue analoge Schleppzeiger zu investieren, andere entwickeln bereits selbst digitale Lösungen. Mit unserer modularen Lösung können wir jedoch jeden Netzbetreiber abholen, egal wo er sich auf dem Weg hin zum digitalen Verteilnetz gerade befindet.

Die Netzgesellschaft Niederrhein ist ein wichtiger Partner für PSInsight. Wie ist der aktuelle Stand der Kooperation?

Huppertz: Wir arbeiten seit dem Jahr 2014 intensiv mit der Netzgesellschaft Niederrhein zusammen. Hintergrund war die Übernahme eines neuen Konzessionsgebiets vor über zehn Jahren im eher ländlich geprägten Raum. Damit musste sich der eher städtisch geprägte Netzbetreiber plötzlich intensiv mit der Einspeisung aus PV-Anlagen beschäftigen. Das haben wir dann gemeinsam in dem genannten Forschungsprojekt gemacht – mit sehr interessanten Ergebnissen: So haben auch wir in dem Projekt anfangs alle Daten zentral gespeichert und verarbeitet. Das hat sich sehr schnell als nicht praktikabel und auch nicht wirtschaftlich erwiesen. Vor allem die zeitkritischen Prozessen müssen vor Ort stabil laufen und dürfen nicht von irgendeiner Mobilfunkverbindung abhängig sein. Auch hat sich gezeigt, dass die flächendeckende Ausrüstung von ­Kabelverteilerschränken mit Messtechnik nicht wirtschaftlich, nicht notwendig und wenn überhaupt nur an ganz wenigen Punkten sinnvoll ist. Es reicht aus, sich auf die Netzstationen zu fokussieren. Mittlerweile hat die Netzgesellschaft Niederrhein entschieden, die Digitalisierung ihrer Verteilnetze zu forcieren, und zwar so, dass ein maximal flexibles und modulares System entsteht, um künftig ohne großen Aufwand durch bloße Software-Updates auf neue eigene oder regulatorische Anforderungen reagieren zu können. In diesem Zusammenhang werden in diesem Jahr insgesamt 700 Stationen – was 70 % aller Ortsnetzstationen entspricht – zu digitalen GridCal-Stationen umgerüstet. Dafür haben wir den gesamten Installationsprozess mit Assistenzsystemen so optimiert, dass die Netzgesellschaft Niederrhein durchschnittlich drei bis vier Stationen am Tag umrüsten kann.

An welchen weiteren Features arbeiten Sie gerade bei der GridCal-Systemlösung?

Huppertz: Aufbauend auf der digitalen Station geht es uns darum, Netzbetreiber dabei zu unterstützen, die Wertschöpfung im eigenen Unternehmen zu halten. Denn wir sehen es als einen schon fast fatalen Trend, dass aufgrund von zeitlichem und finanziellen Druck immer mehr Leistungen zugekauft werden müssen oder Netzbetreiber ihre eigenen Daten gegen Gebühr aus Dienstleisterportalen beschaffen müssen. Hier werden wir aus der Praxis für die Praxis weitere Software-Assistenzsysteme entwickeln, sodass die Unternehmen ihre Netzinfrastruktur selbstständig optimal bewirtschaften können – und zwar über alle Wertschöpfungsstufen hinweg. Darüber hinaus wollen wir die Autonomie der Stationen und der Ortsnetze im Sinne des zellulären Ansatzes weiter stärken. Wir werden bald selbstfahrende Autos auf unseren Straßen haben. Da sehe ich es als durchaus realistisch an, dass wir künftig auch von selbstführenden Ortsnetzstationen sprechen – mit immer mehr dezentraler Intelligenz bis hin zu einem dynamischen Lastmanagement, das ohne Backend arbeiten kann. Denn ich bin mir sicher, dass Ortsnetzstationen als eine Art Vorposten der Leitwarte künftig eine wesentlich größere Bedeutung haben werden – auch unter wirtschaftlichen Aspekten.

Martin Heinrichs
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