Das Projekt Base.V hat gezeigt: Der Peer-to-Peer-Stromhandel zwischen Haushalten ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern mit bestehenden technischen Möglichkeiten bereits heute umsetzbar.

Das Projekt Base.V hat gezeigt: Der Peer-to-Peer-Stromhandel zwischen Haushalten ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern mit bestehenden technischen Möglichkeiten bereits heute umsetzbar. (Quelle: sonnen GmbH)

Was passiert im Stromnetz, wenn in Zukunft die Zahl der Haushalte weiter steigt, die mit einer Photovoltaik-Anlage selbst Strom erzeugen, die einen Speicher haben und die elektrisch fahren? Dieser Frage ist das von der Technischen Universität München (TUM) initiierte Projekt BASE.V sechs Monate lang nachgegangen. Das Ergebnis zeigt: Der gegenseitige Kauf und Verkauf von Strom kann bei wirtschaftlichem Anreiz Verbrauchsspitzen senken und Engpässe vermeiden, sodass die Netzstabilität bei intelligenter Steuerung gewährleistet werden kann. Darüber hinaus konnte das Modell der TUM bestätigt werden, nach dem schon wenige Haushalte genügen, um nachbarschaftlichen Energiehandel in Gang zu bringen.

Die sieben Test-Haushalte im bayerischen Dietfurt (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz) wurden von der Firma Sonnen jeweils mit einer PV-Anlage, einem stationären Batteriespeicher (sonnenBatterie) und einem E-Auto mit Ladestation (sonnenCharger) ausgestattet. Über eine zentrale Peer-to-Peer-Handelsplattform konnten die Teilnehmer Strom kaufen oder verkaufen. Ausgeführt wurden die einzelnen Handelsaufträge per „Smart Contracts“, die über ein Blockchain-Gateway des Computer- und Kommunikations-Spezialisten Moxa abgewickelt wurden.

Nachbarschaftlicher Stromhandel mit Erfolg

Martin Jenkner, Projekt-Manager bei der Moxa Europe GmbH, die in dem Projekt für die Datenübertragung verantwortlich war: „Die besonderen Anforderungen eines Feldexperiments haben die leichte Fernwartungsfähigkeit unserer IIoT-Plattform bestätigt. Keine einzige Änderung erforderte einen Besuch unserer Experten vor Ort. Wir konnten während des gesamten Versuchs jedes gewünschte Update von Ferne auf das Gateway aufspielen.“ Das Ziel des nachbarschaftlichen Stromhandels war es, Spitzenlasten so zu verteilen, dass das Stromnetz nicht überlastet wird und dabei gleichzeitig ein wirtschaftlicher Vorteil für die Haushalte entstand.

„Bereits heute speisen mehr als 350.000 dezentrale Erzeugungsanlagen in das regionale Stromnetz der Bayernwerk Netz GmbH ein. Zur steigenden Zahl dezentraler PV-Anlagen auf der Erzeugerseite kommen immer mehr Wärmepumpen und Elektroautos auf der Verbraucherseite. Zusammen mit einer hohen Gleichzeitigkeit in Verbrauch und Erzeugung stellt dies eine große Herausforderung für das Ortsnetz dar“, erklärt Projektleiter Stefan Bergermeier vom Bayernwerk Netz.

Anreize durch dynamische Netzentgelte

Das Projekt BASE.V kann hier einen positiven Ausblick geben. Es hat das Modell der TUM bestätigt, in dem vorhergesagt wurde, dass schon bei sieben Haushalten die Unterschiede in Verbrauchs- und Erzeugungsverhalten so groß sind, dass Energie untereinander gehandelt wird. Die Netzstabilität wurde dabei von Bayernwerk Netz durch die dynamische Anpassung der Netzentgelte unterstützt. Die Steuerung erfolgte gemäß dem Ampelmodell des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft bei Netzengpässen im Stromnetz: Bei Grün gibt es keinerlei Einschränkungen. Wer gerade zu viel Strom hat, kann ihn selbst verbrauchen, ins Netz einspeisen oder an den Nachbarn verkaufen. Bei Gelb droht ein Netzengpass, der durch hohe Einspeisung oder Verbrauch entstehen kann. Hier wurde das Netzentgelt angepasst. Bei Rot muss ein Netzbetreiber umgehend eingreifen und durch Redispatch 2.0 eine akute Netzüberlastung verhindern.

Im Feldversuch konnte Bayernwerk Netz durch dynamische Anpassung der Netzentgelte in der gelben Ampelphase die Wahrscheinlichkeit von roten Ampelphasen verringern. Wirtschaftliche Anreize führten also automatisch zu mehr Netzstabilität. Die entscheidende Rolle spielten dabei die Flexibilität der stationären Stromspeicher und der Elektroautos. Ein ausgeklügelter Energiemanagement-Algorithmus der TUM beeinflusste nicht nur die Ladestrategie des stationären Speichersystems, sondern auch die des E-Autos.

Peer-to-Peer-Handel ist keine Zukunftsmusik

Das Projekt hat gezeigt, dass der anreizbasierte, nachbarschaftliche Stromhandel den erforderlichen Netzausbaus sinnvoll ergänzt. „Peer-to-Peer-Handel zwischen Haushalten ist keine Zukunftsmusik, sondern mit den technischen Möglichkeiten heute umsetzbar. Sowohl bei den Speichermöglichkeiten als auch bei der intelligenten Steuerung. Um den Menschen solche Lösungen zugänglich zu machen, benötigen wir eine digitale Energie-Infrastruktur, in der Smart Meter die absolute Voraussetzung sind. Aber auch ein regulatorischer Rahmen ist erforderlich, der diejenigen wirtschaftlichen Anreize ermöglicht, die sich in dem Projekt erfolgreich bewährt haben“, sagt Susan Käppeler, Country Managerin sonnen DACH.

ew-Redaktion

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