Kapazitätsbasierte Netzentgelte reduzieren die Spitzenlast und damit die Netzkosten, so ein Ergebnis der Studie des Fraunhofer IEG. (Bildquelle: psdesign1/stock.adobe.com)
Eine neue Studie des Fraunhofer IEG zeigt, wie sich das Zusammenspiel von dynamischen Stromtarifen und kapazitätsbasierten Netzentgelten auf die Stromkosten der privaten Verbraucher, auf die Wahl ihres Stromtarifs und auf den notwendigen Netzausbau auswirkt. Sie entstand im institutsübergreifenden Fraunhofer Exzellenzcluster CINES.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass durch die Einführung eines kapazitätsbasierten Netzentgelts die Bereitschaft der Haushalte, sich für einen dynamischen Stromtarif zu entscheiden, von 67 Prozent auf 74 Prozent steigt. Gleichzeitig könnten Netzgesellschaften die Kosten für den Netzausbau im ländlichen Raum um 37 Prozent reduzieren, wenn sie statt der üblichen volumenabhängigen Tarifstruktur kapazitätsbasierte Netzentgelte zugrunde legen könnten.
Strombeschaffung und Netzentgelt sind größte Kostentreiber beim Strompreis
Der Strompreis in Deutschland setzte sich 2022 zu 38,9 Prozent aus Strombeschaffung und Vertrieb sowie zu 21,8 Prozent aus Netzentgelten zusammen. Der durchschnittliche Anteil der Netzgebühren an den Stromkosten machte 2021 europaweit sogar 28,3 Prozent aus. Dies zeigt die Bedeutung der Beschaffungskosten und der Netzentgelte für den Endkundenpreis. Verbraucher, die flexible Technologien wie Elektroautos, Wärmepumpen oder PV-Batteriespeicher nutzen, könnten diese Flexibilität für die Reduktion ihrer Stromkosten einsetzen. Energiemanagementsysteme und intelligente Zähler unterstützen die Verbraucher dabei. Dynamische Strompreise sind dafür ein erster Schritt. So könnten Verbraucher ihre Energie dann beziehen, wenn die Strompreise am Markt besonders günstig sind, also in der Regel in Zeiten mit niedrigem Verbrauch und/oder hoher Stromproduktion aus erneuerbaren Energien.
Hohe Einsparpotenziale beim Strompreis
Kapazitätsbasierte Netzentgelte könnten in Zukunft die Stromkosten für Verbraucher mit flexiblen Technologien weiter reduzieren. Anders als aktuelle Tarifstrukturen, die nur die Menge der abgerufenen Energie berücksichtigen, würden sich kapazitätsbasierte Netzentgelte an der maximal bezogenen oder eingespeisten Leistung des Haushalts orientieren. So würden etwa hohe Ladeleistungen beim E-Auto mehr kosten als niedrige. Das mittlere Einsparpotenzial durch dynamische Strompreise über alle untersuchten Haushalte hinweg beträgt unter den aktuellen volumenbasierten Netzentgelten bis zu 30,4 Prozent, sofern der Haushalt ein Energiemanagementsystem nutzt. Werden dynamische Stromtarife zusätzlich mit kapazitätsbasierten Netzentgelten kombiniert, können diese Haushalte noch höhere Einsparungen – bis zu 62,3 Prozent – realisieren.
Kapazitätsbasierte Netzentgelte reduzieren Spitzenlast
Netzbetreiber haben ein hohes Interesse daran, Spitzenlasten zu reduzieren und damit den Ausbau der Stromnetze so gering wie möglich zu gestalten. Aber, so Judith Stute, Haupt-Autorin der Studie: »Dynamische Stromtarife haben nicht notwendigerweise einen stabilisierenden Effekt auf das Stromnetz. Dies erreichen Netzbetreiber besser durch kapazitätsbasierte Netzentgelte.« Im Durchschnitt reduzierten sich die damit verbundenen Netzkosten um 14 Prozent bis 88 Prozent, je nachdem, um welches Niederspannungsnetz es sich handle.
Energiemanagementsysteme unterstützen Einsparungen
Bereits in einer früheren Studie machte Judith Stute deutlich, dass im Zuge steigender Strompreise Haushalte mit flexiblen Technologien wie Wärmepumpen, E-Autos oder PV-Batteriespeicher von dynamischen Stromtarifen profitieren könnten. Voraussetzung dafür sei, dass sie zu Hause Energiemanagementsysteme einsetzten, um ihren Stromverbrauch automatisiert auf günstige Zeiten zu verlagern. Konkret stellte sie dort fest, dass während der Energiekrise 2021/2022 – bei der der durchschnittliche Strompreis um 15,2 ct/kWh (+67 Prozent des Jahresdurchschnitts 2019) und die durchschnittliche Preisspanne um 8,9 ct/kWh (+494 Prozent) gestiegen sind – der Anteil der Haushalte, die Kosteneinsparungen durch dynamische Strompreise erzielen könnten, von 3,9 Prozent auf 62,5 Prozent gestiegen sei. Trotzdem warnt sie: »Die Optimierung des Eigenverbrauchs kann Haushalten mit Wärmepumpen einen höheren Vorteil bieten als der dynamische Stromtarif. Gleichzeitig wird die Flexibilität dieser Haushalte jedoch entscheidend sein, um Netzengpässe im Winter aufgrund des zu erwartenden gleichzeitigen Wärmebedarfs zu verringern und die Integration der Windenergie zu erleichtern.« Mit ihrer neuen Studie macht die Forscherin klar, dass kapazitätsbasierte Netzentgelte – neben dynamischen Strompreisen – einen Beitrag für die Reduktion von Lastspitzen leisten können.