Mario Mehren: Die Bundesregierung sollte erneuerbaren und dekarbonisierten Wasserstoff aus Erdgas – grünen, blauen und türkisen Wasserstoff – als gleichberechtigte Lösungsoptionen für ein klimaneutrales Energiesystem anerkennen.

Mario Mehren: Die Bundesregierung sollte erneuerbaren und dekarbonisierten Wasserstoff aus Erdgas – grünen, blauen und türkisen Wasserstoff – als gleichberechtigte Lösungsoptionen für ein klimaneutrales Energiesystem anerkennen. (Quelle: Wintershall Dea)

Wasserstoff kann im Energiesystem der Zukunft eine große Rolle spielen. Darüber sind sich Wissenschaft, Politik und Industrie hierzulande einig. Trotzdem läuft die Bundesregierung Gefahr, die Chance zu verspielen. Dafür gibt es zwei Gründe: die monatelange Hängepartie um die Nationale Wasserstoffstrategie und ihre voreilige Beschränkung auf grünen Wasserstoff aus Erneuerbaren.

Damit Deutschland die angestrebte globale Vorreiterrolle spielen kann, braucht es einen technologieoffenen Ansatz – und den Kickstart mit Wasserstoff aus Erdgas. Andernfalls droht eine Subventionsfalle.

Technologieoffener Ansatz notwendig

Das übergeordnete Ziel der Wasserstoffstrategie ist die Dekarbonisierung des Energiesystems. Wasserstoff soll dabei helfen, unsere ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Dafür ist nicht entscheidend, ob der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien oder aus Erdgas stammt. Entscheidend ist, dass er klimaneutral produziert wird. Das ist bei grünem, aber auch bei blauem und türkisem Wasserstoff aus Erdgas der Fall. Bei blauem Wasserstoff wird CO2 abgetrennt und sicher in unterirdischen Lagerstätten verpresst. Bei der Produktion von türkisem Wasserstoff fällt erst gar kein CO2 an. Stattdessen entsteht fester Kohlenstoff, der als Industrierohstoff weiterverarbeitet werden kann. Trotzdem lässt die Bundesregierung diese vielversprechenden Möglichkeiten ungenutzt. Anstatt auf alle klimaschonenden Arten der Wasserstoffherstellung zu bauen, setzt sie unsere Klimaziele so leichtfertig aufs Spiel.

Durch die voreilige Beschränkung der technologischen Möglichkeiten aber ist niemandem geholfen. Selbstverständlich sollten wir auf regenerative Energien setzen – aber nicht ausschließlich: Gegenwärtig können wir aus erneuerbaren Energien weder wettbewerbsfähig noch in ausreichenden Mengen Wasserstoff produzieren. Das gilt übrigens auch für mögliche Exportländer. 

Farbenlehre Wasserstoff
Blau: Herstellung via Dampfreformierung aus Erdgas; CO2 wird unterirdisch gespeichert
Türkis: Herstellung via Methanpyrolyse aus Erdgas; CO2 fällt in Form von festem Kohlenstoff an und kann industriell verarbeitet werden
Grün: Herstellung via Elektrolyse aus erneuerbaren Energien

Wasserstoffmarkt zeitnah hochfahren

Dabei ist der zügige Aufbau eines funktionierenden und belastbaren Wasserstoffmarktes in Deutschland für den Erfolg der Wasserstoffstrategie absolut unerlässlich – und für grünen Wasserstoff letztlich von Vorteil. Wir müssen deshalb technologieoffen denken: Mit seinen deutlichen Preis- und Mengenvorteilen kann Wasserstoff aus Erdgas schnell und zuverlässig fehlende Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien auffangen und trotz der bevorstehenden Rezession CO2-Einsparungen realisieren, ohne Abnehmer über Gebühr zu belasten. Wasserstoff aus Erdgas ist unsere sicherste Bank, um den Markt zeitnah hochzufahren.

Als Europas führender unabhängiger Gas- und Ölproduzent kann und will Wintershall Dea einen wichtigen Beitrag zum Wasserstoffmarkt und zur Dekarbonisierung des Energiesystems leisten. Deshalb erforschen wir gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die CO2-freie industrielle Herstellung von türkisem Wasserstoff aus Erdgas. Wir sind fest davon überzeugt, dass Wasserstoff aus Erdgas in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat die Marschrichtung Ende 2019 klar vorgegeben: Die Bundesrepublik solle »bei Wasserstofftechnologien in der Welt die Nummer 1« werden. Damit das gelingt, müssen jedoch die politischen Rahmenbedingungen stimmen: Die Bundesregierung sollte erneuerbaren und dekarbonisierten Wasserstoff aus Erdgas – grünen, blauen und türkisen Wasserstoff – als gleichberechtigte Lösungsoptionen für ein klimaneutrales Energiesystem anerkennen. Andernfalls sehe ich für die Vision des Bundesministers schwarz. 

Mario Mehren, Vorstandsvorsitzende und CEO, Wintershall Dea GmbH, Kassel

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