Tobias Sauer: Wie bei der Einführung neuer Technologien üblich, wiesen auch die intelligenten Messsysteme zu Beginn Schwächen auf. Dies hat sich jedoch nach der Re-Zertifizierung der Geräte und dem Aufspielen der entsprechenden Software-Updates deutlich gebessert.

Tobias Sauer: Wie bei der Einführung neuer Technologien üblich, wiesen auch die intelligenten Messsysteme zu Beginn Schwächen auf. Dies hat sich jedoch nach der Re-Zertifizierung der Geräte und dem Aufspielen der entsprechenden Software-Updates deutlich gebessert. (Quelle: Uwe Schoßig)

Herr Sauer, Mitnetz Strom hat mittlerweile über 10 000 intelligente Messsysteme im Wirkbetrieb. Wie lautet Ihr erstes Fazit?

Sauer: Mit den bereits über 10 000 installierten intelligenten Messsystemen haben wir eine deutliche Lernkurve durchlaufen. Wir können feststellen,  dass wir heute den gesamten Prozess beherrschen – von der Bestellung über die Installation und Integration der Gateways in das IT-System bis hin zur Abrechnung. Natürlich traten am Anfang bei uns und bei unseren Rahmenvertragsunternehmen trotz sorgfältiger Vorbereitungen an manchen Stellen bei der praktischen Umsetzung Herausforderungen auf – zum Beispiel bei der Montage und bei der Kommunikationsanbindung. Diese konnten wir aber relativ schnell lösen, sonst hätten wir diese hohe Zahl verbauter Gateways auch nicht realisieren können. Wir sind ­also mittlerweile so weit, dass wir nicht mehr von einzelnen Pilotprojekten sprechen. Wir haben unsere Kapazitäten und Montageleistungen hochgefahren, sodass wir mittlerweile von einem Massen- beziehungsweise Standardprozess sprechen können. Aktuell installieren wir rund 1 200 intelligente Messsysteme im Monat, sodass wir unser Ziel für Ende des Jahres sicherlich erreichen und bis Ende 2021 rund 15 000 intelligente Messsysteme im Netz eingebaut haben werden.

An welchen Punkten mussten Sie am meisten lernen?

Sauer: Das sind mitunter ganz einfache Prozesse, die hier zu beachten sind. Zum Beispiel ist bei der Montage der Gateways die Reihenfolge der einzelnen Montageschritte genau einzuhalten, ansonsten können im IT-System Fehlermeldungen auftreten. Was bei der herkömmlichen Zählermontage unkritisch ist, kann bei der Montage der Gateways durchaus zu Problemen führen. Dafür müssen die Monteure entsprechend sensibilisiert werden. Ein weiteres Thema ist die Mobilfunknetzabdeckung, die doch sehr unterschiedlich ist. Obwohl wir vorab die Abdeckung geprüft hatten, zeigte sich bei der Montage und bei der Kommunikationsanbindung, dass diese Einschätzung mitunter nicht richtig war und wir nachbessern mussten.

Die größten Lerneffekte traten also bei dem Montageprozess und bei der Kommunikationsanbindung auf. Wie zufrieden sind Sie mit den Gateways selbst?

Sauer: Wie bei der Einführung neuer Technologien üblich, wiesen auch die intelligenten Messsysteme zu Beginn Schwächen auf. Dies hat sich jedoch nach der Re-Zertifizierung der Geräte und dem Aufspielen der entsprechenden Software-Updates deutlich gebessert. Daher haben wir entschieden, alle unsere Gateways immer auf dem neuesten Software-Stand zu halten. Bei der aktuellen Zahl der bei Mitnetz Strom verbauten Gateways stellt das Aufspielen der Updates über das Admin-System zurzeit auch noch kein Problem dar. Wie dies künftig aussieht, lässt sich noch nicht abschätzen – schließlich müssen
wir nach aktuellem Stand bis Ende 2032 rund 200 000 intelligente Messsysteme betreiben, bei denen dann auch Updates aufgespielt werden müssen. Aber auch dafür werden wir zusammen mit unseren Partnern aus der IT und der Gerätetechnik Lösungen finden.

Es wird häufig argumentiert, dass vor dem Hintergrund der Preisobergrenzen und des damit einhergehenden Kostendrucks eine einmalige Anfahrt für die Montage ausreichen muss. Ist dies bei Mitnetz Strom mittlerweile Standard?

Sauer: Wenn unser Monteur vor Ort vor dem Zählerschrank steht und die Mobilfunkanbindung ausreichend ist, dann sind die Prozesse mittlerweile so eingespielt, dass wir ein intelligentes Messsystem weitgehend ohne größere Probleme und ohne zusätzliche Anfahrt in einem Arbeitsgang montieren und produktiv setzen können. Voraussetzung dafür ist, dass die Monteure gut geschult sind. Allerdings tritt immer wieder der Fall auf, dass wir einen Standort anfahren und wir trotz Ankündigung keinen Zugang zum Zählerschrank erhalten – sei es, weil die Kunden nicht vor Ort sind, oder weil Kunden in sehr seltenen Fällen den Einbau intelligenter Messsysteme auch ablehnen.

Greifen Sie auch auf andere Kommunikationstechnologien wie Powerline zurück, wenn die Mobilfunkanbindung nicht ausreichend ist?

Sauer: Nein, aktuell beschränken wir uns nur auf Mobilfunk, da jede weitere Option den Montageprozess und damit auch die Lernkurve verkomplizieren würde. Daher setzen wir bei dem von uns aktuell angestrebten Massenprozess mit monatlich rund 1 200 zu in­stallierenden Gateways zurzeit auf ­keine weiteren Kommunikations­lösungen. Vielmehr misst der Monteur vor Ort den Empfangspegel und entscheidet dann, wo – entsprechend den örtlichen Gegebenheiten – die abgesetzte Antenne installiert wird, sodass wir ein Optimum für die Kommunikationsanbindung erreichen. Damit sind wir bisher gut gefahren. Künftig werden wir uns aber selbstverständlich auch mit anderen Technologien, zum Beispiel mit der 450-MHz-Technologie, beschäftigen. Das werden wir sicherlich auch müssen, um alle Anwendungsfälle optimal abdecken zu können.

Zurzeit wird in der Industrie vielfach über Lieferengpässe geklagt. Wie ist die Situation hier bei den Smart-Meter-Gateways?

Sauer: Wir haben aktuell noch keine Probleme mit der Belieferung und erhalten eine ausreichende Zahl an Geräten. Hier profitieren wir auch davon, dass wir rechtzeitig im Rahmen des Eon-Konzerns entsprechende Rahmenverträge mit den Herstellern geschlossen haben. Wie sich die allgemeine Verknappung von Bauteilen in den nächsten Monaten auswirken wird, lässt sich noch nicht abschätzen.

Mit welchen Herstellern arbeiten Sie zusammen?

Sauer: Wir setzen Gateways von PPC und von Theben ein.

Sie sind nicht nur auf die Gerätehersteller angewiesen, Sie arbeiten vielmehr auch mit Rahmenvertragspartnern bei der Gerätemontage zusammen. Wie stellt sich hier die Verfügbarkeit der Dienstleistungsunternehmen dar?

Sauer: Ich glaube, dass die Verfügbarkeit der Dienstleister für den Einbau intelligenter Messsysteme generell in der Branche durchaus kritisch werden kann. Die Knappheit an qualifizierten Monteuren auf dem Arbeitsmarkt kann diese Situation nochmals verschärfen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir als Mitnetz Strom sehr gut aufgestellt sind, da wir schon sehr lange mit Rahmenvertragspartnern im Zählerbereich zusammenarbeiten, und wir mit diesen Dienstleistern gewachsene Vertragsbeziehungen pflegen. Auch die intelligenten Messsysteme lassen wir von diesen Unternehmen einbauen und haben dazu deren Monteure an die neue Technologie herangeführt und entsprechend geschult. Darüber hinaus konnten wir auch neue Rahmenvertragspartner hinzugewinnen. Mit all diesen Dienstleistern haben wir Verträge für die von uns geplanten Mengen abgeschlossen.

Sie hatten es bereits angedeutete, dass Mitnetz Strom insgesamt rund 200 000 intelligente Messsysteme bis zum Jahr 2032 installieren muss. Orientieren Sie sich hierbei an den Pflichteinbaufällen, oder gehen Sie darüber hinaus?

Sauer: Wir orientieren uns momentan an den aktuell vorgeschriebenen Pflichteinbaufällen und setzen diese um. Allerdings ist zu erwarten, dass die Zahl der Pflichteinbaufälle vor allem durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elek­trofahrzeuge und weitere Anwendungsfälle deutlich steigen wird. Daher gehe ich davon aus, dass wir bis 2032 deutlich mehr als die jetzt vorgegebenen 200 000 Gateways installieren müssen.

Mit dem Rollout intelligenter Messsysteme soll zum einen die Transparenz des Stromverbrauchs für den Nutzer erhöht werden, zum anderen wird auf den netzdienlichen Einsatz und die Steuerbarkeit im Verteilnetz abgezielt. Welche Bedeutung haben diese beiden Aspekte für Mitnetz Strom als Netzbetreiber?

Sauer: Die Transparenz, Steuerbarkeit und Netzdienlichkeit im Verteilnetz ist für uns als Netzbetreiber natürlich ein ganz wichtiger Aspekt beim Rollout intelligenter Messsysteme. In der Hoch- und Mittelspannung haben wir bereits durch die vorhandene Messtechnik eine hohe Transparenz. Durch den Einbau intelligenter Messsysteme ergibt sich nun die Möglichkeit, diese Transparenz auch in der Niederspannungsebene zu schaffen. Vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung von Ladestationen für Elek­trofahrzeuge und dem weiteren Ausbau der Photovoltaik wird dies immer wichtiger, um zum Beispiel Netzengpässe oder Störungen im Netz frühzeitig erkennen zu können. Dies wird letztlich die Grundlage dafür sein, dass wir als Netzbetreiber die hohe Versorgungsqualität auch in Zukunft halten oder sogar noch verbessern können.

Transparenz ist das eine. Für die Steuerbarkeit im Verteilnetz und damit auch für den netzdienlichen Einsatz von Erzeugern und Verbrauchern fehlen nach wie vor die Steuerboxen. Wie gehen Sie damit um?

Sauer: Steuerbarkeit ist ja auch heute schon im Verteilnetz gegeben, dort wo es notwendig ist. Wir nutzen dafür aktuell mit der Funkrundsteuerung eine etablierte Technologie, um zum Beispiel Einspeiseanlagen zu steuern. Andere Netzbetreiber greifen auf andere bewährte Technologien wie Powerline zurück. Trotzdem ist es ganz klar unser Ziel, auch die Funktion der Steuerung künftig über das intelligente Messsystem abzubilden.

Mitnetz Strom will künftig vermehrt Dienstleistungen rund um das intelligente Messsystem anbieten. Wo sehen Sie hier Bedarf von anderen Netzbetreibern?

Sauer: Mitnetz Strom deckt im eigenen Haus das gesamte Aufgabenspek­trum eines grundzuständigen Messstellenbetreibers ab. Wir betreiben zum Beispiel die notwendigen IT- und Gateway-Admin-Systeme, wir übernehmen die Rolle des Gateway-Administrators und wir haben das Know-how für die Beschaffung und Montage. Dieses Know-how stellen wir gerne auch anderen Netzbetreibern zur Verfügung. Hierfür haben wir eine Anwendergemeinschaft gegründet, in der wir aktuelle Fragen, Herausforderungen und Lösungsoptionen im Bereich intelligentes Messwesen diskutieren. Mittlerweile haben sich bereits 65 ostdeutsche Netzbetreiber – darunter zahlreiche Stadtwerke – dieser Anwendergemeinschaft angeschlossen. Wir verstehen uns jedoch nicht nur als Partner, sondern auch als Dienstleister bei der Einführung intelligenter Messsysteme für andere Netzbetreiber. So haben uns mittlerweile über 50 Stadtwerke damit beauftragt, die Gateway-Administration im ­Rahmen des Rollouts intelligenter Messsysteme zu übernehmen. Viele davon haben sich zusätzlich entschieden, auch die Bereitstellung der Zählerdaten der intelligenten Messsysteme durch Mitnetz Strom erledigen zu lassen.

Erwarten Sie hier künftig eine steigende Nachfrage nach Dienstleistungen rund um das intelligente Messwesen?

Sauer: Wir erwarten und wir erhoffen dies natürlich. Vor allem durch die bereits jetzt stark zunehmende Komplexität in diesem Geschäftsfeld wird es für kleinere Stadtwerke immer schwieriger, alle Aufgaben selbst abwickeln zu können. Hier stehen wir erst am ­Anfang. Wenn künftig weitere Anwendungen wie Submetering oder das intelligente Monitoring und Steuern von Ladeinfrastruktur hinzukommen, ­werden die Prozesse so komplex, dass dafür spezialisierte Dienstleister wie die Mitnetz Strom notwendig sind.

Martin Heinrichs

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