Laut Studie steigt die Wasserstoff-Nachfrage in Ostdeutschland in Verkehr und Industrie bis 2030 auf rund 17,3 TWh und bis 2050 auf rund 49 TWh.

Laut Studie steigt die Wasserstoff-Nachfrage in Ostdeutschland in Verkehr und Industrie bis 2030 auf rund 17,3 TWh und bis 2050 auf rund 49 TWh. (Quelle: Adobe Stock)

Mit dem Masterplan legen die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS nun einen umfassenden bundesländerübergreifenden Bericht für Ostdeutschland vor, der die Herausforderungen und Chancen beim Aufbau einer ostdeutschen Wasserstoffwirtschaft skizziert. Der Masterplan prognostiziert zudem erstmals für alle ostdeutschen Bundesländer zusammen die spezifische Wasserstoffnachfrage in den einzelnen Sektoren für die Jahre 2030 und 2050.

»Die Umstellung auf den Energieträger Wasserstoff bietet die große Chance, die sich ergänzenden ostdeutschen Stärken durch koordiniertes länderübergreifendes Handeln von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu bündeln. Genau hier setzt der ›Wasserstoff-Masterplan für Ostdeutschland‹ an, der auf den Erkenntnissen der Fraunhofer Wasserstoff-Roadmap für Deutschland aufbaut«, unterstreicht Prof. Mario Ragwitz, Leiter des Fraunhofer IEG und Sprecher des Wasserstoffnetzwerks der Fraunhofer-Gesellschaft.

Um den Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland erfolgreich zu gestalten, macht das Expertenteam der drei Fraunhofer-Institute mehr als 50 Vorschläge, darunter auch die Gründung einer »Wasserstoffagentur Ostdeutschland«, die alle ostdeutschen Wasserstoff-Interessen bündelt, Unternehmen bei Ihren Investitionsvorhaben begleitet und der Region beim Thema Wasserstoff eine starke Stimme gibt.

Vielfältige Akteurslandschaft entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette

Bisher konzentrierten sich Studien zur Wasserstoffwertschöpfung in Ostdeutschland auf regional eng begrenzte Räume oder einzelne Bundesländer. Ein umfassendes Bild über Unternehmen, die in Ostdeutschland entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette aktiv sind, fehlte. Im Masterplan wurde nun erstmals eine gesamtheitliche Betrachtung der ostdeutschen unternehmerischen Akteurslandschaft vorgenommen. So konnten über 660 Akteure identifiziert und den verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette zugeordnet werden. Diese umfassende Darstellung soll eine Vernetzung zwischen den einzelnen Akteuren vereinfachen, Synergien schaffen und den Aufbau von Doppelstrukturen oder gar Kannibalisierungseffekte zwischen einzelnen Regionen verhindern.

Komplementäre Stärken der einzelnen Bundesländer

Weiterhin enthält der Masterplan für jedes Bundesland detaillierte Stärken- und Schwächenprofile. Im Ergebnis wird deutlich, dass sich diese Profile komplementär ergänzen und ein gutes Fundament für eine bundesländerübergreifende Zusammenarbeit bieten. Vor allem Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg könnten große Mengen von Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellen. Beide Länder hätten zudem fundierte Erfahrungen im Bereich der Kraftwerkstechnik. In Sachsen-Anhalt existiere eine breite Expertise in der chemischen Industrie und eine hervorragend ausgebaute Gasspeicherinfrastruktur. In Sachsen sei eine hohe Kompetenz im Bereich des Anlagen- und Maschinenbaus und in Thüringen in der Sicherheits- sowie Mess-, Steuer- und Regelungstechnik vorhanden.

Wasserstoff-Nachfragepotenzial für Ostdeutschland prognostiziert

Auf Basis des ostdeutschen Akteursnetzwerks, der Stärken- und Schwächenprofile und eines Simulationsmodells des Fraunhofer ISI wurden drei länderübergreifende Fallstudien entwickelt. Dadurch ist es gelungen, für alle ostdeutschen Bundesländer konkrete Wasserstoffnachfragepotenziale in der Industrie sowie im Verkehr quantitativ und bei möglichen Systemdienstleistungen qualitativ zu ermitteln.

Kurz- bis mittelfristig wird in der ostdeutschen Industrie ein Nachfragepotenzial von rund 15 Terawattstunden vor allem bei Raffinerien, der Basischemie und der Stahlproduktion gesehen. Weitere 2,3 Terawattstunden könnten durch den Einsatz im Verkehrsbereich erschlossen werden. Bis 2050 wird für den Verkehrsbereich ein Gesamtpotenzial von 12 Terawattstunden und für den Einsatz in der Industrie ein Bedarf von 37 Terawattstunden prognostiziert. Zum Vergleich: Für das Jahr 2030 erwartet die Bundesregierung auf Basis der nationalen Wasserstoffstrategie einen Wasserstoffbedarf von rund 90 bis 110 Terawattstunden deutschlandweit.

Maßnahmenvorschläge für einen erfolgreichen Wasserstoff-Markthochlauf

Um diese Wertschöpfungs- und Nachfragepotenziale schnellstmöglich anzureizen und auch erfolgreich auszuschöpfen, wird den ostdeutschen Landesregierungen die Umsetzung von mehr als 50 konkreten Maßnahmen empfohlen. Diese reichen von der Entwicklung spezifischer Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, über die Veränderung von Beschaffungsrichtlinien bis zur Etablierung konkreter Bildungsangebote.

Um die länderübergreifende Zusammenarbeit bei Themen der Wasserstoffwirtschaft nachhaltig zu fördern, wird im Masterplan auch die Gründung einer ostdeutschen Wasserstoffagentur vorgeschlagen. Dadurch könnte eine stetige politische Koordination über die Grenzen der Bundesländer hinweg gewährleistet und die Verzahnung zwischen Unternehmen, Wissenschaft und Politik sichergestellt werden. Ziel der Wasserstoffagentur ist es zudem, die Unternehmen der unterschiedlichen Sektoren und Wertschöpfungsstufen zusammenzuführen und eng zu begleiten. Dadurch soll es gelingen, entsprechend große unternehmerische Vorhaben bis zur Umsetzung zu führen.

»Eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Gesellschaft braucht den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff in den verschiedenen Sektoren. Wichtig ist dabei, dass der Markthochlauf von Wasserstoff möglichst sektorenübergreifend gedacht wird und flächendeckend erfolgt. Als ostdeutsches Unternehmen begrüßen wir die Vorschläge des Expertenteams aus den Fraunhofer-Instituten, welches konkrete Ansätze gefunden hat, wie man das Ziel der Dekarbonisierung durch die Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft mit einer möglichst hohen Wertschöpfung in Ostdeutschland verbinden kann«, so Ulf Heitmüller, CEO der Leipziger VNG AG, die die Entwicklung des Masterplans bei der Fraunhofer-Gesellschaft beauftragt hat.

ew-Redaktion

Ähnliche Beiträge