Sicherheitsprüfung für Weiterbetrieb von Windenergieanlagen

Sicherheitsprüfung für Weiterbetrieb von Windenergieanlagen

Nach Ablauf der Entwurfslebensdauer einer Windenergieanlage (WEA) steigt die Wahrscheinlichkeit von relevanten Schäden durch Materialermüdung. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die Anlage stillgelegt und rückgebaut werden muss. Tatsächlich haben viele Anlagen nach der vom Hersteller veranschlagten Betriebszeit – in der Regel 20 Jahre – noch Reserven, die für den Weiterbetrieb genutzt werden können.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) hat im Arbeitskreis Weiterbetrieb zusammen mit Herstellern, Betreibern, Sachverständigen, Behörden und Juristen die Grundsätze für die Bewertung und Prüfung über den Weiterbetrieb von Windenergieanlagen (BPW) erarbeitet. Ziel des Arbeitskreises war es, im Sinne der nachhaltigen Nutzung der Windenergie technische Anforderungen für den sicheren und wirtschaftlichen Weiterbetrieb festzulegen. Der maßgebliche Faktor dafür ist die Standsicherheit der Anlage. Konkret geprüft werden müssen hier vor allem die lastabtragendenden Bauteile vom Rotorblatt bis zum Fundament, die Sicherheitseinrichtungen, die Anlagensteuerung und die Bremssysteme.

Bei der BPW muss genau festgestellt werden, in welchem Maß eine Anlage in der zurückliegenden Betriebsphase tatsächlich beansprucht wurde. Dies geschieht in Form von Computersimulationen, die sowohl die Auslegungsbedingungen nach der Typenprüfung, als auch die ermittelten Bedingungen am Standort berücksichtigen. Zusätzlich wird der Anlagenzustand vor Ort begutachtet. Das daraus resultierende Gutachten gibt Auskunft darüber, unter welchen Voraussetzungen (zum Beispiel Reparaturen, vorsorglicher Austausch von Bolzen) ein Weiterbetrieb möglich ist. Das ist auch Grundlage für eine klare Einschätzung, welche Kosten mit einem möglichen Weiterbetrieb verbunden sind. Die Analyse lohnt sich selbst dann, wenn nur eine relativ kurze Weiterbetriebsphase ohne zusätzliche Maßnahmen möglich ist. Schließlich erhält der Betreiber einen detaillierten Zustandsbericht seiner Anlagen, der Chancen und Risiken für den Weiterbetrieb transparent macht und damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage darstellt.

Vollständige Daten und Unterlagen sind von großem Vorteil

Die BPW gliedert sich in zwei Teile. In einem praktischen Teil wird geprüft, inwieweit der technische Zustand der Gesamtanlage einen Weiterbetrieb erlaubt. Dazu begutachtet ein Sachverständiger die Anlage vor Ort. Der analytische Teil ermittelt auf Basis der technischen Dokumentation der WEA sowie der Wind-, Wetter- und Betriebsdaten die Dauer eines möglichen Weiterbetriebs.

Die Betreiber sind selbst dafür verantwortlich, die Prüfung rechtzeitig zu veranlassen und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Denn die Sachverständigen brauchen für ihre Analysen die erforderlichen Informationen und Dokumente. Außer der Anlagengenehmigung und den Unterlagen zur Errichtung und Inbetriebnahme gehören dazu sämtliche Betriebs- und Ertragsdaten, Wartungs-, Reparatur- und Prüfberichte sowie Schalt- und Hydraulikpläne. Zudem muss ein Gutachten vorliegen, das den aktuellen Zustand der Rotorblätter dokumentiert und nicht älter als zwölf Monate alt ist.

Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass häufig vor allem aus der Phase der Errichtung und Inbetriebnahme wichtige technische Unterlagen fehlen. Oft sind die entsprechenden Daten, Informationen und Dokumente dann nur über den Hersteller der WEA zu bekommen. In vielen Fällen können Konstruktionspläne, Unterlagen, Dokumente und Bescheinigungen auf diesem Weg wiederbeschafft werden. Wenn ein Anlagenhersteller nicht mehr zur Verfügung steht, lassen sich Wissenslücken durch die langjährigen Erfahrungen von Sachverständigen und Analogien zu anderen Anlagen schließen.

Wichtig für die BPW sind auch die Windbedingungen in der zurückliegenden Betriebsphase. Mittlere Windgeschwindigkeiten, Extremwindereignisse oder Turbulenzintensitäten der vergangenen zwei Jahrzehnte müssen bekannt und quantifizierbar sein, um die Belastungen aus diesem Zeitraum berechnen zu können. Hierfür werden die Betriebsdaten und die Daten des Gondelanemometers ausgewertet. Falls die Daten nicht über den gesamten Zeitraum vorliegen, werden weitere Datensätze wie Re-Analysedaten für eine Langzeitextrapolation genutzt. Bei Anlagen in Windparks mit mehreren Zubau-Phasen werden zudem die Turbulenzen für jeden Parkzustand einzeln berechnet.

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