Digitale Zwillinge helfen Versorgungsunternehmen beim Verbessern der Planungsgenauigkeit, bei Kosteneinsparungen und beim Einhalten behördlicher Auflagen.

Digitale Zwillinge helfen Versorgungsunternehmen beim Verbessern der Planungsgenauigkeit, bei Kosteneinsparungen und beim Einhalten behördlicher Auflagen (Bild: Bentley Systems)

Versorgungsunternehmen setzen zunehmend digitale Zwillings-­Arbeitsabläufe ein, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Projektabwicklung zu verbessern, Wartungs- und Inspektionsarbeiten zu optimieren und die Anforderungen an die Compliance-Berichterstattung zu erfüllen. Unter den ­Nominierten für die Auszeichnung Year in Infrastructure 2019 ist u. a.  das Versorgungsunternehmen Companhia Paranaense de Energia (Copel), das digitale Zwillinge für Dammsicherungsplanungen in Brasilien implementiert.

Jüngste Gesetzgebungen in Brasilien machten es für Copel erforderlich, neue Sicherheitsanforderungen für die von Copel betriebenen Dämme zu implementieren. Copel betreibt 30 eigene Werke und hält Anteile an elf weiteren, darunter 24 hydroelektrischen, zwei thermoelektrischen und 15 Windkraftwerken mit einer kombinierten Betriebskapazität von 5 675 MW. Copel verfügt außerdem über ein Leitungsnetz im Umfang von 4 647 km sowie 45 Umspannwerke zur Versorgung von mehr als 4,6 Mio. Kunden. ­Ferner werden 33 495 km in Glasfasernetzen für die Versorgung von 178 000 Verbrauchern mit Telekom­munika­tionsdiensten bereitgestellt. Seit vielen Jahren ist ­Copel Vorreiter bei Umweltstudien und Bauberichten in Hinblick auf Wasserkraftwerke und engagiert sich für eine nachhaltige Entwicklung.

Die neue Bundesgesetzgebung trat 2010 in Kraft und hat einen neuen nationalen Sicherheitsplan für Staudämme – den Política Nacional de Segurança de Barragens (PNSB) – aufgestellt, der für Wasserstauanlagen mit jeglichem Nutzungszweck und dementsprechend auch für die Stromerzeugung gilt. Der PNSB verlangt, für jeden Damm einen Satz von Dokumenten zu erstellen, mit denen das Ma­nagement die Sicherheit der Bau­strukturen feststellen kann. Die ­Dokumentation enthält technische Daten aus Bau-, Betriebs- und Wartungsphasen und dient als Werkzeug für die Sicherheitsplanung und -verwaltung.

Frühere Änderungen nicht systematisch aufgezeichnet

Bis 2018 verfügte Copel nur über einen repräsentativen Teil der technischen Daten für die ältesten Dämme. Die meisten Dokumente waren handgezeichnete Diagramme, die bei der Errichtung der Dämme erstellt worden waren und aufgrund ihres Alters beschädigt waren. Darüber hinaus waren einige der Staudammbauten renoviert und verändert worden, ohne dass die Änderungen systematisch aufgezeichnet worden wären. Dementsprechend bestand die Sorge, dass einige der Zeichnungen nicht mehr zutreffend sein könnten.

Das Team überstand viele Herausforderungen bei der Vorbereitung der Dokumentation für den PNSB. Unter anderem wurden alte Zeichnungen übertragen und dabei Fragen zu schwer zugänglichen Örtlichkeiten für die Vermessung beantwortet sowie dezentral erfasste Informationen zusammengefasst. Trotz gründlicher Vermessung – mit elektronischen Messungen und der Verwendung von Fotos für wesentliche Elemente – war es nie möglich gewesen, sämtliche Details dieser komplexen Dämme aufzuzeichnen. Staudamm, Überlauf, Kraftwerk und einige Elemente des Generatorkreislaufs, z. B. Wassereinlass und Absperrschieber, sind nur schwer zugänglich, häufig aufgrund der unregelmäßigen Topographie und der dichten natürlichen Vegetation.

Copel musste erkennen, dass eine neue Strategie erforderlich war. Da es sich bei den meisten Damminformationen um "Dark Data" handelte, die zwar erfasst ­waren, aber nicht verwendet wurden, entschloss sich das Team zur Erstellung digitaler Zwillinge für die einzelnen Dämme. So wurden Reality-Modeling-Kontext sowie historische und neue, von den Anwendungen zur offenen Modellierung und zur offenen Simulation von Bentley Systems gelieferten Daten miteinander verbunden. Bei Copel war man sich bewusst, das irgendwann der Sicherheitsplan für Staudämme (PNSB) für alle zehn Dämme eingehalten werden müsste, und man entschloss sich, im ersten Schritt ein Pilotprojekt durchzuführen und digitale Zwillinge für folgende drei kleine Wasserkraftwerke zu entwickeln: Marumbi, Chaminé und Salto do Meio.

Mit unbemannten Luftfahrzeugen wurden Übersichten durchgeführt und alle Bilddaten wurden mit ContextCapture verarbeitet. Darüber hinaus nutzte das Team OpenBuildings und Descartes zum Aufbau des digitalen Zwillings. Daten für Gelände und Höhenprofile wurden gewonnen und mit OpenRoads Designer sowie MicroStation zur Vervollständigung der Modelle verwendet. Anschließend erstellte das Team Planansichten, Querschnitte und Visualisierungen mit zuvor konfigurierten dynamischen Querschnittswerkzeugen, damit Linienstärken, Schraffuren und Farben den technischen Standards von Copel entsprachen. Im letzten Schritt bot LumenRT eine einfache und intuitive Benutzeroberfläche zur Visualisierung und Kommunikation von Informationen über die einzelnen Kraftwerke.

Digitaler Zwilling übertraf Kundenerwartungen

Die Verwendung von Drohnen für Übersichtsbilder hat die Qualität und Detailfülle erheblich verbessert, half aber gleichzeitig, die Dauer der notwendigen Arbeiten für jeden Damm auf 16 Stunden zu verkürzen, während für frühere und oft unvollständige Untersuchungen i. d. R. 120 Stunden aufgewendet worden waren. Mit diesem neuen digitalen Zwilling erfüllte das Team nicht nur die Termine für die drei Kraftwerke im Pilotprojekt, sondern konnte auch den Termin für alle zehn Kraftwerke erfüllen und die Kundenerwartungen hinsichtlich Qualität, Detailreichtum und des für die Erfassung und Dokumentation der Daten erforderlichen Zeitraums übertreffen. Der neue Prozess hat nicht nur dazu beigetragen, die Erstellung der Berichte zu beschleunigen und die PNSB-Fristen einzuhalten, sondern auch die Arbeitsressourcen zur Unterstützung des Prozesses um 87 % reduziert.

"Die Verwendung dieser Software in Verbindung mit den Untersuchungen durch Drohnen sorgte für eine schnelle und detailreiche technische Prüfung zur Bewertung der Sicherheit von Dämmen und zugehörigen Strukturen. So konnten diese registriert und digital aufgezeichnet werden. Jetzt verfügen wir über ein aktualisiertes und digitales technisches Archiv, mit dem unsere Anlagenverwaltung ganz einfach ist", erläutert Roberto Seara, Leiter des Department of Civil Engineering, Engineering Superintendency und der Stromerzeugungs- und -übertragungsprojekte bei Copel.
 

Amit Trehan, Industry Marketing Director Utilities, Bentley Systems, Delhi/Indien, amit.trehan@bentley.com, www.bentley.com

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