Engpässe

Gaskraftwerke: Abb. 1 Entwicklung der deutschen Erzeugungskapazität auf Basis des Kraftwerkparks aus [7] unter Berücksichtigung des Kohleausstiegs- und Atomgesetzes sowie der Annahme einer Lebensdauer von 40 Jahren für Gas- und Ölkraftwerke

Abb. 1 Entwicklung der deutschen Erzeugungskapazität auf Basis des Kraftwerkparks aus [7] unter Berücksichtigung des Kohleausstiegs- und Atomgesetzes sowie der Annahme einer Lebensdauer von 40 Jahren für Gas- und Ölkraftwerke (Bildquelle: TU Dresden)

Gaskraftwerke: Abb. 2 Einflussfaktoren auf den zusätzlichen Bedarf gesicherter Leistung

Abb. 2 Einflussfaktoren auf den zusätzlichen Bedarf gesicherter Leistung (Eigene Darstellung)

Bisher stellten Kern- und Kohlekraftwerke einen erheblichen Anteil der gesicherten Leistung zur Verfügung. Die verabschiedeten Ausstiege aus der Kernenergie und der Kohleverstromung könnten jedoch bei konstant bleibender oder ansteigender Jahreshöchstlast in den kommenden Jahren Engpässe bedeuten [4]. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Leistungsbilanz weisen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bereits für 2022 eine fehlende Kapazität von 7,6 GW in kritischen Situationen aus, die durch das Ausland zur Verfügung gestellt werden müsste. Ob diese Kapazität in entsprechenden Situationen bereitgestellt werden kann, wird durch die ÜNB mit Blick auf historische Erfahrungen kritisch gesehen [3]. Die letzten Kernkraftwerke werden Ende 2022 abgeschaltet, sodass 4 GW Erzeugungskapazität nicht mehr zur Verfügung stehen. Bis 2030 werden 17 GW Braun- und Steinkohlekapazitäten abgeschaltet (siehe Abb. 1). Damit fallen 25 % der konventionellen Erzeugungsleistung bis 2030 weg und bis 2040 sogar über 50 % (unter Berücksichtigung altersbedingter Stilllegungen von Gaskraftwerken). Auf der anderen Seite planen Kraftwerksbetreiber laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft 10 GW neue konventionelle Kapazitäten [7], wobei allerdings fraglich ist, ob sämtliche Kraftwerke realisiert werden. Vor dem Hintergrund der sich wahrscheinlich stark reduzierenden konventionellen Kapazität stellt sich die Frage, wie mittelfristig die gesicherte Leistung bereitgestellt werden kann.

Versorgungssicherheit in der Zukunft

Auf dem Spotmarkt für Strom findet Handel auf stündlicher Basis [8] statt, sodass Leistung durchaus eine Rolle spielt, da höhere Leistungen bei hohen Lasten durch höhere Preise vergütet werden. Allerdings lassen sich gegenwärtig Preissignale für den Zubau von Spitzenlastkapazität kaum beobachten, zumal auch im Terminmarkt einzelne Stunden eine geringe Bedeutung haben. Dies kann den weiteren Zubau neuer Anlagen in dem benötigten Maß gefährden.

Neben konventionellen Kraftwerken können auch erneuerbare Energien, Maßnahmen der Laststeuerung (Demand Response) und der internationale Handel gesicherte Leistung (siehe Abb. 2) bereitstellen. Im Folgenden werden Einschätzungen gegeben, in welchen Größenordnungen sich diese Beiträge zur Deckung der Jahreshöchstlast bewegen und wie die Versorgungslücke ausfällt, welche mit zusätzlichen konventionellen Kraftwerken zu schließen wäre.

Der Beitrag der wetterabhängigen erneuerbaren Energien zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit spielt in den aktuellen Untersuchungen der ÜNB eine untergeordnete Rolle [9]. Das ist für Photovoltaik nachvollziehbar und wird auch langfristig ohne den Einsatz von Speichern so bleiben. Für Windkraft weisen im europäischen Kontext bereits heute Studien einen Leistungskredit, d.h. eine gesicherte Leistung in Prozent der installierten Nennleistung, von 5-10 % aus [10, 11]. An einzelnen Standorten in Europa wurden in Ausnahmefällen Faktoren von bis zu 40 % nachgewiesen, die jedoch nicht generalisiert werden können [12]. Durch die technologische Weiterentwicklung sowie größere Turmhöhen können aktuelle und zukünftige Windkraftanlagen unter deutlich schlechteren Bedingungen Strom erzeugen als bisher installierte Anlagen. Entsprechend erscheint ein langfristiger Anstieg der Leistungskredite für Wind plausibel. Ein weiterer Beitrag kann durch die gezielte Erschließung von Standorten mit atypischen Einspeiseprofilen geleistet werden [12].

Der grenzübergreifende Handel kann erheblich zur gesicherten Leistung beitragen, da Deutschland über Importkapazitäten von mehr als 20 GW verfügt. Diese sollen bis 2030 auf über 30 GW ausgeweitet werden [13]. Wichtige Aspekte sind die geografischen Ausgleichseffekte der Einspeisung der wetterabhängigen erneuerbaren Energien und der unterschiedlichen Lastprofile in den jeweiligen Ländern. Diese würden auf europäischer Ebene den Bedarf nach gesicherter Leistung um 10 % reduzieren [14]. Dahingegen argumentieren die Bundesnetzagentur und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., dass der Lastverlauf in Zentraleuropa sehr ähnlich sei und eine Abhängigkeit vom Ausland ein gewisses Risiko darstellt [15].

Laststeuerung (Demand Response) bezeichnet die Fähigkeit, durch exogene Signale Anreize zur Anpassung des Nutzungsverhaltens durch die Verbraucher zu setzen. Ein einfaches und etabliertes Beispiel ist das Anbieten von Niedertarifen, wodurch der Verbrauch in Schwachlastzeiten begünstigt wird. Weniger etabliert sind Tarife, bei denen der Strompreis variabel ist, sodass Haushalte oder auch Verbraucher aus Gewerbe und Industrie gezielt angeregt werden, ihren Verbrauch zu steuern [16]. Dies erfordert intelligente Stromzähler. Vornehmlich in der Erforschung befinden sich bidirektionale Konzepte, bei denen über variable Preise nicht nur die Stromentnahme, sondern darüber hinaus auch eine (Rück-)Speisung in das Netz gesteuert wird. Bidirektionale Konzepte werden z.B. im Zuge der Elektrifizierung des Individualverkehrs intensiv erforscht [17-19]. Studien ordnen Speicher je nach Sektorzugehörigkeit dem Umwandlungs- (z.B. Pump- und zentrale Batteriespeicher, „Power-to-Gas-to-Power”) oder den Endenergieverbrauchssektoren (z.B. Batteriespeicher in Elektrofahrzeugen, Heimspeicher) zu. Indem in kritischen Situationen die Laststeuerung die Nachfrage reduziert und Stromspeicher als Einspeisequelle bereitstehen, wird zur Integration von wetterabhängigen erneuerbaren Energien beigetragen und die gesicherte Leistung erhöht. Laut den Szenarien aus [5, 6] ergeben sich bis 2050 Potentiale zur Lastverschiebung während der Jahreshöchstlast von 2 GW bis 7 GW. Für Stromspeicher (ohne „Power-to-Gas-to-Power“ als vornehmlich saisonale Speicheroption) weisen die Szenarien aus [5, 6] für 2050 einen potentiellen Beitrag zur Deckung der Jahreshöchstlast zwischen 6 GW und 18 GW aus.

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