Prof. Dr.-Ing. Alfons Kather, ehemals Leiter des Instituts für Energietechnik der TU Hamburg-Harburg, im Interview zur Neufassung der 13. sowie zur Änderung der 17. BImSchV

Prof. Dr.-Ing. Alfons Kather, ehemals Leiter des Instituts für Energietechnik der TU Hamburg-Harburg, im Interview zur Neufassung der 13. sowie zur Änderung der 17. BImSchV (Bild: TUHH)

„et“: Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung hatte sich in ihren abschließenden Empfehlungen gegen eine zu strenge Auslegung der neuen fachlichen Standards ausgesprochen und sogar einen „Kohleausstieg durch die Hintertür“ befürchtet. Waren diese Erwartungen begründet?

Kather: Der vorliegende Entwurf zur 13. und 17. BImSchV erfüllt die im BREF-LCP gesetzten Anforderungen und bedeutet ambitionierte, aber technisch noch erreichbare und wirtschaftlich verhältnismäßige Grenzwertverschärfungen für Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung über 300 Megawatt. Bezüglich der Emissionsgrenzwerte für mit Kohle befeuerte Neuanlagen werden insbesondere bei Quecksilber sehr ambitionierte Vorgaben gesetzt, die am unteren Rand der von der EU im BREF-LCP vorgegebenen Spanne liegen. Bei Bestands- und Altanlagen wird es bei vielen Anlagen zu erheblichen Nachrüstungen kommen, um die neuen Grenzwerte einhalten zu können. Vor dem Hintergrund des inzwischen gesetzlich geregelten Kohleausstiegs stellen die neuen Grenzwerte ambitionierte, aber mit Blick auf die Restlaufzeiten der Bestandsanlagen gerade noch leistbare Anforderungen dar und führen so zu keinem „Kohleausstieg durch die Hintertür“.

Anders wäre dies, wenn zum Beispiel die Quecksilber-Emissionsgrenzwerte für braunkohlebefeuerte Bestands- und Altanlagen niedriger angesetzt würden. Die dafür von einem technisch nicht kompetenten Institut seit Jahren verbreiteten geringen Investitionskosten sind trotz Korrektur immer noch um den Faktor von etwa 10 zu niedrig angesetzt und daher irreführend – eine weitere Verringerung des Quecksilber-Grenzwertes für Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung über 300 Megawatt würde zu sehr hohen Investitionskosten und daher zu einem „Kohleausstieg durch die Hintertür“ führen.

„et“: Die Verabschiedung der BVT-Schlussfolgerungen war geprägt durch anhaltenden fachlichen Dissens. Wie kam es dazu?

Kather: Von Ende 2010 bis Anfang 2013 habe ich mit meinem Institut das vom Umweltbundesamt beauftragte Projekt „Innovative Techniken: Beste verfügbare Technik in ausgewählten Sektoren“ bearbeitet. Im Rahmen dieses Projekts haben wir einen Fragenkatalog erstellt, der die Basis für die neuen BREF-LCP-Anforderungen bildete. Da bei der Festlegung der Quecksilber-Emissionsgrenzwerte durch das Sevilla-Büro EIPPCB eine sachwidrige Ableitung vorgenommen wurde, habe ich 2016 eine „Expert opinion on BAT-associated emission levels for mercury emissions to air from existing lignite-fired power plants with pulverised combustion boilers in the LCP BREF review process“ verfasst, welche auch im europäischen Parlament verteilt wurde. Obgleich mir das BREF-LCP-Büro (EIPPCB) in Sevilla in allen Punkten Recht gab, wollte man an der getroffenen Festlegung der Quecksilber-Emissionsgrenzwerte für staubgefeuerte Braunkohle-Anlagen nichts mehr ändern, weil die Abstimmung im europäischen Parlament unmittelbar bevorstand.

„et“: Was waren Ihre konkreten Kritikpunkte?

Kather: Der Nachweis des Ausstoßes von weniger als 1 Mikrogramm Quecksilber pro Normkubikmeter Rauchgas für staubgefeuerte Braunkohle-Anlagen wurde nie korrekt belegt. Weltweit gibt es kein Braunkohlekraftwerk mit Staubfeuerung, das mit derart niedrigen Werten betrieben wird. Insofern kann der untere Wert der Bandbreite nicht den Stand der Technik darstellen. Die BREF-LCP-Umfrage ergab für staubgefeuerte Braunkohle-Anlagen mit mehr als 300 Megawatt Leistung eher einen Wert von 9 Mikrogramm pro Normkubikmeter und nicht wie von der EU festgelegt zwischen weniger als 1 bis 7 Mikrogramm pro Normkubikmeter.

„et“: Was bedeutet das für die zukünftige Praxis?

Kather: Da müssen wir streng zwischen Neu- und Bestandsanlagen unterscheiden. Mit 1 Mikrogramm pro Kubikmeter Rauchgas wurde der Emissionsgrenzwert für große Braunkohle-Neubaukraftwerke am unteren Rand des von der EU vorgegebenen Intervalls von weniger als 1 bis 7 Mikrogramm pro Normkubikmeter und somit in der gleichen Größe wie in den USA gewählt. Dies ist ein sehr ambitionierter, technisch aber erreichbarer Wert für Neuanlagen. Die einzige Unsicherheit dabei ist der zurzeit auf Basis des bestehenden Regelwerks messtechnisch nicht mögliche Nachweis dieses sehr niedrigen Grenzwerts.

Für Bestandsanlagen wurde im vorliegenden Verordnungsentwurf für Braunkohle-Anlagen mit mehr als 300 Megawatt Leistung ein Wert von 5 Mikrogramm je Normkubikmeter Rauchgas und bei natürlich bedingt höheren Quecksilbergehalten ein Wert von 7 Mikrogramm je Normkubikmeter festgelegt. Damit liegen die Quecksilber-Emissionsgrenzwerte der nationalen Umsetzung im oberen Bereich der von der EU vorgegebenen Spanne. Sie liegen damit aber in einer ähnlichen Größenordnung wie jene für große Braunkohlekraftwerke in den USA, die einen Grenzwert von etwa 5,6 Mikrogramm einhalten müssen.

„et“: Wie aussagekräftig ist der Vergleich mit den USA?

Kather: Die im Vergleich zu den US-Grenzwerten leicht höheren Quecksilber-Emissionsgrenzwerte für deutsche Kohlekraftwerke sind insofern sachgerecht, weil die US-Kraftwerke sehr häufig mit einem Schlauchfilter ausgerüstet sind. In solchen Fällen ist auf relativ einfache Weise durch eine Zugabe von Quecksilber bindenden Additiven vor dem Schlauchfilter eine hohe Reduktion zu erreichen. In Deutschland sind die entsprechenden Kohlekraftwerke dagegen mit Elektro-Filter ausgerüstet.

„et“: Welche Minderungstechnik eignet sich für deutsche Anlagen?

Kather: Die wesentlichen Maßnahmen zu einer weiteren Absenkung der Quecksilber-Emissionen in deutschen Kraftwerken basieren auf dem in den USA am häufigsten verwendeten Verfahren – der Zugabe von Quecksilber bindenden Additiven vor dem Staubabscheider. Ich habe in den Jahren 2017 bis 2019 mehrere solcher Versuchsreihen begleitet und ausgewertet. In diesen Versuchsreihen wurden, neben der Zugabe verschiedenster Additive vor dem Elektro-Filter, auch die Zugabe des Schwermetall-Fällungsmittels TMT 15 in die Rauchgasentschwefelungsanlage und die Zugabe von Natriumbromid zum Brennstoff untersucht. Dabei haben sich einige der Minderungstechniken als ungeeignet erwiesen und andere aufgrund der unterschiedlichen Anlagentechnik zu stark abweichenden Ergebnissen geführt. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass solche Minderungsmaßnahmen speziell auf die eingesetzte Braunkohle und die vorhandene Anlagentechnik zugeschnitten werden müssen, damit die in der vorliegenden Verordnung festgelegten Emissionsgrenzwerte noch eingehalten werden können.

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