Angebotsproblem muss gelöst werden

Wärmepumpen: Abb. 2 Entwicklung der Beheizungsstruktur im Wohnungsneubau1: Baugenehmigungen – Zehn-Jahres-Rückblick bis heute

Abb. 2 Entwicklung der Beheizungsstruktur im Wohnungsneubau1: Baugenehmigungen – Zehn-Jahres-Rückblick bis heute (Quelle: siehe Bild)

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) stellt als Ergebnis ihrer jüngsten Umfrage bei Fachkräften für energieeffizientes Bauen und Sanieren wohl zutreffend fest: „Es gibt aktuell kein Nachfrage-, sondern ein Angebotsproblem. Produktion, Einbau sowie Anmeldung der Anlagen bei den zuständigen Netzbetreibern müssen massiv beschleunigt werden. Es ist erforderlich, dass Anbieter und Handwerker diese Angebotsprobleme in den kommenden zwei bis drei Jahren zu großen Teilen in den Griff bekommen“ [2].

Vor diesem Hintergrund macht der eilig einberufene Wärmepumpen-Gipfel Sinn. Die Zielmarke wurde auf jährlich 500.000 neu installierte Wärmepumpen ab 2024 festgelegt. In einem „Aufbauprogramm Wärmepumpen“ sollen die notwendigen Maßnahmen zusammengefasst und abgestimmt werden. Die Bundesbauministerium setzt vor allem auf die energetische Stadterneuerung und eine übergreifende Quartierssanierung. Geywitz fordert die schnelle Überprüfung der Landesbauverordnungen, um den Einbau von Wärmepumpen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Beim Handwerk steht das Fachkräfteproblem im Vordergrund und die Gewerkschaften plädieren für eine bezahlbare Wärmewende.

Zumindest bei den Herstellern wird das Angebotsproblem in Erwartung kräftig steigender Absatzzahlen konkret angegangen. Das im niedersächsischen Holzminden ansässige Unternehmen Stiebel-Eltron rechnet im laufenden Jahr mit einem Anstieg der Nachfrage auf 250.000 bis 300.000 Anlagen in Deutschland. Dazu möchte das Unternehmen etwa 80.000 selbst beisteuern. Knapp 600 Mio. € will das Unternehmen in neue Fertigungskapazitäten, die Forschung und etwa 500 neue Arbeitsplätze investieren.

Doch selbst wenn alle inländischen Wärmepumpenhersteller in gleicher oder ähnlicher Größenordnung investieren, dürfte das Ziel von 6 Mio. installierter Wärmepumpen in Deutschland bis 2030 ambitioniert bleiben. Ab 2024 müsste die Produktion auf mindestens 700.000 Anlagen pro Jahr steigen oder der Nachfrageanstieg zumindest teilweise durch Importe gedeckt werden. Doch der Markt für Wärmepumpen expandiert nicht nur in Deutschland. In Europa erreichten die Verkaufszahlen 2021 mit insgesamt 2,2 Mio. Anlagen einen Rekordstand. Gegenüber 2020 betrug der Anstieg rund ein Drittel. In der gesamten EU sind derzeit rund 17 Mio. Anlagen in Betrieb [3]. Besonders kräftig wächst der Markt für Wärmepumpen derzeit in Norwegen und Finnland, gefolgt von Dänemark und Schweden sowie den baltischen Staaten.

Wärmepumpen sorgen für kräftigen Schub bei der Sektorkopplung

Der inländische Wärmemarkt [4] wird derzeit noch von den fossilen Energieträgern dominiert. Knapp die Hälfte des Wohnungsbestands heizt mit Gas, ein Viertel mit Heizöl. Wärmepumpen erreichen aktuell einen Anteil von etwa 3 %. Wenn 2030 die Zahl der Wärmepumpen auf 6 Mio. anwächst, steigt der Anteil am gesamten Wohnungsbestand auf etwa 15 %.

Die Zunahme des Anteils der Wärmepumpen hat andererseits erhebliche Auswirkungen auf den Stromverbrauch des Sektors Private Haushalte. Insgesamt verbrauchen diese in Deutschland derzeit rund 125 Mrd. kWh Strom. Davon entfallen nur etwa 6 % oder 7,5 Mrd. kWh auf die Wärmeversorgung. Der Betrieb von Mio. Wärmepumpen führt bei einem Jahresbedarf von durchschnittlich 6.000 kWh je Anlage zu einem Mehrverbrauch von 36 Mrd. kWh. Auf die privaten Haushalte wird dann etwa ein Drittel des gesamten Stromverbrauchs (2021: 26 %) in Deutschland entfallen.

Investitionskosten und Energiepreise könnten Expansion bremsen

Der Markt für Wärmepumpen boomt derzeit vor allem im Neubaubereich. Die Nutzung von Wärmepumpen im Gebäudebestand entwickelt sich dagegen nur schleppend. Hemmnis für den Betrieb von Wärmepumpen im Bestand ist vor allem der energetische Zustand der Gebäude. Bei Heizwärmeverbräuchen von bis zu 250 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr sind eine gute Planung und Anlageninstallation unverzichtbar. Nicht selten treffen im Gebäudebestand effiziente Anlagen auf veraltete oder ungeeignete Wärmeübertragungssysteme.

Unklar ist die zukünftige Entwicklung der Betriebskosten. Stromversorger bieten spezielle Wärmepumpen-Verträge mit oder ohne Tarifschaltung an. Die Angebote spiegeln aktuell unterschiedliche Preisgestaltungen der Versorger wider. Unternehmen mit noch laufenden längerfristigen Bezugsverträgen bieten Strom für den Wärmepumpenbetrieb (noch) zu Jahreskosten von rund 3.000 € für einen Jahresbedarf von 6.000 kWh an. Versorger, die ihre Preisgestaltung stärker am aktuellen Börsenpreis orientieren, verlangen dagegen für die gleiche Liefermenge bis zu 6.000 €. Die Betreiber von Wärmepumpen sind damit ebenso wie andere Energieverbraucher von der starken Preisvolatilität auf dem Strommarkt betroffen.

Wärmepumpen müssen netzdienlich sein

Die Teilnehmer des diesjährigen Wärmepumpen-Gipfels der Bundesregierung haben sich in ihrer gemeinsamen Abschlusserklärung in Sachen Netzanbindung und Versorgungssicherheit einen eher schlanken Fuß gemacht: „Die Stromnetzbetreiber und Stromversorger haben die Verantwortung, die Netze und Anschlüsse so zu stabilisieren, dass Wärmepumpen installiert und betrieben werden können. Dabei unterstützt die kommunale Wärmeplanung. Gleichzeitig müssen Wärmepumpensysteme so geplant, dimensioniert und gegebenenfalls über Speicher oder die Gebäudeeffizienz flexibilisiert werden, dass ein netzdienlicher Betrieb möglich ist“ [6].

Zwar gewinnen Wärmepumpen den überwiegenden Teil der Energie direkt aus der Umwelt. Aber um die Temperatur auf das erforderliche Niveau für die Beheizung der Innenräume anzuheben, benötigen die Anlagen zusätzlich und bedarfsgerecht Strom. Für die Niederspannungsverteilnetze in Wohngebieten kann dies zu einer Belastung werden, wenn eine größere Zahl von Wärmepumpen gleichzeitig eine hohe Heizleistung bereitstellen sollen. Der plötzliche Anstieg des Strombedarfs im Niederspannungsnetz kann Rückwirkungen auf das vorgelagerte Mittelspannungsnetz haben und durch plötzlich eintretende Lastspitzen die Umspannanlagen überlasten.

Die Last an der Schnittstelle zwischen Nieder- und Mittelspanungsnetzen lässt sich um bis zu 10 % senken, ermittelte das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in einem Feldversuch [6]. Der Lösungsansatz besteht in einem vorausschauenden Betrieb der Wärmepumpen, der eine Prognose des Wärmebedarfs nutzt. Bei einer absehbaren Netzbelastung schaltet sich die Wärmepumpe früher ein und läuft länger, dafür aber mit geringerer Leistung. Das Verfahren nutzt die Wärmekapazität des Hauses als Speichermedium und entlastet so das Stromnetz. Allerdings führt der Ansatz – in engen Grenzen – zu einem erhöhten Wärmeverlust und einer Temperaturabweichung vom Sollwert.

In der Praxis werden sich aber wohl erprobte Verfahren durchsetzen. Dazu zählen Tarifschaltungen oder vertraglich vereinbarte Leistungsgrenzen. Auch zeitvariable Netzentgelte werden diskutiert. Eine einheitliche Regelung ist jedoch nicht in Sicht.

Zusammenfassung

Wärmepumpen sind geeignet, ganz oder überwiegend Wärme aus CO2-freien Energiequellen bereitzustellen und Wärmewende voranzubringen. Die stark steigende Nachfrage stößt aktuell auf ein massives Angebotsproblem bei Herstellern, Planern und dem ausführenden Handwerk.

Die ambitionierten Beschlüsse des diesjährigen Wärmepumpen-Gipfels führen bis 2030 noch nicht zu einer tiefgreifenden Veränderung auf dem Wärmemarkt. Andererseits erhöht der Zubau von bis zu 6 Mio. Wärmepumpen bis 2030 den Strombedarf der privaten Haushalte in signifikanter Größenordnung. Für den zuverlässigen Betrieb der Anlagen sind, insbesondere während der Heizperiode in den Morgen- und Abendstunden, hinreichende, gesicherte Stromerzeugungskapazitäten notwendig. Außerdem ist Vorsorge gegen Lastspitzen in den Verteilnetzen zu treffen.

Quellen

[1] https://www.bdew.de

[2] dena-Expertenumfrage vom 18.08.2022. https://www.dena.de

[3] EU HP markets and statistics - Report 2022. https://www.ehpa.org

[4] https://www.bdew.de

[5] https://www.bmwk.de

[6] Wärmepumpen mit Algorithmen effizienter und netzdienlicher betreiben. Neues Verfahren reduziert Lastspitzen in Stromverteilnetzen. ZSW-Pressemitteilung vom 20.10.2021. https://www.zsw-bw.de

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