Interaction Room: interaktive Alternative zur Anwendung von BI-Reifegradmodellen

Abb. Vier-Phasen-Vorgehensmodell (Quelle: eigene Darstellung)
In der Bewertung des BI-Reifegrads in Unternehmen sind traditionell Fragebögen ein häufig verwendetes Instrument. Diese Fragebögen werden genutzt, um Informationen zu sammeln, die den aktuellen Stand der BI-Implementierung und -Nutzung erfassen sollen. Fehlende Personalisierung, unterschiedliche Auffassungen und Interpretationen von Fragen sowie fehlende Abbildung komplexer Untersuchungsaspekte können die Ergebnisse allerdings negativ beeinträchtigen.
Als Alternative kann der BI-Reifegrad mithilfe eines sog. Interaction Rooms (IR) ermittelt werden. Bei dem IR handelt es sich um ein toolgestütztes Workshop-Framework, das tiefergehende BI-Assessments erlaubt und basierend auf den Ergebnissen dedizierte Handlungsempfehlungen ausspricht. Die Stärken des IR liegen insbesondere in der frühzeitigen Einbindung interdisziplinärer Teams und Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses.
Komplexe Zusammenhänge werden durch Interaktion und intuitive Visualisierungsmethoden verständlich gemacht. Dies erhöht die Akzeptanz bei Mitarbeitern, schärft nachhaltig das konservative Datenverständnis und ebnet den Weg zu einem datengetriebenen Unternehmen.
Mit einem Vier-Phasen-Vorgehensmodell zum erfolgreichen Business Intelligence Assessment
Das ganzheitliche Vorgehensmodell teilt sich in folgende vier Kernphasen (siehe Abb.):
Phase 1: Initialisierung
Die Phase der Initialisierung ist als erster Schritt des Projektes zu verstehen, in dem Status quo sowie Scope und Vision erarbeitet werden. Folgende Aktivitäten fallen unter die Initialisierung:
- Festlegung der Projekt-Leitplanken z.B. Erwartungshaltung, Ziele, Meilensteine, Projektmanagement, Methodenwerkzeuge und Tools;
- Stakeholder-Analyse zur Ermittlung und Beteiligung aller relevanten Interessensgruppen;
- Festlegung der fachlichen Leitplanken, u.a. Festlegung einer Vision und Ermittlung der relevanten BI-Untersuchungsdimensionen.
Phase 2: Assessment und Anforderungsanalyse je Dimension
In der zweiten Phase, der Kernphase des Projektes, wird eine tiefergehende Anforderungsanalyse entlang der oben definierten Dimensionen (Datenqualität und Datenmanagement, Analytische Fähigkeiten, Technologieinfrastruktur, Datenvisualisierung und Berichterstattung, Geschäftsprozessintegration, Organisationskultur und Führung) durchgeführt. Dabei stehen folgende Aktivitäten im Vordergrund:
- Analyse des Status quo je Dimension (Bestandsaufnahme) mithilfe des Interaction-Room-Formats zur Identifikation erster Problem- und Handlungsfelder;
- Entwicklung von Use Cases basierend auf den identifizieren Handlungsfeldern;
- Priorisierung der Use Cases basierend auf definierter Bewertungsmetrik.
Phase 3: Konzeption und Handlungsempfehlungen
In der dritten Phase werden die Ergebnisse aus der Anforderungsanalyse zu einem Gesamtkonzept zusammengetragen. Dabei stehen folgende Aktivitäten im Vordergrund:
- Erstellung eines Gesamtkonzeptes zur Verbesserung der BI-Reife;
- Erstellung einer Use-Case-priorisierten Roadmap;
- Projekt-Vernissage (Interaktive Vorstellung des Projektverlaufs und End-Ergebnisses).
Phase 4: Umsetzung
Die letzte und vierte Phase ist als Implementierungsphase zu verstehen, in der das zuvor erarbeitete Strategiekonzept operationalisiert bzw. umgesetzt wird. Folgende Aktivitäten fallen hierunter:
- Auswahl der Technologien unter Berücksichtigung des Gesamtkonzeptes inklusive Anforderungen und Architektur;
- Realisierung eines Proof of Concept (PoC);
- Operationalisierung der zukünftigen Datenlandschaft auf Basis des erarbeitenden Big Pictures;
- Change-Management und Anpassung der Aufbauorganisation u.a. Rollen- und Prozessdefinitionen sowie Agile Coaching.
Value Based Maintenance (VBM): Kraftwerksdaten intelligent und vorausschauend managen
Wie BI erfolgreich in der Energiewirtschaft eingesetzt werden kann, zeigt das Beispiel des Einsatzes von VBM in Kraftwerken [1]. Die optimale Wartung von Kraftwerken ist von entscheidender Bedeutung, um Ausfälle zu vermeiden und die kontinuierliche Stromversorgung sicherzustellen. Durch den Einsatz von BI und KI können Unternehmen den Zustand ihrer Anlagen vorhersagen und Wartungsmaßnahmen optimieren:
- Herausforderung: Der Ausfall eines Kraftwerks kann nicht nur zu erheblichen finanziellen Verlusten für das Unternehmen führen, sondern auch weitreichende Auswirkungen auf die Versorgung von Städten und Regionen haben. Eine effektive Überwachung und vorausschauende Wartung der Maschinen und Kraftwerks-Komponenten ist daher unerlässlich. Die Flexibilität im Kraftwerkseinsatz sowie die enorme Menge an Sensorik und Datenquellen in modernen Kraftwerken macht es jedoch schwierig, den Überblick zu behalten und den Wartungsbedarf rechtzeitig zu erkennen.
- Lösung: Durch die Implementierung einer BI-Lösung, die auf KI und Machine Learning basiert, können Unternehmen den Zustand ihrer Kraftwerke besser vorhersagen und Wartungsmaßnahmen optimieren. Die VBM-Lösungskonzeption spielt dabei eine zentrale Rolle. Eine Plattform, die alle relevanten Datenquellen zusammenführt, ermöglicht es den Ingenieuren, den Zustand der einzelnen Komponenten zu überwachen und den Wartungsbedarf zu identifizieren. Mithilfe von KI-Modellen können Verschleiß und optimaler Reparaturzeitpunkt präzise vorhergesagt werden. Die Implementierung einer solchen BI-Lösung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den BI-Experten. Ein vertrauensvolles und offenes Team setzt sich gemeinsam mit den Ingenieuren vor Ort ein, um die Bedürfnisse und Anforderungen zu verstehen und in das Dashboard zu integrieren. Die Plattform wird schrittweise eingeführt und in einem Pilotkraftwerk getestet, bevor sie auf weitere Anlagen ausgeweitet wird.
Dieses Beispiel zeigt, wie BI und KI in der Energiewirtschaft erfolgreich eingesetzt werden können, um den Betrieb von Kraftwerken zu optimieren. Die VBM-BI-Lösung kann auf weitere Kraftwerke ausgeweitet werden, um deren Effizienz und Zuverlässigkeit noch weiter zu steigern. Dabei ist die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und BI-Experten von besonderer Bedeutung, um die BI-Lösung kontinuierlich zu verbessern und den sich ändernden Anforderungen anzupassen.
Fazit
Die Nutzung von BI in der Energiewirtschaft gewinnt an Bedeutung, um die Herausforderungen des Sektors zu bewältigen. Reifegradmodelle bieten ein strukturiertes Framework, um den aktuellen Stand der BI-Fähigkeiten zu bewerten und gezielte Maßnahmen abzuleiten. Der Interaction-Room-Ansatz stellt eine innovative Methode dar, die Zusammenarbeit und gemeinsame Entscheidungsfindung fördert. Dieser bildet die Basis eines Vier-Phasen-Vorgehensmodells, um ganzheitlich und nachhaltig BI im Unternehmen zu bewerten und zu optimieren.
Der VBM-Case zeigt, wie BI und KI in der Energiewirtschaft eingesetzt werden können, um den Betrieb von Kraftwerken zu optimieren. Durch die Implementierung einer BI-Lösung mit KI- und Machine-Learning-Funktionen können Unternehmen den Zustand ihrer Anlagen vorhersagen und Wartungsmaßnahmen intelligenter aussteuern. Die enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und BI-Experten ist dabei entscheidend, um die Lösung kontinuierlich zu verbessern und den sich ändernden Anforderungen nachhaltig anzupassen. Dieses erfolgreiche Beispiel zeigt das Potenzial von BI und KI, die Effizienz und Zuverlässigkeit von Kraftwerken zu steigern und Ausfälle zu vermeiden.
Quelle
[1] Urbansky, F. (02.08.2022): Kraftwerksdaten intelligent und vorausschauend managen, Springer Professional (https://www.springerprofessional.de/energiebereitstellung/energie---nachhaltigkeit/kraftwerksdaten-intelligent-und-vorausschauend-managen/23111620).