Politischer Rahmen: Grünes Licht für CCS

Abb. 1 Mengen- und Kostenabschätzung von industriellen CCS-Anwendungen in Deutschland (Quelle: McKinsey & Company)
Im Frühjahr 2024 stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Eckpunkte seiner Carbon Management-Strategie vor: Erstmalig soll die unterirdische CO2-Speicherung hierzulande in größerem Umfang erlaubt werden. Dem aktuellen Gesetzentwurf zufolge wird konkret die Offshore-Speicherung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee ermöglicht. Ferner können die Bundesländer Onshore-Speicherungen in ihren jeweiligen Landesgebieten beschließen.
Mittelfristig soll zudem der CO2-Export zur Offshore-Speicherung erlaubt werden. Vorgesehen ist hierzu eine Änderung des London-Protokolls, das die Ausfuhr von Kohlenstoffdioxid bislang untersagt.
CO2-Speicherung: Große Kapazitäten in der Nordsee vorhanden
Die Speicherkapazitäten für abgeschiedenes CO2 sind insbesondere zur See beträchtlich: Nach Schätzungen des GEOSTOR-Projekts am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung verfügt das deutsche AWZ-Gebiet über eine Kapazität von bis zu 10.000 Mt. Das Speicherpotenzial der gesamten Nordsee ist mehr als zehnmal so groß: Es wird auf über 100.000 Mt taxiert.
Deutschlands CO2-Emissionen betrugen vergangenes Jahr in Summe 600 Mt. Hochgerechnet bedeutet das: Wenn Deutschland gemeinsam mit den Nordseestaaten Großbritannien, Norwegen, den Niederlanden, Belgien und Frankreich ihre gesamten CO2-Emissionen unter der Nordsee verpressen würden (zusammen über 1.000 Mt), wären die Kapazitäten nach rund 100 Jahren ausgelastet, wahrscheinlich aber später. Denn tatsächlich dürfte die abgeschiedene und gespeicherte Menge allein schon in Deutschland weitaus geringer sein, wie die nachfolgende Analyse zeigt.
Auf deutscher Seite in Planung sind jetzt erste Großprojekte mit einer Abscheidungskapazität von rund 9 Mt pro Jahr; vorrangiges Einsatzgebiet ist die Zementindustrie. Spätestens Ende des Jahrzehnts sollen die Anlagen in Betrieb gehen.
CO2-Abscheidung: Technisch betrachtet auf rund 360 Mt anwendbar
Für die Abscheidung von Kohlendioxid in großen Mengen eignen sich sog. Point Sources, d.h. stationäre CO2-Emittenten. Zusammen könnten sie rein technisch betrachtet pro Jahr 360 Mt Treibhausgas mittels CCS abscheiden – das entspricht mehr als der Hälfte aller CO2-Emissionen in Deutschland.
Allerdings bieten sich nicht alle Industrien gleichermaßen dafür an: Die Sektoren unterscheiden sich je nach Regulatorik, alternativen Technologieoptionen und Abscheidungskosten. Berücksichtigt man außerdem die unterschiedlichen Aufwendungen für Transport und Speicherung je nach geografischer Lage der Emittenten, ergibt sich ein erstes Bild über die potenziellen CCS-Abscheidungsmengen und deren Kosten (Abb. 1). Da sich CCS-Anwendungen nur im großindustriellen Maßstab lohnen, fanden nur Emittenten mit einem jährlichen CO2-Volumen über 100 kt Eingang in die Analyse.
Hinzu kommt, dass Kohlendioxid in der Praxis nicht zu 100 % eingefangen werden kann. In unserer Modellierung gehen wir davon aus, dass Abscheidungsraten von 90 % realisiert werden. Diese sind – anders als in früheren Pilotprojekten – mittlerweile technisch möglich und bei bestehenden internationalen Projekten bereits erreicht worden. Eingerechnet wurden zudem 10 % Ausfallzeiten sowie Verluste bei CO2-Verarbeitung und Transport.
Das Abscheidungspotenzial, das sich auf dieser Berechnungsgrundlage ergibt, beträgt in Summe 150 Mt pro Jahr. Die Kostenkurve weist dabei ausschließlich die Aufwendungen für das CCS-Verfahren aus; für die Menge Kohlendioxid, die nicht eingefangen wird, müssen Anwender weiterhin ETS-Zertifikate erwerben, die bei der Gesamtkostenbetrachtung mit zu berücksichtigen sind.
Schon wenige Großemittenten (bei denen die Kosten vergleichsweise gering ausfallen) könnten CO2-Einsparungen in beachtlicher Höhe realisieren: Allein von den zehn größten Point Sources beispielsweise, vornehmlich aus der Chemie-, Stahl- und Energiebranche, ließen sich unter den beschriebenen Annahmen fast 50 Mt CO2 pro Jahr unter die Erde befördern.
Die Kostenkurve in unserer Analyse geht von einer weitgehend flächendeckenden CCS-Anwendung in Deutschland aus. Voraussichtlich aber wird zunächst nur eine geringe Zahl von Unternehmen tatsächlich CCS einsetzen. Die Investitionen in die erforderliche Infrastruktur verteilen sich damit auf wenige Anwender – und verteuern sich entsprechend für den Einzelnen. Folglich wird es wesentlich vom Engagement der Großemittenten am unteren Ende der Kostenkurve abhängen, ob CCS-Anwendungen in Deutschland bezahlbar und damit zum Erfolg werden. Denn diese könnten auch alternativ ihre Produktionsprozesse umstellen oder ins außereuropäische Ausland abwandern.