Ausstieg aus der Kohle

Der Ausstieg aus der Kernenergie war eine schwierige Geburt. Der angestrebte Ausstieg aus der Kohle wird kein Spaziergang. Man braucht nicht viel Phantasie, um vorauszusehen, dass der Ausstieg aus dem Mineralöl noch schwieriger und kostspieliger werden dürfte. Mineralöl trägt heute mit gut 35 % die Hauptlast des Primärenergieverbrauchs in Deutschland. Wer über Voraussetzungen und Konsequenzen eines nahezu vollständigen Verzichts auf Mineralöl innerhalb von 30 Jahren nachdenken will, sollte insbesondere beachten, dass es heute zu Öl keine naheliegenden Alternativen gibt (vgl. Abb. 1). Wichtig ist auch die Tatsache, dass mit dem Ölverbrauch erhebliche Steuereinnahmen verbunden sind, die künftig entfallen würden (Aufkommen 2018: 40,9 Mrd. €, davon Kraftstoffe 36,8 Mrd. €). Und so ist es eigentlich erstaunlich, dass über diesen Teil der „Energiewende“ kaum gesprochen wird. Oder hat man in der öffentlichen Debatte schon einmal etwas vom „Ende des Ölzeitalters in Deutschland“ gehört?

Mit dem Klimaschutzgesetz zur „amtlichen Energiebilanz 2050“

Der bisherige Gedankengang öffnet den Blick auf eine weitere Überlegung. Anfang 2019 hat das BMU einen sog. „Referentenentwurf für ein Bundes-Klimaschutzgesetz“ vorgelegt [8]. Dort wird als Ziel vorgegeben, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um mindestens 95 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Damit ergibt sich gegenüber dem Energiekonzept 2010 eine wichtige Veränderung. Dort war ja noch die Rede von einer Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 in einer Bandbreite von 80 % bis 95 % gegenüber 1990. Was bedeutet diese angestrebte Verschärfung der Klimaschutzpolitik?

Um die sich aus dem Klimaschutzgesetz ergebende „amtliche Energiebilanz 2050“ zu ermitteln, muss man die oben erläuterten Rechnungen einfach wiederholen. Das ist schnell gemacht, denn man kann die Ergebnisse für die Schritte I bis IV direkt übernehmen:

  • Schritt I „Festlegung des Primärenergieverbrauchs 2050“: Der Primärenergieverbrauch 2050 liegt bei 7.190 PJ.
  • Schritt II „Beitrag von Kernenergie und Kohle 2050“: Für Kernenergie und Kohle ist der Beitrag in 2050 mit Null anzusetzen.
  • Schritt III „Beitrag der erneuerbaren Energien 2050“: Der Beitrag für die erneuerbaren Energien liegt bei 3.667 PJ.
  • Schritt IV „Restrechnung für Mineralöl und Erdgas 2050“: Für die Energieträger Mineralöl und Erdgas ergibt sich in der Summe ein möglicher Beitrag von 3.523 PJ.
  • Schritt V „Vorgabe eines CO2-Limits für 2050“: Bei Schritt V muss man neu ansetzen. In 1990 betrugen die energiebedingten CO2- Emissionen 986 Mio. t. Das Klima-schutzgesetz nennt als Ziel eine Minderung von 95 % und damit ergibt sich ein neues CO2-Limit für 2050. Es liegt bei 49,3 Mio. t (49,3 Mio. t = 986 * 0,05).
  • Schritt VI „Festlegung der Beiträge Mineralöl und Erdgas 2050“: Jeder kann schnell erkennen, dass die Mathematik unter diesen Bedingungen keine Lösung möglich macht. Bei einem CO2-Limit von 49,3 Mio. t dürften ja selbst von dem „klimafreund-lichen“ Erdgas nur 881,9 PJ eingesetzt werden (881,9 PJ = 49,3 Mio. t CO2/0,0559 Mio. t CO2/PJ). Das wäre zu wenig, um zusammen mit dem an anderer Stelle bereits vorgegeben Beitrag für die erneuerbaren Energien (3.667 PJ) den Energiebedarf in 2050 von 7.190 PJ zu decken. Man kann dieser misslichen Konstellation entkommen; allerdings müsste man dazu die Annahmen verändern. Der einfachste Ansatz wäre ein über die bisherige Vorgabe hinausgehender Ausbau der erneuerbaren Energien. So müsste die Bundesregierung für 2050 einen Beitrag der erneuerbaren Energien in Höhe von 6.308 PJ anstreben (2018/2050: plus 239 %).
Primärenergieverbrauch Mineralöl in Deutschland (PJ)

Abbildung 1: Primärenergieverbrauch Mineralöl in Deutschland (PJ) (Bildquelle: Dr. Knut Kübler)

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