Grafik zum Risiko einer L-Gas Versorgungskrise in Deutschland

Bild: Andrey Popov | Fotolia

Erdgase aus Norwegen, Russland, UK und LNG aus Übersee sind praktisch beliebig austauschbar. Das gilt nicht für das in Deutschland geförderte Erdgas sowie Erdgas aus dem niederländischen Groningen-Feld (L-Gas). Diese unterscheiden sich von anderenorts üblichen H-Gasen durch einen niedrigeren Brennwert bzw. Wobbe-Wert aufgrund des hohen Inertgas-Anteils. Der L-Gas-Absatzmarkt in Europa ist auf ein Gebiet im Nordwesten beschränkt (siehe Abb. 1/Bildergalerie). Dieses umfasst den Nordwesten Deutschlands (Verbrauch bis ca. 20 Mrd. m³/a), die Niederlande (Verbrauch bis ca. 30 Mrd. m³/a), Teile Belgiens (Verbrauch bis ca. 5 Mrd. m³/a) und den Norden Frankreichs (Verbrauch bis ca. 5 Mrd. m³/a). Insgesamt werden in einem kalten Jahr ca. 60 Mrd. m³/a L-Gas benötigt.

Dieser Markt wurde mit Aufnahme der Produktion des Groningen-Feldes im Jahr 1963 etabliert. Von den gesamten Erdgasreserven dieses Feldes i. H. v. ca. 2.800 Mrd. m³ wurden seitdem knapp 80 % gefördert (Abb. 2/Bildergalerie).

Erdgaslieferungen aus dem Groningen-Feld wurden stets mit einer hohen Flexibilität angeboten. Dies bedeutet, dass den Beziehern des Erdgases, in verschiedenen Perioden Optionen zum Bezug von Erdgas innerhalb vorab vereinbarter Grenzen gewährt wurden.  Somit war aber auch die Produktion aus dem Groningen-Feld starken Schwankungen unterworfen. Zusätzlich zu der L-Gas Produktion aus dem Groningen-Feld wird bzw. wurde L-Gas vor allem in der norddeutschen Tiefebene gefördert. Diese Förderung ist stark rückläufig.

Prognosen

Aktuell existieren (u. a. vom niederländischen Wirtschaftsministerium) zahlreiche Szenarien zur Abbildung der erwarteten künftigen Entwicklung der L-Gas-Produktion in Europa, d. h. insbesondere der weiteren Entwicklung der Produktion des Groningen-Feldes. Allen Szenarien gemeinsam ist:

  • Es wird ein Rückgang der L-Gas Produktion prognostiziert.
  • Zumindest bis 2030 wird nicht von einer Einstellung der L-Gas Exporte ausgegangen.
  • Es wird eine „Verflachung“ der Struktur aufgrund einer Einschränkung der vertraglichen Flexibilität der L-Gas Exporte erwartet.
  • Die Verfügbarkeit von L-Gas in den Niederlanden soll durch Mischung von Groningen-Gas mit H-Gas, durch H-Gas mit Zumischung von Stickstoff und Nutzung des Norg-Speichers sowie durch Reduktion der L-Gas Exporte gewährleistet werden.

L-/H-Gas Umstellung in Deutschland

Da die Erschöpfung der Groningen-Lager-stätte bereits seit längerer Zeit absehbar war, werden die erforderlichen Schritte zur Umstellung der L-Gas versorgten Gebiete auf eine H-Gas- Versorgung seit ca. 15 Jahren diskutiert und teilweise auch initiiert bzw. durchgeführt. Dennoch wurde die Umstellung zunächst ad acta gelegt, denn die L-Gaslieferungen von GasTerra B.V. an europäische Importeure wurden 2008 um zehn Jahre verlängert. Nach aktuellem Stand sollen die Exporte von L-Gas nach Deutschland von 2020 bis 2030 schrittweise reduziert und dann eingestellt werden.

Im Jahr 2012 wurde die L-/H-Gas Umstellung im Netzentwicklungsplan („NEP“) Gas als nach 2020 zu ergreifende Maßnahme aufgeführt. Als bedeutend wurde dort vermerkt, dass die Weiterbelastung der mit der Umstellung verbundenen Kosten regulatorisch ungeklärt sei.

Im NEP 2013 wurde der Rückgang der niederländischen Exporte nach Deutschland ab 2021 erstmalig konkretisiert und im NEP 2016 auf die Erdbeben im Groningen-Gebiet und die höchstrichterliche Anweisung zur Groningen-Förderung hingewiesen.

Groningen Produktionseinschränkungen wegen Erdbeben

Seit den 1990er Jahren wurde eine Reihe von lokalen Erdbeben im Raum Groningen registriert – zuletzt am 8. Januar 2018 ein Beben der Stärke 3,4 (Richter-Skala). Die Produktionsmenge und deren Schwankungen werden als eine wesentliche Ursache für das Auftreten dieser „induzierten“ Erdbeben angesehen. Durch die Erdbeben entstanden teilweise erhebliche Schäden an Gebäuden. Zusätzlich kam es zu großflächigen Absenkungen durch die Druckentlastung im Erdgasreservoir.

Diese Ereignisse führten zu zunehmendem politischen Widerstand gegen die Erdgas-förderung und, als Konsequenz, zu Produktionseinschränkungen für das Groningen Feld, angeordnet durch das niederländische Wirtschaftsministerium bzw. höchstrichterliche Anweisung. Es wird sowohl die jährliche Produktionsmenge als auch die Flexibilität und somit die Schwankungen der Produktion (Abb. 3/Bildergalerie) des Groningen-Feldes eingeschränkt. Während im Jahr 2014 noch 42,5 Mrd. m³/a gefördert wurden, wurde die Produktionsmenge 2015/2016 auf 27 Mrd. m³/a [1] reduziert. Im Mai 2017 wurde die Produktion für fünf Jahre bis 2020/2021 im Durchschnittsjahr auf knapp über 21 Mrd. m³/a mit einem gleichmäßigen Förderprofil beschränkt. Eine weitere Reduktion aufgrund des Erdbebens im Januar 2018 wird erwogen und entsprechende Vorschläge seitens des niederländischen Netzbetreibers Gasunie Transport Services B.V. (GTS) und der niederländischen Bergbaubehörde liegen bereits vor.

Niederländische Maßnahmen

Zusätzlich zu den Produktionsbeschränkungen wurden in den Niederlanden umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um einerseits die L-Gas-Lieferflexibilität durch neue Erdgasspeicher (insb. Norg, anstelle der flexiblen Förderung aus der Lagerstätte) zu gewährleisten und andererseits ein Zumischpotenzial von rd. 10 Mrd. m³/a zu schaffen, um Groningen-Gas durch Zumischung von H-Gas in den L-Gas Grenzen auszuweiten. Ferner wurden von GTS rd. 20 Mrd. m³ Kapazität geschaffen, um durch Zumischung von Stickstoff zu H-Gas, L-Gas zu erzeugen.

Mit diesen Maßnahmen dürften die derzeitigen Lieferverpflichtungen niederländischer Lieferanten in den Niederlanden bzw. für den Export auch in einem kalten Jahr und auch bei den derzeitigen Produktionseinschränkungen aufrechterhalten werden können.

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