Wege aus dem Datendilemma: ethische Orientierungen für Unternehmen

Abb. 5 Aspekte für Übermittlung von Energieverbrauchsdaten - ist mir "sehr wichtig" oder "wichtig"

Abb. 5 Aspekte für Übermittlung von Energieverbrauchsdaten - ist mir "sehr wichtig" oder "wichtig" (Quelle: WZGE)

Am WZGE haben wir aus den Studienergebnissen vier konkrete ethische Orientierungen herausgearbeitet, wie Unternehmen zur Vertrauensbildung in das Datenteilen für die digitale Energiewende beitragen können:

 

  1. Mehrwerte des Datenteilens sichtbar machen
    Normative Appelle zum Datenteilen reichen nicht aus. Wer Menschen für die Bereitstellung von Energiedaten gewinnen will, muss zuvorderst den persönlichen Alltagsnutzen sichtbar machen. Erst in Verbindung damit können auch Gemeinwohlaspekte Anreize zum Datenteilen entfalten. Das erfordert seitens der Energiebranche klare Konzepte und Maßnahmen, die Bürger den Mehrwert erkennen lassen, der mit dem Teilen und Verwerten ihrer Daten einhergeht.
  2. In Selbstbegrenzung investieren
    Nutzenversprechen sind notwendig, allein aber nicht hinreichend. Es braucht auch das Vertrauen der Menschen, durch das Bereitstellen ihrer Daten nicht „geschädigt“ zu werden. In den Ergebnissen spiegeln sich konkrete Erwartungen an die datennutzenden Energieunternehmen wider. Die wichtigsten sind: Gewährleistung von Datensicherheit, Transparenz und Zweckbindung bei der Datenverwertung, faire Nutzenverteilung und Datensouveränität. Werden diese Vertrauenserwartungen nicht erfüllt, laufen Nutzenversprechen ins Leere. Daher sollten konkrete „Vertrauensinvestitionen“ jenseits bloßer Vertrauensappelle für Energieunternehmen Priorität haben. Diese Erwartung zeigt sich auch darin, dass die Menschen in Sachen Datennutzung der ethischen Selbstverantwortung der Unternehmen einen höheren Stellenwert einräumen als „externen“ vertrauensbildenden Maßnahmen, wie dem Einsatz von Datentreuhändern oder Gütesiegeln.
  3. Digital Energy Literacy fördern
    Die Umfrageergebnisse zeigen: das Wissen über die digitale Energiewende ist nach wie vor gering. Die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen ist daher entscheidend. Sie sind Grundlage für Vertrauen wie auch die persönliche und gesellschaftliche Nutzenwahrnehmung des Datenteilens. Bei dieser Aufgabe kommt den Energieunternehmen eine besondere Rolle zu: Sie haben die Nähe zu den Verbrauchern, ihnen wird Kompetenz zugeschrieben und sie gestalten unmittelbar den Nutzen.
  4. Unterschiedliche Bedarfe und Interessen der Menschen adressieren
    Menschen in heterogenen Gesellschaften sind durch vielfältige materielle Lebensverhältnisse, Kompetenzen, Interessen und Wertvorstellungen geprägt. Dies spiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen wider. Ein Beispiel dafür sind Unterschiede bei den digitalen Energiekompetenzen, die bei Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss deutlich geringer ausgeprägt sind. Das heißt: Statt „one size fits all“-Lösungen braucht es multiperspektivische Ansätze, die diese unterschiedlichen Lebenswelten explizit adressieren, um so alle Menschen im Rahmen des „Gemeinschaftswerks“ (digitale) Energiewende mitnehmen zu können.

Fazit

Zweifellos braucht das Teilen von Energiedaten verbindliche und verlässliche Regeln. Die Ergebnisse der WZGE-Studie zeigen jedoch auch: Innerhalb jener Regeln und darüber hinaus können Unternehmen durch vertrauensbildende Maßnahmen die Datenteilbereitschaft der Menschen bei der Nutzung von digitalen Innovationen im Energiebereich entscheidend beeinflussen. Sie sollten diese Chance auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse nutzen: Denn eine langfristige Investition in den „Vermögenswert“ Vertrauen wird im Zuge der digitalen Transformation des Energiesystems zu einem immer wichtigeren Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb.

Literatur

Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation (2016): Big Data. Wann Menschen bereit sind, ihre Daten zu teilen, https://www.vodafone-institut.de/wp-content/uploads/2016/01/VodafoneInstitute-Survey-BigData-Highlights-de.pdf
Fraunhofer-Institut für sichere Informationstechnologie (2015): Begleitpapier Bürgerdialog – Chancen durch Big Data und die Frage des Privatsphäreschutzes, https://www.sit.fraunhofer.de/fileadmin/dokumente/studien_und_technical_reports/Big-Data-Studie2015_FraunhoferSIT.pdf?_=1435059641

 

M. Walter, Leiter des Projekts Ethische Herausforderungen der digitalen Energiewende am Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik; M. von Broock, Vorstandsvorsitzender des Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE), Wittenberg

 

Zum Kontext der Studie

Die Studie ist Teil des Projekts Ethische Herausforderungen der digitalen Energiewende. Die Verantwortung der Unternehmen, das vom Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) seit Januar 2020 durchgeführt wird. Ziel des von der E.ON Stiftung geförderten Projekts ist die Entwicklung von praxisnahen Gestaltungsansätzen, mit denen Energieunternehmen zur Vertrauensbildung in die digitale Energiewende beitragen können.

Download der Studie unter wcge.org

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