Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts (ewi) an der Universität zu Köln (Foto: ewi)

Dieser Vorgabe folgt Deutschland nicht, und setzt eher auf nationale Alleingänge wie den Kohleausstieg. Zu dieser Problematik und darüber hinaus befragte „et“ Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Energieökonom an der Universität zu Köln.  

„et“: In Deutschland konzentriert sich die klima-politische Diskussion vorwiegend auf den ETS-Bereich. Dort werden steile Ziele formuliert, verschoben und verschärft. Der Non-ETS-Bereich hingegen liegt brach. Wie könnte man hier zeitnah umsteuern? 

Bettzüge: Zunächst einmal müssten wir den Nicht-ETS-Bereich als das zentrale Handlungsfeld für nationale Klima- und Energiepolitik anerkennen. Stattdessen lenken wir den größten Teil der Aufmerksamkeit immer noch auf die von der EU eigentlich abschließend behandelten ETS-Sektoren. In einem zweiten Schritt müssten wir dann die bereits vorhandenen Energiesteuern betrachten, welche bereits umfassend auf den Verbrauch fossiler Energieträger in den Nicht-ETS-Sektoren einwirken, also die Brenn- und Kraftstoffsteuern. Interessanterweise sind diese Steuern während der gesamten „Klima“-Kanzlerschaft von Frau Merkel nicht erhöht worden – und damit real sogar gesunken. Der ökonomisch naheliegende Weg zu weniger Treibhausgasen in den Nicht-ETS-Sektoren würde also darin bestehen, diesen Trend umzukehren. Das ginge naturgemäß nicht ad hoc, sondern das müsste mit Augenmaß und auf lange Sicht geplant realisiert werden, so dass die Verbraucher in der Lage wären, den Kapitalstock auf diese Entwicklung anzupassen. Ferner müssten solche Steuererhöhungen sozial flankiert werden.

Umsteuern bei den Steuern

„et“: Was wäre ein guter Maßstab für die Besteuerung – die CO2-Emission?

Bettzüge: Dieser bei manchem energiepolitischen Berater beliebte Vorschlag übersieht meines Erachtens die enormen Unterschiede in den derzeitigen Steuersätzen. Diese Unterschiede sind ja nicht Ergebnis eines historischen Zufalls, sondern langjähriger politischer Abwägung von Verteilungswirkungen und Besteuerungsmöglichkeiten. Wer einheitlichen Energiesteuern auf Basis von CO2-Preisen das Wort redet, geht nonchalant über diese fiskalischen Herausforderungen hinweg. Zudem ist eine Vereinheitlichung zwischen den Sektoren, also zwischen Heiz- und Kraftstoffen, auch nicht das wirklich drängende Problem. Voraussetzung für die Erreichung der Klima- ziele erscheint vielmehr, wie gesagt, das Einschwenken auf sorgfältig geplante Wachstums-pfade für die Energiesteuern auf fossile Brennstoffe. Innerhalb des Wärme- und Transportsektors können diese Pfade durchaus auf eine allmähliche Vereinheitlichung nach dem jeweiligen CO2-Ausstoß angelegt werden, also auf langfristig vergleichbare Heizöl- und Heizgas- bzw. Diesel- und Benzinsteuern. Zwischen den beiden Sektoren werden aber sicherlich noch auf lange Sicht erhebliche Unterschiede bestehen bleiben müssen.  

„et“: Steigende Steuern halten Sie also für politisch durchsetzbar, wenn der Gradient nicht zu steil ist?

Bettzüge: Das ist meines Erachtens die Schlüsselfrage für die Erreichung der Klimaziele in den Nicht-ETS-Sektoren. Um solche Steuererhöhungen vermitteln zu können, bräuchte es allerdings einen langfristigen Ansatz. Man sollte sicherlich nicht von einem Jahr auf das andere Steuersätze beispielsweise verdoppeln, sondern für langfristige Planungssicherheit für die Verbraucher sorgen, mindestens über einen Zehn-Jahres-Zeitraum. Idealerweise sollte die Erhöhung am Anfang nicht ganz so hoch ausfallen, denn kurzfristig sind die Anpassungsmöglichkeiten des Kapitalstocks eher gering. Und naturgemäß muss man eine solche Besteuerungsstrategie mit Kompensationsleistungen für diejenigen kombinieren, die davon in besonderem Maße betroffen sind und keine offensichtlichen Ausweichmöglichkeiten haben. Das beträfe dann beispielsweise Niedriglohnbezieher, den ländlichen Raum oder Pendler, denen Kompensations- bzw. Unterstützungsmaßnahmen für energetische Verbesserungen zu Gute kommen sollten. Das Leitinstrument – die Energiesteuern, die wir heute bereits haben – sollte aber erhalten bleiben.

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