Ungleichgewicht des nationalen politischen Engagements im ETS- und Non-ETS-Bereich

et: Für das eingangs genannte Ungleichgewicht des nationalen politischen Engagements im ETS- und Non-ETS-Bereich ist der Kohleausstieg ein Paradebeispiel. Inwieweit ist der staatliche Eingriff in ETS-Sektoren überhaupt sinnvoll?  

Bettzüge: Wenn man zusätzliche Minderungen von CO2-Emissionen in den ETS-Sektoren erreichen will, ist die effiziente Lösung bekannt: Verringerung der Zertifikatmenge, beispielsweise durch staatliche Stilllegung von Zertifikaten. Ohne eine solche Verringerung der Menge sind nationale Eingriffe in die ETS-Sektoren Symbol-politik zur Pflege der nationalen Klimabilanz, aber ohne Auswirkung auf die EU-weiten Emissionen. Wenn effektive CO2-Minderung das Ziel der Übung ist, müssten diese Wechselwirkungen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehen. Soviel zum „Ob“ eines weiteren nationalen Eingriffs in die ETS-Sektoren. Aber auch das „Wie“ kann man in Frage stellen. Effizient wäre ein technologieneutraler Eingriff, beispielsweise über einen nationalen CO2-Mindestpreis im ETS. Stattdessen scheinen sich detailliert vorformulierte Vorstellungen durchzusetzen, etwa hinsichtlich der Typen von Kraftwerken und ihrer jeweiligen Abschaltzeitpunkte.

Dieser Detailgrad der staatlichen Steuerung der Energiewirtschaft wirft die Frage auf, welche Rolle der Staat hier eigentlich einzunehmen gedenkt: Will er der Mikromanager der Energiewende werden? Und ist er im Gegenzug bereit, auch die entsprechende Verantwortung zu übernehmen? Wäre dann nicht eigentlich der Kauf dieser Kraftwerke durch den Staat – sprich: die Verstaatlichung der Kohlverstromung – die folgerichtige Lösung für die Umsetzung der politisch formulierten Zielvorstellungen? Dann könnte er die Kraftwerke ganz nach Wunsch abschalten, und statt über Privatvermögen würde die vom Staat eingesetzte Kommission über Staatsbesitz verhandeln.

et: Wir haben den Eindruck, dass der Staat mit dem Kohleausstieg auch versucht, einen Strukturwandel zu planen. Ist das nicht legitim?   

Bettzüge: Ein Strukturwandel, und damit eine Modernisierung, ist in den betroffenen Regionen, speziell in den ostdeutschen Braunkohlegebieten, eine gute Idee – und das völlig unabhängig vom Datum eines Kohleausstiegs. Ein solcher Strukturwandel sollte allerdings dem Rückbau der kohleseitigen Industriestrukturen vorausgehen und nicht folgen. Ein Kohleausstieg erfordert übrigens auch einen Strukturwandel in der Energiewirtschaft. Werden Kohlekraftwerke schnell aus dem Markt gedrängt, muss entsprechend Ersatzleistung in Form von Gaskraftwerken geschaffen werden. Ersatzkapazität muss bereitgestellt, entsprechend müssen Kraftwerke gebaut werden – und das an den richtigen Standorten. Auch die dahinterliegende Erdgas-Struktur ist anzupassen. Und dabei ist zudem der bereits bestehende innerdeutsche Netzengpass zu berücksichtigen. Sprich: Forciert man einen schnellen Rückbau von Kohlekraftwerken, steht man vor einer umfassenden und rasch zu bewältigenden Koordinationsaufgabe. Im Grunde muss der Staat dann – schon fast zwangsläufig – Verantwortung übernehmen, gerade auch, weil er durch die Art und Weise seines Eingriffs in den Energiemarkt die Investitionssicherheit am Standort Deutschland grundsätzlich in Zweifel zieht. Wenn Betriebsgenehmigungen für Tagebaue mit Federstrich einkassiert werden können, dann werden sich auch mögliche Investoren in neue Gaskraftwerke fragen, ob Investitionssicherheit für die gesamte Lebensdauer dieser Anlage gewährleistet ist. 

et: Was müsste der Staat tun? 

Bettzüge: Der Staat wird vermutlich Investitionsgarantien – in welcher Form auch immer – geben müssen. Bei den erneuerbaren Energien und beim Netz geschieht das ja heute bereits in sehr deutlicher Art und Weise. Die Frage, wie man dies bei Ersatzinvestitionen für stillgelegte Kohlekraftwerke regeln will, ist da wohl berechtigt. Dahinter liegt dann noch die Problematik der entsprechenden Anpassungen in der Erdgas-Infrastruktur. Wie hier Investitions- und Planungssicherheit entstehen soll, erscheint derzeit mehr als unklar.

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