Kohleausstieg – gut gemeint, schlecht gemacht?

Klimapolitik: Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK); Professor für Ökonomie des Klimawandels, Technische Universität Berlin

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer Universität Berlin (Bildquelle: PIK/Ausserhofer)

„Wenn wir nicht wollen, dass die Klimapolitik bei jedem Konjunktureinbruch erneut zur Diskussion steht, müssen wir Instrumente entwickeln, die gegenüber solchen Einflüssen robust sind. Der CO2-Mindestpreis erlaubt, dass die Preise fluktuieren können, aber er stellt für die Investoren ein Sicherheitsnetz dar, an dem sie sich ausrichten können. Aber auch schon der CO2-Preis allein wirkt antizyklisch, sinkt im Abschwung und steigt im Aufschwung. Das abzuschaffen hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Deshalb bin ich ein Verfechter des CO2-Mindestpreises, um die Erwartungen der Investoren einigermaßen zu stabilisieren. Der Mindestpreis muss aber stetig steigen.“

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam; Professor für Ökonomie des Klimawandels, Technische Universität Berlin

„et“: Es geht beim Kohleausstieg um Strukturwandel, der Abschied von diesem Energieträger steht aber klar im Mittelpunkt der Diskussion. Wie beurteilen Sie den Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes generell?

Fischedick: Positiv ist, dass es mit dem Kohleausstiegsgesetz und den damit verbundenen gesetzlichen Regelungen möglich ist, in den betroffenen Regionen proaktiv Strukturwandel zu betreiben. Vielleicht blicken wir bei klugem und effizientem Einsatz der Mittel später dann einmal auf „blühende Landschaften“ im Rheinischen Revier und in der Lausitz zurück. Andere Branchen wie etwa die Automobilindustrie haben es da schwerer, sie können sicher nicht auf staatliche Unterstützung in ähnlicher Größenordnung hoffen. Denn, seien wir ehrlich, der sukzessive Ausstieg aus der Kohleverstromung ist nicht das einzige Beispiel für mit der Umsetzung der Klimaschutzziele verbundene strukturelle, zum Teil möglicherweise auch disruptive Veränderungen, vielleicht ist das noch der einfachste Bereich. Die zentrale Herausforderung wird sein, diesen vielschichtigen Wandel intelligent und umsichtig zu gestalten.

Edenhofer: Die Briten haben innerhalb kürzester Zeit den Kohleausstieg geschafft, und das ohne Kompensationszahlungen. Deutschland hingegen braucht sehr viel länger und es sollen unter Aushebelung des Verursacherprinzips hohe Kompensationen gezahlt werden. Ich erkenne aber die Leistung des erzielten Ausstiegskonsenses an, ebenso die finanziellen Hilfen für den Strukturwandel, auf die die betroffenen Regionen natürlich angewiesen sind. Würde man hier statt den Kraftwerkseigentümern die Arbeitnehmer unterstützten, wäre ich vollauf zufrieden. Allerdings: Wenn in der EU der lineare Emissionsreduktionsfaktor angeschärft wird, dann wird der deutsche Ausstiegsplan sowieso zur Makulatur und muss nachgebessert werden.

Löschel: Im Monitoring haben wir darauf hingewiesen, dass eine massive Minderung der Kohleverstromung notwendig ist, der Kohleausstieg aber viel zu teuer implementiert wird. Es könnte sogar die Gefahr bestehen, in Deutschland zu langsam aus der Kohle auszusteigen. Das könnte sich nun tatsächlich ein Stück weit bewahrheiten. Deutschland darf sich – etwa durch falsche Anreize möglichst lange im Markt zu bleiben wegen der hohen Entschädigungszahlungen – nicht die Möglichkeit verbauen, noch schneller als im Kohlekompromiss vorgesehen aus der Kohle auszusteigen. Sonst wird die Umsetzung des Green Deal noch schwerer als jetzt schon. Auf jeden Fall hat man mit dem Kohleausstiegsgesetzentwurf ein schwieriges Konstrukt geschaffen, das wiederum viel zu wenig auf den Markt setzt.

„et“: Es geht in der deutschen Klima- und Energiepolitik neuerdings um eine doppelte Kraftanstrengung, nämlich Kernenergie- und Kohleausstieg. Was bedeutet das für den Netzausbau?

Moser: Bedingt durch den starken Ausbau der Windenergie bauen wir gerade das Stromnetz vornehmlich in Richtung stärkerer Nord-Südorientierung aus. Unsere Berechnungen für den Netzentwicklungsplan zeigen, dass der Kohleausstieg als solcher für das Übertragungsnetz nicht sehr dramatisch ist. Es bleiben auch weiterhin eher die neuen Kapazitäten an Windenergieanlagen, die stärkeren Umbaubedarf beim Netz erfordern. Was mir mehr Sorgen bereitet, ist die Versorgungssicherheit. Hier allein auf den Energy-only-Markt für ausreichend disponible Erzeugungskapazitäten zu setzen, wird nicht ausreichen. Auch unsere Nachbarn im Westen werden uns auf der Verbundebene in Zukunft immer weniger helfen können, wie Situationen in der jüngeren Vergangenheit belegen.

„et“: Beim Kohleausstiegsgesetzentwurf bestehen bei Braunkohle und Steinkohle unterschiedliche Regulierunssysteme. Wie ist diese Ungleichbehandlung zu bewerten?

Löwer: Ungleiches darf bekanntlich ungleich geregelt werden. Zwischen der Braunkohleverstromung und der Steinkohleverstromung bestehen durchaus signifikante Unterschiede. Die Braunkohleverstromung ist mit dem Braunkohleabbau verklammert. Die Beendigung der Braunkohleverstromung ist zugleich Beendigung des Tagebaus, für den aber die bergrechtlichen Pflichten wie Renaturierung usw. bestehen bleiben. Die Energiewirtschaft der Braunkohle ist zudem regional konzentriert mit strukturellen Folgen für diese Regionen. Die Steinkohleverstromung ist hoch dezentralisiert, nicht unerheblich in kommunaler Hand; die betroffenen Interessen sind örtlich eher punktuell, denn regional strukturell. Folgeprobleme nach der erzwungenen Betriebseinstellung gibt es übrigens auch bei der Steinkohleverstromung: z.B. Pensionszusagen an Mitarbeiter und Eigentümerpflichten bei einer stillgelegten großtechnischen Einrichtung. Gleichwohl sind differenzierende Lösungsansätze rechtfertigungsfähig.

Ob die konkret gewählten zwei Ansätze – hier ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit pauschaler Summe für die Abgeltung der Eigentumsinteressen und der Vorfinanzierung zukünftiger Lasten aus der Schließung der Tagebaue, dort Ausschreibungsverfahren von Steinkohleerzeugungskapazitäten – den jeweiligen Problemstrukturen gerecht werden, steht auf einem anderen Blatt. Es muss jedenfalls auf beiden Spielfeldern ein äquivalenter Eigentumsschutz gewährleistet sein. Insoweit ist die, sagen wir, Irritation des Verbandes kommunaler Unternehmen durchaus nachzuvollziehen. Die Messlatte findet man im Atomausstiegs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2016.

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