In der Diskussion um ein deutsches Klimaschutzgesetz wird häufig Großbritannien als Vorbild genommen (Bild: Fotolia | Alex)
Der Artikel zeigt, dass die Realisierungschancen eines umfassenden und einheitlichen Klimaschutzgesetzes in Deutschland zurzeit gering sind und warum Klimapolitiker wie auch Umweltverbände ein stärkeres Augenmerk auf die EU-Ebene legen sollten.
Im Rahmen des Klimaabkommens von Paris hat sich die Europäische Union auf ein ambitioniertes Emissionsminderungsziel verpflichtet. Die bisherige Bilanz der EU kann sich dabei durchaus sehen lassen. Maßgeblich verantwortlich sind dafür zwei große Mitgliedstaaten, die sich selbst auch als Vorreiter in Klimapolitik verstehen: Deutschland und Großbritannien. Obwohl sich die Bundesregierung in den internationalen Verhandlungen für ehrgeizige Ziele (1,5 bzw. 2 Grad Celsius) eingesetzt hat, ließ die klimapolitische Dynamik hierzulande in den vergangenen Jahren stark nach. Inzwischen droht nicht nur eine Verfehlung der freiwilligen nationalen Minderungsziele für 2020 und 2030, sondern auch des europarechtlich verbindlichen Ziels für die nicht in den Emissionshandel integrierten Sektoren [1]. Großbritannien hingegen hat in Europa inzwischen die klimapolitische Führungsrolle eingenommen. Dies wird vielfach auf das 2008 beschlossene Klimaschutzgesetz (Climate Change Act) zurückgeführt, das inzwischen bei Klimapolitikern und Umweltverbänden als eine Art „Gold-standard“ gilt.
Die Forderung nach Einführung eines Klima-schutzgesetzes fand früh Eingang in die deutsche Debatte. Rot-grün regierte Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben Klimaschutzgesetze seit 2013 sukzessive ein-geführt. Forderungen nach einem nationalen Klimaschutzgesetz wurden bereits im Bundestagswahlkampf 2013 laut und von der SPD – wenn auch nur halbherzig – in die anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der Union eingebracht. Vereinbart und schließlich auch verabschiedet wurden von der Großen Koalition jedoch lediglich das „Aktionsprogramm Klima-schutz 2020“ und der „Klimaschutzplan 2050“. Aufgrund der sich schon seit Jahren abzeichnenden Verfehlung des deutschen 40 %-Klimaschutzziels für 2020 [2] blieb die Forderung nach einem nationalen Klimaschutzgesetz stets Teil der klimapolitischen Debatte und fand schließlich 2018 als „Gesetz zur Einhaltung der Klimaziele 2030“, das 2019 verabschiedet werden soll, doch noch Eingang in den schwarz-roten Koalitionsvertrag [3]. Da Inhalt und Form bislang nicht im Detail fixiert sind und das Projekt „Klimaschutzgesetz“ innerhalb der Regierungskoalition nicht einheitlich interpretiert wird, sollen im Folgenden die Voraussetzungen für einen derartigen Reformschritt – im Rückgriff auf das britische Vorbild – genauer analysiert werden.
Der britische „Climate Change Act“ als Vorbild
Kernbestandteil des 2008 beschlossenen Climate Change Act (CCA) ist ein langfristiges Emissi onsminderungsziel von 80 % bis 2050 (Basisjahr 1990). Zur Erreichung dieses Ziels schreibt das Gesetz die Festlegung von jeweils fünfjährigen Emissionsbudgets vor. Im Zusammenhang mit dem CCA wurde zudem auch das Committee on Climate Change (CCC) gegründet. In strikter Orientierung an der Erreichung des Minderungsziels für 2050 erarbeiten hier unabhän-gige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Maßgabe der Kosteneffizienz jeweils Fünfjahresbudgets für Treibhausgasemissionen. Mit dem CCA wurde verankert, dass diese Emis-sionsbudgets jeweils 12 Jahre vor Inkrafttreten rechtlich bindend festgelegt werden müssen. Die Regierung hat nach der Veröffentlichung eines Budgets durch den CCC die Möglichkeit, Stellung zu den Vorschlägen zu beziehen und ist schließlich verpflichtet, konkrete politische Maßnahmen daraus abzuleiten. Rechtlich sieht der CCA die Möglichkeit vor, dass die Regierung beim Festlegen der neuen Carbon Budgets begründet vom Rat des CCC abweicht. Dass sich britische Regierungen bislang stets an den Rat des CCC gehalten und dessen Vorschläge für neue Budgets angenommen haben, verdeutlicht die zentrale Rolle dieser neu geschaffenen Institution. Zusätzlich zu den Budgets veröffentlicht der CCC als Monitoring der britischen Klima-politik jährliche Fortschrittsberichte. Auch die Regierung ist zu weiterer Berichterstattung über die Fortschritte in der Klimapolitik gegenüber Parlament und Öffentlichkeit verpflichtet und muss darüber hinaus Risiken und Chancen des Klimawandels bewerten [4].
Ein vergleichender Blick auf die Emissionsreduktionen von Großbritannien und Deutschland veranschaulicht die Wirksamkeit der britischen Gesetzgebung. Während in Deutschland im Zeitraum von 1990 bis 2015 27,34 % der Emissionen eingespart wurden, beläuft sich die Reduktionsrate in Großbritannien auf 39,39 % [5]. Noch deutlicher wird der Unterschied mit Blick auf den Zeitraum von 2005 bis 2016: Hier erreichte die deutsche Klimapolitik eine Reduktion von 8,43 %, in Großbritannien hingegen wurden die Emissionen um 30,32 % reduziert. Dies ist ein weiterer Indikator dafür, dass der langfristig orientierte, gesamtwirtschaftlich ausgerichtete und wissenschaftlich fundierte Ansatz in Großbritannien Erfolg hat.