Erfolgsbedingungen für das britische Klimaschutzgesetz

Bei der Entstehung der Gesetzgebung in Großbritannien stechen drei eng miteinander verbundene Erfolgsbedingungen heraus: erfolgreiches politisches Unternehmertum, ein mehrdimensionales politisches Gelegenheitsfenster und ein breiter gesellschaftlicher Konsens:

 

  • Das erfolgreiche politische Unternehmertum äußerte sich vor allem in der „The Big Ask Campaign“ [6]. Von „Friends of the Earth“ koordiniert, führte die Kampagne mit über 100 öffentlichen Veranstaltungen und Großdemonstrationen dazu, dass die damalige Labour-Regierung unter Druck geriet und sich schließlich auch die Tories für eine progressivere Klimapolitik aussprachen. In der Phase der Implementierung des CCA trug zum Erfolg des Gesetzes nicht zuletzt bei, dass zentrale Akteure aus der organisierten Zivilgesellschaft in die Administration wechselten und die Umsetzung des CCA mit großer Glaubwürdigkeit vorantreiben konnten.
  • Gleichzeitig bot sich von 2005 bis 2008 in mehreren Dimensionen ein günstiges politisches Gelegenheitsfenster. Die konservative Partei befand sich im Umbruch und der aussichtsreichste Kandidat für den Vorsitz war der vergleichsweise junge David Cameron, der in dem Themengebiet Um-welt- und Klimaschutz eine Möglichkeit sah, die Tories zu modernisieren und für neue Wählergruppen anschlussfähig zu machen. Nachdem er Ende 2005 mit diesem Kurs mehrheitlich zum Chef der Partei gewählt wurde, bestand in der Klimapolitik ein „kompetitiver Konsens“ [7] zwischen den Tories und Labour. Tony Blair, der damalige Labour-Premierminister, hatte zuvor schon als Gastgeber des G8-Gipfels in Gleneagles das außenpolitische Potenzial des Themas entdeckt und Großbritannien im Anschluss auf internationaler Ebene als klimapolitischen Vorreiter positioniert. Durch die neue Initiative Camerons und den zivilgesellschaftlichen Druck sah er sich auch innenpolitisch gezwungen, für eine ambitioniertere britische Klimapolitik einzutreten.
  • Die dritte Erfolgsbedingung war ein breiter gesellschaftlicher Konsens, der sich in den Jahren vor der Verabschiedung des Gesetzes herauskristallisierte. Insbesondere der von der Blair-Regierung in Auftrag gegebene „Stern-Report“, der 2006 öffentlichkeitswirksam die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels den Kosten von dessen Begrenzung gegenüberstellte, trug maßgeblich dazu bei, dass neben den Um-weltverbänden und der wachsenden „Big Ask“-Kampagne schließlich auch Industrieverbände und Gewerkschaften die Initiative zum Climate Change Act unterstützten. Anschließend waren in der britischen Gesellschaft kaum noch machtvolle Gegenspieler vorhanden. Dies lässt sich an dem sehr deutlichen Votum im Parlament ablesen. Im Unterhaus stimmten nur drei Abgeordnete gegen das Gesetz.

In einer engen Verflechtung von breitem gesellschaftlichem Konsens, einem günstigen (partei-)politischen Gelegenheitsfenster sowie innovativem politischen Unternehmertum konnte mit dem CCA ein langfristiges und gesamtwirtschaftlich ausgerichtetes Ziel rechtlich verankert werden. Anders als in Deutschland häufig wahrgenommen wäre es nach britischem Recht durchaus möglich, dass eine Regierung von einem Budget-Vorschlag des Climate Change Committee begründet abweicht. Dass dies trotz wechselnder Regierungskonstellationen seit 2008 (Alleinregierung Labour, Koalition von Tories und Liberal Democrats, Allein- und schließlich Minderheitsregierung Tories) bislang jedoch nicht geschehen ist, hat stark zu der Einschätzung beigetragen, dass es sich beim britischen Klimaschutzgesetz um ein Instrument handelt, das die Einhaltung einmal gesetzter Klimaziele rechtlich „garantiert“. Die Verabschiedung innovativer Instrumente wie den CO2-Mindestpreis, der die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen nationalem Klimaziel und der übergeordneten EU-Regulierung gewährleistet, hat diese positive Einschätzung noch verstärkt [8].

 

Weit wichtiger als die Tatsache einer gesetzlichen Verankerung der britischen Langfristklimaziele dürfte jedoch der breite gesellschaftliche Konsens für eine ehrgeizige Klimapolitik sein sowie die herausragende Stellung, die der Klimaforschung eingeräumt wird. Seit 2008 hat sich das unabhängige Climate Change Committee zu einer der zentralen Institutionen in der britischen Klimapolitik entwickelt. Das CCC veröffentlicht nicht nur Vorschläge für neue Emissionsbudgets sowie – nicht selten kritisch ausfallende – regelmäßige Fortschrittsberichte zur nationalen Klimapolitik. Das CCC wird von der Regierung auch immer wieder mit der Erstellung spezieller Expertisen beauftragt, so etwa zu den Auswirkungen des Paris-Abkommens auf die britische Klimapolitik, inklusive der Option möglicher Zielverschärfungen.

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