Realisierungschancen eines deutschen Klimaschutzgesetzes

Die britische Klimaschutzgesetzgebung wird unter Umweltpolitikern hierzulande auffallend positiv bewertet. Deutsche Nichtregierungs-organisationen fordern die Einführung eines Klimaschutzgesetzes nach britischem Vorbild bereits seit Inkrafttreten des CCA. Nach und nach wurde die Forderung auch von politischen Parteien aufgegriffen, insbesondere von Bündnis90/Die Grünen, SPD und Linkspartei. Die seit 2013 auf Länderebene zumeist von rot-grünen Regierungen verabschiedeten Klimaschutzgesetze sind allerdings primär als Instrumente der politischen Kommunikation zu bewerten, da sich mit ihnen aufgrund der beschränkten Kompetenzen der Bundesländer nur geringe Steuerungseffekte jenseits des eigenen Verwaltungsapparats erzielen lassen [9]. Zieht man die im britischen Fall identifizierten Erfolgsfaktoren heran, so erscheint die Einführung eines umfassenden und einheitlichen Klimaschutzgesetzes auf Bundesebene schon 2019 unwahrscheinlich.

 

Ein Blick auf die bisherige Debatte in und zwischen den Koalitionsparteien zeigt, dass schon der Begriff „Klimaschutzgesetz“ umstritten ist. Er findet sich in dieser Tat in dieser Form nicht im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Dort wird zwar eine gesetzliche Regelung zur Gewährleistung der Erreichung der Klimaziele 2030 angekündigt. Die in der umweltpolitischen Debatte regelmäßig verwendete Kurzform „Klimaschutzgesetz“ wird von Unionsvertretern aber regelmäßig in Frage gestellt und stattdessen auf die Option eines reinen „Artikelgesetzes“ verwiesen, also Reformen im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung statt der Schaffung eines neuen, übergreifenden Rechtsakts.

 

Die Debatte um den besten Weg einer rechtlichen Verankerung klimapolitischer Reformen hat noch kaum begonnen, dürfte aber im Anschluss an die Arbeit der sog. „Kohlekommission“ im kommenden Jahr an Fahrt gewinnen. Bislang ist allerdings kein politisches Unternehmertum von Seiten der Zivilgesellschaft zu identifizieren, das die Reichweite der „Big Ask“-Kampagne in Großbritannien erreichen könnte. Auch ein neues politisches Gelegenheitsfenster ist nicht in Sicht. Die innenpolitische Konstellation lässt bis zur nächsten Bundestagswahl (turnusgemäß im Herbst 2021) keine weitreichende Reform erwarten. Bis auf die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 fallen Deutschland vorerst auch keine prestigeträchtigen internationalen Führungsrollen zu. Zwar nutzt die Bundesregierung Präsidentschaften der G7/G20 sowie des EU-Rats traditionell für Vorstöße in der Klimapolitik, jedoch nicht für eine Verschärfung nationaler Ziele oder einer Veränderung des nationalen Regulierungsrahmens. So dürfte bis 2020 die Frage im Mittelpunkt stehen, ob und inwieweit die EU insgesamt ihre Ambitionen im Rahmen des Pariser Abkommens erhöht, sowohl mittelfristig als auch im Rahmen der geplanten EU-Langfriststrategie. Selbst wenn sich die EU dazu durchringen sollte, macht dies ein deutsches Klimaschutzgesetz nach britischem Vorbild jedoch nicht wahrscheinlicher. Zwar ist der gesellschaftliche Konsens hinsichtlich der Notwendigkeit einer ehrgeizigen Klimapolitik in Deutschland ähnlich hoch ausgeprägt wie in Großbritannien, aber auf dem deutschen Wählermarkt würde der Einsatz der Bundesregierung für striktere Ziele auf EU-Ebene paradoxerweise mindestens ebenso hoch geschätzt werden wie eine stringentere Klimapolitik zuhause [10].

 

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Realisierungschancen für ein deutsches Klima-schutzgesetz nach britischem Vorbild derzeit nicht sehr hoch einzuschätzen sind. Es muss jedoch die Frage gestellt werden, ob die Erwartungen an einen solchen Rechtsakt nicht ohnehin zu hoch ausfallen, jedenfalls, wenn sich damit die Hoffnung verbindet, die Einhaltung mittel- bis langfristiger Klimaziele zu „garantieren“, also gegenüber allen anderen politischen Zielen zu priorisieren. Zwar zeigt das britische Beispiel, dass ein solches Gesetz die nationale Klimapolitik stringenter ausrichten und die Erwartungssicherheit für alle Akteure deutlich erhöhen kann. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob das Erreichen von nationalen Klimazielen auf diesem Wege juristisch „einklagbar“ gemacht werden könnte, oder ob ein nationales Klimaschutzgesetz nicht lediglich die besseren Rahmenbedingungen für die bewährte klimapolitische Kommunikationspraxis des „naming, blaming and shaming“ bietet [11]. 

 

Stärkeres Augenmerk auf die EU-Ebene legen

 

Wenn die politische Priorität allerdings bei einer effektiveren Sanktionierung drohender Zielverfehlungen liegen soll, sollten Klimapolitiker und Umweltverbände ein stärkeres Augenmerk auf die EU-Ebene legen, denn die dort beschlossenen Ziele sind für Deutschland rechtsverbindlich [12]. Die finanziellen Mittel, die künftige Bundesregierungen bei drohenden Zielverfehlungen in den Sektoren jenseits des Emissionshandels aufbringen müssen, dürften eine mindestens ebenso hohe Disziplinierungswirkung haben wie das fortwährende Eingeständnis, dass selbst gesetzte Klimaziele nicht erreicht werden können.

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