Potenzieller Windenergieausbau mit der gegenwärtigen Gesetzeslage

Onshore-Windenergieanlagen: Abb. 3 Links: Windenergiepotenzial bei aktueller Gesetzeslage in den verschiedenen Bundesländern; rechts: Windenergiepotenzial bei Anwendung einheitlicher Abstände von u.a. 1.000 m zu Innenbereichen und dreimal der Turbinenhöhe in Außenbereichen

Abb. 3 Links: Windenergiepotenzial bei aktueller Gesetzeslage in den verschiedenen Bundesländern; rechts: Windenergiepotenzial bei Anwendung einheitlicher Abstände von u.a. 1.000 m zu Innenbereichen und dreimal der Turbinenhöhe in Außenbereichen (Bildquelle: Forschungszentrum Jülich GmbH)

Onshore-Windenergieanlagen: Abb. 4 Potenziale mit bundesweiter Regelung im Vergleich zur derzeitig installierten Leistung und zu den flächengewichteten Ausbauzielen für das Jahr 2035 im Osterpaket

Abb. 4 Potenziale mit bundesweiter Regelung im Vergleich zur derzeitig installierten Leistung und zu den flächengewichteten Ausbauzielen für das Jahr 2035 im Osterpaket (Bildquelle: Forschungszentrum Jülich GmbH)

Abb. 3 (linke Grafik) zeigt die flächenspezifischen Ausbaupotenziale bei Berücksichtigung der Gesetzeslage (Stand: Februar 2022) in den Bundesländern. Es wurde vereinfacht angenommen, dass etwaige Abstandsregelungen zur Wohnbebauung in den jeweiligen bundeslandspezifischen Gesetzen für alle Wohngebäude im Außenbereich gelten. Innenbereiche sind hierbei im Zusammenhang bebaute Ortsteile gemäß §34 Baugesetzbuch, während Außenbereiche weder Teil des Innenbereiches sind, noch einen Bebauungsplan aufweisen. Man erkennt, dass insbesondere Bayern und Nordrhein-Westfalen durch die hohen Abstände von 10-mal der Gesamtanlagenhöhe und 1000 m zu Wohnbebauungen in den Landesgesetzen mit 0,4 % bzw. 0,3 % der Landesfläche deutlich geringere Potenzialflächen als andere Bundesländer ausweisen können und damit deutlich unter der Zielmarke von 2 % liegen.

Erreichbares Potenzial mit einheitlichen Abstandsregelungen in allen Bundesländern

Als alternatives Szenario (Abb. 3, rechts) wurde untersucht, wie sich eine Änderung der Gesetzeslage zu einer bundeseinheitlichen Regelung mit 1.000 m Abstand zu Innenbereichen auswirken würde. Um den Anforderungen des Immissionsschutzes und der optischen bedrängenden Wirkung für Wohnbebauung in Außenbereichen gerecht zu werden, wurde als Mindestabstand in Außenbereichen die dreifache Höhe der Windturbine gewählt. Weiterhin wird angenommen, dass die Installation von Windturbinen in Wäldern und Landschaftsschutzgebieten möglich ist. Das hieraus resultierende Gesamtpotenzial ist in Abb. 4 differenziert nach Bundesländern dargestellt.

Insbesondere in Bayern zeigt sich eine deutliche Erhöhung des Potenzials von 4,8 GW (10H-Regelung) auf 67,8 GW bei 1.000 m und 3H. Bei einem Vergleich der beiden Regelungen (Abb. 3) lässt sich eine für Deutschland gleichmäßigere Verteilung der Ausbauflächen erkennen. Während unter der Randbedingung der jetzigen Gesetzeslage z.B. in Bayern und NRW nur 0,42 % bzw. 0,31 % (siehe Abb. 3 links vs. rechts) der Landesfläche als Potenzialfläche zur Verfügung stehen, erhöht sich im Fall von einheitlichen Abstandsregelungen in allen Bundesländern (exklusive Stadtstaaten) die Landesfläche auf mindestens 2,50 % der jeweiligen Bundeslandflächen, auf denen theoretisch Windanlagen errichtet werden könnten. Dieser Wert liegt damit für alle Bundesländer über dem geforderten Wert von 2 % und ermöglicht Spielraum für regionale Regelungen.

Sonderfall Baden-Württemberg

Baden-Württemberg stellt im Vergleich zu anderen Bundesländern eine Ausnahme dar, da der Abstand zur Wohnbebauung nicht im Landesgesetz verankert ist. So wurde der untere Abstandswert durch Erfahrungswerte im Hinblick auf das Immissionsschutzgesetz [10] und der Vermeidung optischer Bedrängung auf dreimal der Gesamtturbinenhöhe festgelegt. Das große Kapazitätspotenzial von 73,5 GW ist bemerkenswert hoch. Allerdings wurde es bislang mit einer installierten Gesamtkapazität von derzeit 1,7 GW nur zu einem geringen Teil ausgeschöpft. Dies ist insbesondere darin begründet, dass die Landesgesetze ein hohes Ausbaupotenzial prinzipiell ermöglichen, aber durch lokale Flächennutzungspläne und Widerstände in der Bevölkerung der Ausbau effektiv verhindert wird.

Der geringe Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg lässt sich auch nicht mit den vermeintlich schlechteren Standortbedingungen als im Norden Deutschlands begründen. So ergab eine Analyse von Windguard [11], dass zwischen Nord- und Süddeutschland im Durchschnitt eine Reduktion des spezifischen Energieertrags von ca. 20 % zu erwarten ist. Es ist somit festzustellen, dass eine gute Gesetzeslage auf Landesebene zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen schnellen Ausbau ist. Im Zuge der Ausbauproblematik in Baden-Württemberg sollte daher das bislang geltende Widerspruchsrecht im Zusammenhang mit Windenergieanlagen abgeschafft werden, um „die Ausbauziele für Windenergie an Land zu erreichen“ [12]. Darüber hinaus ist vom BMWK geplant, die kommunale Beteiligung an Windkraftprojekten auszuweiten, und somit den Bau von Windkraftanlagen lokal attraktiver zu gestalten [1].

Zusammenfassung der Ergebnisse

Ungleicher Ausbau

Die Potenzialanalyse unter Berücksichtigung der landesgesetzlichen Regelungen bezüglich des Windenergieausbaus decken deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern auf. Gerade Bayern und Nordrhein-Westfahlen haben mit der aktuellen Gesetzeslage wenig Potenzial, ihre installierte Leistung in den kommenden Jahren signifikant zu steigern. Andere Bundesländer wie z.B. Niedersachsen konnten sich durch stärkeren Windkraftausbau deutliche Standortvorteile verschaffen, nicht nur durch Einnahmen und Arbeitsplätze in der Windindustrie, sondern auch durch die Möglichkeit, energieintensive Industrie in unmittelbarer Nähe zur Erzeugung anzusiedeln.

Auswirkungen von lokalem Einspruch

Die Ausbauanalyse zeigt ebenfalls, wie wichtig die Detailausgestaltung der Gesetze ist: In Baden-Württemberg wurde der Ausbau durch lokale Einflussmöglichkeiten nahezu vollständig zum Erliegen gebracht. Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat durch die Absicht, das Widerspruchsverfahren auf lokaler Ebene modifizieren zu wollen, einen ersten Schritt zum Abbau regionaler Hürden geschaffen. Zusätzlich sieht das Osterpaket des BMWK vor, die finanzielle Beteiligung der Kommunen zu erweitern, was für eine größere Akzeptanz zukünftiger Windkraftprojekte sorgen könnte.

Gesamtpotenzial reicht aus

Das wichtigste Ergebnis der Analyse ist allerdings: Bei bundesweit einheitlichen Regelungen unter Einhaltung von 1.000  m zu Innenbereichen sowie der dreifachen Gesamtturbinenhöhe zu Wohnbebauung im Außenbereich, kann ein Gesamtpotenzial von 403,2 GW [14] in Deutschland erreicht werden, wenn auch Wälder und Naturschutzgebiete bebaut werden. Dieses Potenzial reicht laut Energiesystemstudien wie z.B. [13] aus, um auch über die Ziele des Osterpakets hinaus eine Treibhausgasneutralität zu erreichen. Die vorgeschlagene Abstandsregelung ermöglicht darüber hinaus zusätzlichen Spielraum, um regionale Gegebenheiten angemessen berücksichtigen zu können.

Literatur

[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor (EEG 2023). 2022.

[2] Ryberg D., Kotzur L. und Stolten D. [GitHub Repository]: Geospatial Land Availability for Energy Systems (GLAES). Zenodo, 2020. doi: 10.5281/ZENODO.1122558.

[3] Risch S., Maier R., Du J., Pflugradt N., Stenzel P., Kotzur L., Stolten D.: Impact of Data Quality on Renewable Energy Potential Estimations (Preprint). 2022.

[4] Geobasisdaten: © GeoBasis-DE / BKG (2021): Digitales Basis-Landschaftsmodell (Ebenen) (Basis-DLM). 2021.

[5] Geobasisdaten: © GeoBasis-DE / BKG (2021): Amtliche Hausumringe Deutschland (HU-DE). 2021.

[6] © Bundesamt für Naturschutz (2021): BfN-Datensatz. 2021.

[7] © WasserBLIcK/BfG und Zuständige Behörden der Länder: BfG-Datensatz. 2020.

[8] Fachagentur Windenergie an Land: Ausbausituation der Windenergie an Land im Jahr 2021. Berlin 2021.

[9] Bundesverband WindEnergie e.V: Die deutschen Bundesländer im Vergleich. 2021. https://www.wind-energie.de/themen/zahlen-und-fakten/bundeslaender/ (zugegriffen 3. Juni 2022).

[10] Die Bundesregierung: Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm). 1998.

[11] Deutsche WindGuard: Volllaststunden von Windenergieanlagen an Land – Entwicklungen, Einflüsse, Auswirkungen. 2020.

[12] Landtag Baden-Württemberg: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung. 2022. Verfügbar unter: http://docs.dpaq.de/18407-gesetzentwurf_planungsbeschleunigung_abschaffung_widerspruchsverfahren.docx

[13] Stolten D., Markewitz P., Schöb T., Kullmann F., Kotzur L. et al.: Strategien für eine treibhausgasneutrale Energieversorgung bis zum Jahr 2045. (Kurzfassung) Forschungszentrum Jülich GmbH. 2021.

[14] Bemerkung: Die regional aufgeschlüsselten Kapazitäts- und Flächenpotenziale sind unter https://doi.org/10.5281/zenodo.6414018abrufbar.

Stanley Risch., Dr. Noah Pflugradt, Dr. Peter Markewitz, Rachel Maier, Dr. Leander Kotzur und Prof. Dr. Detlef Stolten, Institut für Energie- und Klimaforschung: Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH, Jülich, s.risch@fz-juelich.de

3 / 3

Ähnliche Beiträge