Auktionsmengenkürzung

Emissionshandel: Tab.: Auktionsmengen im stationären Bereich

Tab.: Auktionsmengen im stationären Bereich

Emissionshandel: Abb. 2 Begrenzung des Umfangs der MSR durch den Löschungsmechanismus ab 2023

Abb. 2 Begrenzung des Umfangs der MSR durch den Löschungsmechanismus ab 2023 (Bildquelle: BMU)

Dieser Wert ist maßgeblich für die Auktionsmengenkürzung durch die MSR vom 01.09.2020 bis zum 31.08.2021. In diesem Zeitraum werden daher insgesamt rund 332,5 Mio. (24 %) von 1,39 Mrd. EUA nicht versteigert, sondern in die MSR verschoben [7].

Durch die Aktivierung der Marktstabilitätsreserve im Januar 2019 hat sich Zahl der zu versteigernden Zertifikate um etwa 36 % verringert (siehe Tab.). Die Verknappung sorgte für eine Reduzierung der freien Umlaufmenge um fast 40 %.

Der bis 2022 stark wachsende Bestand an Emissionsberechtigungen in der MSR wird ab 2023 durch den automatischen Löschungsprozess deutlich reduziert. Damit wird das Erreichen des Zielkorridors durch den ab 2023 wirkenden Löschungsmechanismus beschleunigt (siehe Abb. 2).

Kohleausstieg, Green Deal und Corona-Krise

Gem. Artikel 2 des Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (KVBG) in Deutschland werden im Fall des Verbots der Kohleverfeuerung in Deutschland Emissionsberechtigungen aus der national zu versteigernden Menge an Berechtigungen in dem Umfang gelöscht, welcher der Emissionsminderung durch die Stilllegung der Stromerzeugungskapazitäten entspricht. Diese Menge wird für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr ermittelt und durch Beschluss der Bundesregierung festgestellt.

Der Kohleausstieg soll die Treibhausgasemissionen der Energiewirtschaft in Deutschland gemäß Klimaschutzplan 2050 um 61 bis 62 % gegenüber 1990 auf 175 bis 183 Mio. t CO2 bis zum Jahr 2030 reduzieren. Diese Entwicklung führt zu einer reduzierten Nachfrage nach Emissionsberechtigungen. Dadurch könnte ein senkender Effekt auf den CO2-Preis eintreten oder wiederum zu einer höheren Nachfrage nach Zertifikaten in anderen Bereichen führen (sog. Wasserbetteffekt).

Der Netto-Minderungseffekt des Kohleausstiegs könnte allerdings je nach aktueller Wettbewerbssituation und weiterem Ausbau der EE-Stromerzeugung geringer ausfallen als die historischen Emissionen der stillgelegten Kraftwerke, da die wegfallende Kohle-Stromerzeugung zumindest teilweise durch eine höhere Auslastung anderer fossiler Kraftwerke im In- oder Ausland ersetzt werden muss. Im Falle der Stilllegung von deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerken liegt der Nettominderungseffekt in etwa im Verhältnis Zwei zu Eins. Die Stilllegung der Braunkohle-Kraftwerksblöcke erfolgt überwiegend später als die der Steinkohle-Blöcke, weshalb ein substanzieller Rückgang beim Bedarf an Emissionsberechtigungen in Folge des Kohleausstiegs in Deutschland erst in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre zu erwarten ist.

Die Marktstabilitätsreserve (MSR) schwächt den beschriebenen Wasserbetteffekt durch den Ausgleich der anteiligen und zeitversetzten Nachfragerückgänge im EU-ETS infolge des deutschen Kohleausstiegs ab. Zudem beabsichtigt Deutschland, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Nachfragerückgang nach Emissionsberechtigungen, der nicht durch die MSR ausgeglichen wird, durch zusätzliche Löschung von Emissionszertifikaten zu kompensieren.

Auswirkungen der neuen Klimaziele

Die beschlossene Anhebung des 2030-Reduktionsziels der EU von 40 auf mindestens 50-55 % CO2-Einsparung gegenüber 1990 könnte das Ambitionsniveau allerdings über den deutschen Kohleausstieg hinaus erhöhen. Von derzeit etwa 1,4 Mrd. müsste die Zertifikatsmenge im EU-ETS auf rund 1 Mrd. sinken. Ein derart umfangreicher Eingriff in das Emissionshandelssystem ist mit dem vorhandenen Instrumentarium der Marktstabilisierungsreserve nicht zu leisten. Möglicherweise wird es eine neuerliche Diskussion um eine weitere Anhebung oder eine Dynamisierung des linearen Emissionsreduktionsfaktors geben.

Folgen der Corona-Pandemie

Aktuell führen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs und der Stromnachfrage. Außerdem sank die CO2-Intensität der Stromerzeugung durch einen höheren Anteil erneuerbarer Energien im Vergleich zum Vorjahr um fast 20 %. Zusammen mit den konjunkturell bedingten Emissionsrückgängen der Industrie führt diese Entwicklung zu einer geringeren Nachfrage nach CO2-Zertifikaten und zu einer Erhöhung der freien Umlaufmenge.

Wenn dieser Zuwachs an Zertifikaten durch die MSR abgeschöpft und die dem Markt entzogenen Berechtigungen im weiteren Verlauf unwiderruflich gelöscht werden, wird die Pandemie-bedingte Emissionsminderung dauerhaft wirksam und trägt zur Erreichung des Klimaziels 2030 bei. Allerdings schwanken die Annahmen über die Größe dieses Beitrags derzeit erheblich und sind wegen des unklaren weiteren Pandemie-Verlaufs schwer verlässlich abzuschätzen.

Ausblick

Im August 2018 ging die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHST) noch davon aus, dass die MSR den Überschuss an Berechtigungen ab 2019 deutlich reduzieren wird, so dass der Überschuss, die sog. Umlaufmenge, Anfang bis Mitte der 2020er Jahre im Zielbereich von unter 833 Mio. Berechtigungen liegen werde. Allerdings haben sich die energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen verändert und werden sich weiter ändern. Damit die MSR auch unter sich wandelnden Bedingungen wirkungsvoll funktionieren kann, soll sie zu Beginn der vierten Handelsperiode überprüft und im Bedarfsfall überarbeitet werden [8, 9].

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die aktuelle Reform des EU ETS nicht die letzte gewesen sein wird. Angesichts eines sinkenden Caps ist zu erwarten, dass die Schwellenwerte für das Greifen der Marktstabilitätsreserve sowie die Freigabe von Zertifikaten aus der MSR abgesenkt werden müssen [10]. Auch im Zuge der möglichen Zielverschärfung der EU-Ziele, müsste das EU ETS erneut reformiert werden [11]. Dabei dürfte eine dauerhafte Verzahnung des EU ETS mit nationalen Maßnahmen einer der Schwerpunkte werden.

Anmerkungen

[1] Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.03.2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX%3A32018L0410

[2] Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Die Lage des CO2-Marktes in der EU im Jahr 2012. COM(2012) 652 final, Brüssel, 14.11.2012. https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/reform/docs/com_2012_652_de.pdf 

[3] Veröffentlicht unter: https://ec.europa.eu/clima/policies/ets/reform_en#tab-0-1; für 2019 siehe: https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/reform/docs/c_2020_2835_en.pdf

[4] Vgl. Pittel, K.; Cordt, H.; Gschnaller, S.; Mier, M.; Azarova, V.: Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf den europäischen Emissionshandel. Ifo Schnelldienst; München Bd. 73, Ausgabe 6, (10.06.2020), S. 67-71.

[5] Vgl. Artikel 12 Absatz 4 RL (EU) 2018/410 vom 14. März 2018: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L0410&from=DE

[6] C/2019) 3288 final – Communication from the Commission.

[7] C/2020) 2835 final – Communication from the Comission.

[8] www.dehst.de

[9] Die erste Überprüfung findet im Jahr 2021 statt; siehe: Revision for phase 4 (2021-2030) unter https://ec.europa.eu/clima/policies/ets/revision_en

[10] Agora Energiewende: Vom Wasserbett zur Badewanne – Die Auswirkungen der EU-Emissionshandelsreform 2018 auf CO2-Preis, Kohleausstieg und den Ausbau der Erneuerbaren; Juli 2018.

[11] Für eine Minderung um 55 % zwischen 1990 und 2030 müssten die Emissionen durchschnittlich um 172 Mio. t. CO2-Äquivalente pro Jahr gemindert werden. Das entspräche in den kommenden Jahren mehr als einer Verfünffachung der bis 2020 erbrachten Minderungsleistung. Zudem könnte der Brexit eine zusätzliche Minderung von mehr als drei Jahresminderungen erfordern.

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