Spezifischer Energieverbrauch und Kohlenstoffintensität

Abbildung 5 zum Thema Energie- und Klimapolitik: CO2-Emissionen 2050, spezifischer Energieverbrauch und Kohlenstoffintensität

Abb. 5 CO2-Emissionen 2050, spezifischer Energieverbrauch und Kohlenstoffintensität

Aus den Vorgaben zur Bevölkerung, zur wirtschaftlichen Entwicklung und dem CO2-Ziel in 2050 folgen rechnerisch bestimmte Werte für den spezifischen Energieverbrauch und die Kohlenstoffintensität. Um das zu verstehen, ist ein erneuter Blick auf die „Goldene Gleichung“ hilfreich. Offensichtlich ist es so, dass man das CO2-Minderungsziel in 2050 auf unterschiedliche Weise erreichen kann, etwa dadurch, dass man einen eher kleinen Wert für den spezifischen Energieverbrauch ansteuert („hohe Energieeffizienz“) und dafür im Gegenzug eine schlechtere Kohlenstoffintensität akzeptiert („viele fossile Energieträger“). Man kann aber auch einen besseren Wert bei der Kohlenstoffintensität zu Grunde legen („viele erneuerbare Energieträger“) und als Ausgleich einen höheren spezifischen Energieverbrauch hinnehmen („geringere Energieeffizienz“).

Dieser gegenläufige Mechanismus lässt sich gut in Abb. 5 nachvollziehen. Die blaue Kurve ist der geometrische Ort (Isoquante) aller möglichen Kombinationen von spezifischem Energieverbrauch und Kohlenstoffintensität, die unter den gewählten Vorgaben für Wachstum und Bevölkerung eine Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen um 80 % möglich machen. Welche Wertekombination in 2050 wahrscheinlich ist, ist schwer zu sagen. Dazu wären weitere Analysen notwendig. Für unsere Beispielrechnung reicht eine Schätzung und so wollen wir eine Wertekombination annehmen, die auf in etwa gleich starke Anstrengungen bei der Verminderung des spezifischen Energieverbrauchs und bei einer Änderung der Kohlenstoffintensität hinauslaufen (in der Graphik: „Generalorientierung“). Konsequenterweise ergibt sich für 2050 ein Wert für die Kohlenstoffintensität von 0,7 t CO2/toe. Der damit korrespondierende Wert für die Energieeffizienz lautet 0,0518 toe/1.000 US$2010. In Tab. 2 findet sich noch einmal eine Übersicht über die Ergebnisse der Analyse.

Tab. 2: Kennziffern der globalen energiewirtschaftlichen Entwicklung 2017/2050

 201720502017/2050
Bevölkerung (Mrd.)7,5189,800plus 30 %
BIP pro Kopf (US$2010)10.61418.840plus 77 %
Spez. Energieverbrauch (toe/1.000 US$2010)0,1770,0518minus 71 %
Kohlenstoffintensität (t CO2/toe)2,3660,7minus 70 %
CO2-Emissionen (Mrd. t)33.4446,689minus 80 %
CO2-Emissionen pro Kopf (t)4,4490,683minus 85 %

Dimension der Anpassungsprozesse

Unsere Beispielrechnung für das Jahr 2050 zeigt: Um das Ziel einer Reduktion der globalen energiebedingten CO2-Emissionen um 80 % bei einem Anstieg der Weltbevölkerung um 30 % und einem als wünschenswert eingestuften Anstieg des realen BIP pro Kopf um fast 80 % zu erreichen, sind in den nächsten rd. 30 Jahren zwei Dinge gleichzeitig notwendig: eine Reduktion des spezifischen Energieverbrauchs um 71 % und die Reduktion der Kohlenstoff-intensität um 70 %.

Eine Methode, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob solche Anpassungsprozesse als leicht oder schwer einzustufen sind, ist ein Vergleich mit Entwicklungen in der Vergangenheit. Wie also waren die Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre? Es ergibt sich das folgende Bild:

  • Der von 2017 bis 2050 angestrebten Reduktion des spezifischen Energieverbrauchs um 71 % steht eine von 1990 bis 2017 realisierte Reduktion um nur 23 % gegenüber. Wer sich in der Energiegeschichte auskennt weiß, dass schon die Reduktion um lediglich 23 % in den letzten 30 Jahren kein Spaziergang war. Und so ist die Vorgabe einer weiteren Reduktion um 71 % eine gewaltige Herausforderung; zumal es zu bedenken gilt: Je weiter man bei der Reduktion des spezifischen Energieverbrauchs vorangekommen ist, umso schwerer wird es, weitere Erfolge zu erzielen.
     
  • Einer geplanten Reduktion der Kohlenstoffintensität von 2017 bis 2050 um 70 % steht eine von 1990 bis 2017 realisierte Reduktion um lediglich 3 % gegenüber. Offensichtlich ist es sehr schwierig, die Kohlenstoffintensität des globalen Energiesystems zu verändern. Ursache dafür ist nicht zuletzt die hohe Kapitalintensität und die lange Lebensdauer des zur Energieversorgung eingesetzten Anlagevermögens. Wer in Richtung sehr schneller Anpassungen arbeitet, muss konsequenterweise bereit sein, eine mehr oder weniger große Kapitalvernichtung hinzunehmen.

Die Zahlen sind eindrucksvoll. Sie zeigen das ganze Ausmaß der in den kommenden 30 Jahren anstehenden notwendigen energiewirtschaftlichen Anpassungsprozesse. Es ist offensichtlich, dass sie weit über einen Umbau der Energieversorgung hinausgehen und das gesamte globale Wirtschafts- und Gesellschaftssystem berühren. Wer sich die Mühe gemacht hat, die in diesem Beitrag vorgestellte Beispielrechnung nachzuvollziehen, weiß das. Und so ist es auch mehr als verständlich, dass manche Delegationsteilnehmer am Ende der Klimakonferenz in Paris 2015 ins Grübeln kamen, als man die dort gefassten Beschlüsse näher zu analysieren begann; oder wie es ein Beobachter beschreibt: „They realized with alarm that, if they went ahead according to the terms of their respective modernization plans, that there would be no planet compatible with their hopes for development“ [7]. Diese Aussage darf man beileibe nicht als Pessimismus verstehen; sie ist ein Ergebnis einfachster Arithmetik.

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