Die Energiewende stellt das Ruhrgebiet als Energiezentrum unter einen zusätzlichen Stresstest (Bild: Fotolia | hespasoft)
Die klimapolitische Begründung ist jedoch fragwürdig und die energie- und die regionalökonomischen Konsequenzen scheinen nicht hinreichend klar zu sein. Im Folgenden werden Fragen zum Auftrag der Kommission erörtert, die bisher in der Öffentlichkeit erstaunlich wenig diskutiert worden sind. Daran knüpft eine nüchterne Erörterung absehbarer energie- und regionalökonomischer Folgen einer politischen Beendigung der Kohleverstromung an.
Die Kohleverstromung als Hauptnutzung von Braunkohle wie von Steinkohle soll in Deutschland gemäß (klima-)politischer Direktive der Bundesregierung in Zukunft planmäßig verringert und schließlich komplett eingestellt werden. Um eine möglichst konsensuale Lösung zu finden, hat sie am 6.6.2018 die o. g. Kommission eingesetzt. Diese wird landläufig als „Kohlekommission“ bezeichnet, so auch in diesem Beitrag, da ihre konkreten Aufträge eben den besonderen Schwerpunkt haben, einen „Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums, und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen (aufzustellen)“ [1]. Ab 2019 will die Bundesregierung dann auf Basis dieses Plans entsprechende gesetzgeberische Entscheidungen einleiten.
Ambitionierte Zeithorizonte
Der Kohlekommission sind deshalb sehr ambitionierte Zeithorizonte für die Ergebnisfindung vorgegeben worden. Gemäß dem im Juni 2018 gefassten Einsetzungsbeschluss sollte sie schon „bis Ende Oktober ihre Empfehlungen für Maßnahmen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklung der Braunkohleregionen sowie zu ihrer finanziellen Absicherung schriftlich vor(legen).“ Ihre „Empfehlungen für Maßnahmen zum Beitrag der Energiewirtschaft, um die Lücke zur Erreichung des 40-Prozent- Reduktionsziels (der nationalen Treibhausgas-Emissionen) bis 2020 so weit wie möglich zu verringern, sollen noch rechtzeitig vor der 24. UN-Klimakonferenz“ (Anfang Dezember 2018) vorliegen.
Die Kohlekommission soll u. a. ein Aktionsprogramm erarbeiten für „Maßnahmen, die das 2030er-Ziel für den Energiesektor zuverlässig erreichen, einschließlich einer umfassenden Folgeabschätzung. Für den Beitrag der Kohle-verstromung soll die Kommission geeignete Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030 der Energiewirtschaft, die in das Maßnahmenprogramm 2030 zur Umsetzung des Klimaschutzplans einfließen sollen, vorschlagen.“ Weshalb dafür ein gesonderter Plan zur Beendigung der Kohleverstromung nötig sein soll, erschließt sich daraus aber nicht. Ein Plan zur Reduzierung oder gar Beendigung der Nutzung von Erdöl und/oder -gas wird nicht verlangt.
Zugleich stellt sich die Frage, warum nicht von Anfang an genauso die soziale und strukturpolitische Entwicklung der Steinkohleregionen von der Kommission beachtet werden sollte. Zwar wird es ab 2019 aufgrund der dann gerade (Ende 2018) vollzogenen Beendigung der inländischen Steinkohlenförderung dort keinen aktiven Steinkohlenbergbau mehr geben, wohl aber weiterhin die daraus resultierenden regional-wirtschaftlichen Folgeprobleme. Derentwegen hat die Landesregierung von NRW das Ende des Steinkohlenbergbaus speziell in Bezug auf das Ruhrgebiet in 2018 zum Anlass für eine neue „Ruhrkonferenz“ genommen [2]. Die Regionen des (dann ehemaligen) Steinkohlenbergbaus treffen zudem einen Großteil der regionalen Auswirkungen einer vorzeitigen Beendigung des Betriebs der Steinkohlekraftwerke, die sich infolge des engen sachhistorischen Zusammenhangs zwischen Gewinnung und Nutzung der Steinkohle dort in den Revieren massieren. (Allein im Ruhrgebiet stehen 10 Steinkohlekraftwerke, im Saarland 3, ein weiteres in Ibbenbüren.)
Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist es nicht, die Arbeit der Kohlekommission und ihre etwaigen, bei der Abfassung dieses Beitrags noch nicht bekannten konkreten Empfehlungen (die innerhalb der Kommission mit einer zwei Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen oder eben nicht konsensfähig sind) zu erörtern oder zu bewerten. Vielmehr werden grundsätzliche ordnungspolitische Fragen zum Auftrag der Kommission gestellt, die in der öffentlichen Debatte bisher erstaunlich wenig behandelt worden sind. Im Anschluss daran werden ganz nüchtern absehbare energie- und regionalökonomische Konsequenzen beleuchtet, die sich unabhängig von den Details eines Ausstiegspfades aus einer politischen Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland zwangsläufig ergeben werden [3].