Das Zusammenspiel von Klimaschutz- und Energieeffizienzgesetz sowie Vorgaben zur Verbesserung der Energieproduktivität sichert den Weg in eine klimaverträgliche Zukunft ab, begrenzt aber gleichzeitig das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland (Quelle: Adobe Stock)
Die Zusammenhänge zwischen Energie und Wachstum gehören zu den elementaren Grundlagen der Energieökonomie. Kenntnisse auf diesem Gebiet sind immer dann gefragt, wenn die Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch ein zu knappes Energieangebot bedroht wird. Wer sich in der Energiegeschichte auskennt, weiß, dass eine solche Fragestellung bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine handfeste politische Bedeutung hatte. Damals untersuchte William Stanley Jevons, ein Wissenschaftler am University College London, den Zusammenhang zwischen Wachstum und der Verfügbarkeit von Kohle [1]. Seine Schlussfolgerung: Nach Ausbeutung der Kohlevorkommen ist ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in England unausweichlich. Diese unheilvolle Prognose hat sich nicht bewahrheitet. Erdöl, Erdgas, Kernenergie und schließlich auch die erneuerbaren Energien machten weiteres Wachstum möglich.
Dieser Rückblick steht am Anfang, weil er auf eine Herausforderung hinweist, über die heute zu wenig geredet wird. Was ist gemeint? Mit der Vorgabe der Bundesregierung, auf lange Sicht nur noch erneuerbare Energien zu nutzen und gleichzeitig am Verzicht auf die Kernenergie festzuhalten, besteht durchaus Anlass, sich um ein ausreichendes Energieangebot zu sorgen. Sicher, erneuerbare Energien sind nahezu unbegrenzt verfügbar; gleichwohl gilt: Wenn es nicht gelingt, in dem benötigten Umfang erneuerbare Energien und die entsprechende Infrastruktur bereitzustellen, landet man in der Nähe der Analyse von Jevons aus dem Jahr 1865: Eine Begrenzung der wirtschaftlichen Aktivität ist unausweichlich. Um diesen Sachverhalt besser zu verstehen, ist es hilfreich, die makroökonomische Theorie zu Rate zu ziehen und einen Blick auf das „Große Ganze“ zu werfen.
Energiepolitik im Wandel
Zum besseren Verständnis der folgenden Überlegungen ist ein kurzer Hinweis auf die großen konzeptionellen Veränderungen in der Energiepolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten unabdingbar. In dem Energieprogramm 1973 hat die Bundesregierung den generellen Leit-faden für ihre Energiepolitik festgelegt [2]. Dort heißt es: „Grundziel der Energiepolitik ist die Verwirklichung einer Energieversorgung, bei der ein ausreichendes Energieangebot sichergestellt ist, die mittel- und langfristig sicher ist, die zu möglichst günstigen gesamtwirtschaftlichen Gesamtkosten auf lange Sicht erfolgt und die den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung trägt“. Dieses Ziel ist so grundlegend, dass es bis heute Bestand hat.
Was sich verändert hat, sind die politischen Ansatzpunkte und Wege, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Über viele Jahre orientierte sich die Politik an den folgenden Leitlinien:
- Die Energiemärkte sollten offen sein und möglichst wenig Begrenzungen des Marktzutritts und des Marktaustritts enthalten.
- Der Wirtschaft sollte die Möglichkeit gegeben werden, alle Energieträger anzubieten, von denen sie sich Absatz und Gewinn verspricht. Die Verbraucher wiederum sollten zur Deckung des Energiebedarfs den Energieträger wählen können, der für sie die größten Vorteile bietet.
- Zwischen den Energieträgern sollte Wettbewerb bestehen. Als Wettbewerbsparameter wurden dabei nicht nur der Preis, sondern auch die spezifischen Eigenschaften, wie etwa Transporteignung, Lagerfähigkeit und mögliche Umweltbelastungen, eingestuft.
- Und schließlich: Die Energiepreise sollten sich auf den Märkten bilden und so zu einem langfristig und gesamtwirtschaftlich möglichst effizienten Ergebnis führen.
Diese Rahmendaten haben dazu beigetragen, den schnell wachsenden Energiebedarf Deutschlands zu decken und haben auch der deutschen Wirtschaft geholfen, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Heute haben sie kaum noch Bedeutung. Die offensichtliche Notwendigkeit, auf die immer deutlicher werden Gefahren eines rasch voranschreitenden Klimawandels zu reagieren, veränderte die Lage. Die Dimension des Problems und vor allem der „Zeitfaktor“ führte zu einem neuen Politikverständnis. Kurzgefasst: Der Staat sollte eine sehr viel stärker lenkende und gestaltende Funktion einnehmen. Nach außen sichtbar wurde dieser Politikwechsel vor allem durch eine seit 2010 stetig wachsende Anzahl von quantitativen Vorgaben zur künftigen Entwicklung der Energiemärkte.
Über Vorteile und Grenzen von quantitativen Zielen in der Energiepolitik kann man lange diskutieren. Es ist hier nicht der Raum, darauf näher einzugehen [3]. Wenn aber quantitative Ziele in der Energiepolitik einen Vorteil haben, dann den, dass sie Ordnung in eine immer komplexere Welt bringen. So können Wirtschaft und Verbraucher nicht nur besser verstehen, welchen Weg die Bundesregierung einschlagen und beschreiten will. Sie können im wahrsten Sinne des Wortes „nachrechnen“, was sie auf dem Weg in die Zukunft erwartet. Ziel dieser Ausarbeitung ist es, diesen Sachverhalt exemplarisch für die Energieversorgung Deutschlands 2045 darzustellen.