
Aus heutiger Sicht ist das Ziel „Klimaneutralität 2045“ kaum noch zu erreichen. Es liegt deshalb nahe, sich vorsichtshalber schon jetzt auf die Neuausrichtung der Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik vorzubereiten (Quelle: Adobe Stock)
Der Umbau der Energieversorgung einer Volkswirtschaft ist eine schwierige und komplexe Aufgabe. Das gilt insbesondere in der aktuellen Situation, in der die Politik gezwungen ist, sich zur gleichen Zeit vielen anderen Herausforderungen zu stellen. Anfang des Jahres 2025 steht vor allem das Risiko einer langanhaltenden wirtschaftlichen Stagnation in Deutschland im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Geht man davon aus, dass die ersten Überlegungen zur Notwendigkeit eines grundlegenden Umbaus der Energieversorgung in Deutschland Anfang der 1990er Jahre angestellt wurden und hat man für die Energiewende das Zieljahr 2045 im Auge, kann man das abgelaufene Jahr 2024 mit dem Gedanken einer „60/40-Prozent-Halbzeitbilanz“ verbinden. Dieser weitreichende Blick hilft, besser zu verstehen, was bisher erreicht wurde und welche Aufgaben die Bundesregierung in den kommenden Jahren noch zu meistern hat. Ziel des folgenden Beitrages ist es, die für eine solche Analyse notwendigen Daten und Fakten zu der längerfristigen Entwicklung der Energieversorgung in Deutschland zusammenzustellen.
Treibhausgase und Klimawandel
Mit der Industrialisierung in Europa vor rund 250 Jahren haben die Menschen begonnen, die chemische Zusammensetzung und die Strahlungsbilanz der Atmosphäre grundlegend und nachhaltig zu verändern. Diese Veränderungen werden heute immer offensichtlicher. Sie bedrohen die Umwelt und die Grundlagen des menschlichen Lebens. Das ist eine gesicherte Erkenntnis. Auch wenn wir uns in diesem Beitrag mit den Entwicklungen in Deutschland befassen wollen, ist es bei dem Thema „Schutz der Erdatmosphäre“ immer ratsam, mit einem kurzen Blick auf das „große Ganze“ zu beginnen.
Der Schutz der Erdatmosphäre ist ein globales Problem. Kein Land der Erde wird sich den drohenden Klimaänderungen entziehen können. Und kein Land ist allein in der Lage, die zur Abwendung einer möglichen Katastrophe notwendige Minderung der Emission von klimaschädlichen Spurengase zu erbringen. Nur gemeinsame und international koordinierte Strategien eröffnen überhaupt die Chance, Klimaveränderungen innerhalb der Bandbreite menschlicher Erfahrungen zu halten. Diese Einsicht führte bei den Beratungen des sog. „Brundtland-Berichts“ der Vereinten Nationen 1984 bis 1987 zu ersten Überlegungen, ein UN-Gremium einzurichten, das sich gezielt mit den Fragen globaler Klimaveränderungen befassen sollte. So wurde im November 1988 das „Intergovernmental Panel on Climate Change” (IPCC) in Genf ins Leben gerufen. In weniger als zwei Jahren erarbeitet das IPCC einen umfangreichen Bericht, der als Grundlage für die Beratungen der Weltklimakonferenz vom 29. Oktober bis 7. November 1990 diente [1].
Es ist nicht nur für historisch Interessierte lohnenswert, den IPCC-Bericht aus dem Jahr 1990 noch einmal in die Hand zu nehmen. Dort findet sich nämlich eine bemerkenswerte Aussage: „Um die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zu stabilisieren, ist eine Reduktion der anthropogenen Emissionen von CO2 um mehr als 60 % erforderlich“. Das war der damalige Stand der Wissenschaft. Nun staunt man, wenn man diese Mahnung der realen Entwicklung gegenüberstellt. Die weltweiten CO2 Emissionen sind nicht gesunken. Im Gegenteil, der Trend rasch ansteigender Emissionen hat sich Jahr für Jahr fortgesetzt. Ergebnis: Von 1970 bis 2023 sind die energiebedingten CO2-Emissionen um nahezu 150 % gestiegen [2]. Beeindruckender als der Anstieg der Emissionen sind allerdings die Konsequenzen für die globale Lufttemperatur (siehe Abb. 1). Hier wird der gewaltige Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur sichtbar, vor allem seit Beginn der 1970er Jahre. Schließlich weisen aktuelle Daten darauf hin, dass 2024 das weltweit wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. 2024 wird auch als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die globale Durchschnittstemperatur zum ersten Mal um 1,5 Grad Celsius oberhalb des vorindustriellen Mittelwertes lag.
Dieser kurze Einstieg sollte als Anreiz verstanden werden, sich von Zeit zu Zeit immer wieder mit den globalen Herausforderungen eines drohenden Klimawandels zu beschäftigen. An dieser Stelle genügt das Hinweis, dass Klimaschutzpolitik ein „weites Feld“ ist und in jedem Falle breiter angelegt werden muss, als sich auf nationale Maßnahmen zur Reduktion von treibhausrelevanten Spurengasen zu konzentrieren.