E-Mobilität vor dem Durchbruch

Anläufe gab es viele in der Vergangenheit, um der E-Mobilität in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Nun könnte es tatsächlich gelingen – dafür sprechen aktuell vier zentrale Faktoren und Entwicklungen: vorteilhafte Regulierung, sinkende Gesamtbetriebskosten, breiteres Fahrzeugangebot und steigende Kundennachfrage.

Vorteilhafte Regulierung

Maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Angebots von E-Autos hat die Begrenzung der durchschnittlichen CO2-e-Emissionen der von den Herstellern verkauften Fahrzeugportfolios. Die EU-Regulierung geht hier mit einem Grenzwert für Pkw von 95 g/km ab 2020 am weitesten. Doch auch China hat seinen 2015er-Grenzwert von 161 g/km auf 117 g/km abgesenkt. Erwartungsgemäß werden die Grenzwerte in den 2020er Jahren weiter reduziert werden und sinken irgendwann auch unter die Schwelle von 70 bis 80 g/ km. Diese Entwicklung setzt Hersteller unter Zugzwang: Solange der Grenzwert über dieser Schwelle liegt, können Hersteller ihn noch mit einem Portfolio aus Verbrennungs- und Hybridmotoren erreichen. Werte unter 70 bis 80 g/km hingegen lassen sich nur noch erzielen, wenn batteriebetriebene Fahrzeuge den gleichen Stellenwert wie Plug-in-Hybride erhalten. Zusätzlich verstärkt wird der Druck durch die sinkende Nachfrage nach CO2-e-Emissionen ärmeren Dieselfahrzeugen infolge des „Dieselskandals“ und der Angst vor schärferer Regulierung von Dieselfahrzeugen etwa im innerstädtischen Bereich.

Sinkende Gesamtbetriebskosten 

Die Gesamtbetriebskosten von E-Autos, die sowohl die Kosten für die Anschaffung als auch die eigentlichen Betriebsausgaben umfassen, werden immer wettbewerbsfähiger. Während die Anschaffungskosten eines E-Autos durch die teure Batterie deutlich höher sind als von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, liegen die Betriebskosten pro Kilometer niedriger. Anschaffungskosten von rund 85 €/kWh für den Batteriesatz gelten gemeinhin als die Schwelle, ab der die Gesamtbetriebskosten eines Batteriefahrzeugs unter denen eines Verbrenners liegen. Diese Schwelle schien lange Zeit unerreichbar, doch ist sie mittlerweile in greifbare Nähe gerückt. Noch 2011 lag die Kostenprognose für 2025 bei 340 €/kWh. Seitdem wird sie regelmäßig nach unten angepasst. 2014 wurden 210 €/kWh vorhergesagt, mittlerweile wird ein Unterschreiten der 85 €/kWh ab Mitte der 2020er-Jahre erwartet. Die Entwicklung erinnert an die der Photovoltaik, bei der starkes Marktwachstum und Industrialisierung in den vergangenen 15 Jahren ebenfalls zu einem deutlichen Preisverfall geführt haben.

Breiteres Fahrzeugangebot

Lange Zeit war das Angebot von E-Autos beschränkt auf wenige Modelle, die sich zudem wegen ihrer geringen Reichweite nur für den Stadtverkehr eigneten. 2010 kam beispielsweise der Nissan Leaf auf gerade einmal 175 km Reichweite; heute können Modelle wie der Renault Zoe bereits fast 400 km am Stück fahren. Derzeit haben die 11 größten Hersteller rund 30 E-Modelle im Angebot, für die kommenden zwei Jahre werden weitere 40 erwartet. Bis 2024 sollen insgesamt mehr als 100 neue Fahrzeugtypen an den Start gehen. Die Palette kommt von allen großen Herstellern und umfasst sämtliche Fahrzeugklassen. Damit werden Elektrofahrzeuge für immer mehr Nutzergruppen attraktiv, was wiederum die Nachfrage stimuliert.

Steigende Kundennachfrage

Auch wenn die geringen Verkaufszahlen bislang eine andere Sprache sprechen: Bewusstsein und Einstellung der Autofahrer gegenüber E-Fahrzeugen haben sich erheblich verändert: 96 % aller Deutschen wissen inzwischen um das Angebot an E-Modellen, 44 % ziehen einen Kauf in Erwägung. Bislang offen ist indessen, ob der Absicht auch Taten folgen: Noch liegt der Anteil der E-Autos und der Plug-in-Hybride an den jährlichen Neuzulassungen in Deutschland bei mageren 1,6 %.

Kommen allerdings zur bereits vorhandenen grundsätzlichen Kaufbereitschaft jetzt noch breitere und kostengünstigere Fahrzeugangebote, könnte dies der endgültige Durchbruch der Elektromobilität in Deutschland sein. Zumal die lange Zeit als Engpass geltende Ladeinfrastruktur sich als sehr viel geringeres Problem entpuppt als anfänglich angenommen. Die meisten Kunden bevorzugen das Laden zu Hause, wo sich eine entsprechende Versorgungsstation verhältnismäßig einfach und kostengünstig einrichten lässt. Um das Laden auf der Langstrecke zu ermöglichen, gibt es neben dem Schnellladenetz des Anbieters Tesla mittlerweile zahlreiche weitere Ausbauvorhaben, darunter die gemeinsame Initiative von VW, Daimler, BMW und Ford.

Vieles deutet auf einen baldigen Durchbruch der Elektromobilität hin, doch wann genau er kommt, bleibt letztlich ungewiss. Zwar gehen die meisten Prognosen davon aus, dass der Anteil der E- und Plug-in-Hybrid-Autos an den jährlichen Neuzulassungen bis 2025 von heute 1,6 % auf über 20 % steigt, und manche Vorhersagen gehen noch deutlich darüber hinaus. Wie weit die reale Entwicklung ursprüngliche Prognosen übertreffen kann, zeigt das Beispiel Solar PV: Der Ausbau der Solar- und Photovoltaikanlagen ist heute tatsächlich 14 Mal höher, als noch im Jahr 2000 von der Internationalen Energieagentur vorhergesagt.

Was der Durchbruch für unser Energiesystem bedeutet

Die absehbare Zunahme an E-Autos auf unseren Straßen wirft zwangsläufig die Frage auf, wie gut unser bestehendes Energiesystem auf diese Entwicklung vorbereitet ist und welche Weichenstellungen jetzt erforderlich sind, damit das wachsende Segment E-Mobilität auch in Zukunft ausreichend unterstützt wird. Beide Aspekte werden nachfolgend entlang der drei Index-Dimensionen Umwelt- und Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit im Einzelnen analysiert. Zusammenfassen lassen sich die Effekte als „im Großen klein und im Kleinen groß“: Während Makrofaktoren wie Stromnachfrage oder Gesamtemissionen durch die E-Mobilität nicht fundamental und nur langsam beeinflusst werden, kann die wachsende Zahl an E-Fahrzeugen schnell zu großen Herausforderungen in einzelnen Verteilnetzzellen führen.

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