Rohstoffpolitik: Abb. 1 Rohstoffbedarf ausgewählter Energieerzeugungstechnologien in kg je MW

Abb. 1 Rohstoffbedarf ausgewählter Energieerzeugungstechnologien in kg je MW (Quelle: IEA 2021)

Seit kurzem kursiert ein Eckpunktepapier des Ministers, das radikale Veränderungen verspricht: Auch in der Rohstoffpolitik wird der Staat stärker, setzt aber zugleich neue Restriktionen bei sozialen und ökologischen Fragen der Rohstoffversorgung.

Seit Jahren folgt der rohstoffpolitische Dialog zwischen Wirtschaft und Politik einem konsensualen Argumentationsmuster: Der Bedarf an Rohstoffen wächst, kritische Rohstoffe werden adressiert, die Verantwortung für die Versorgung mit Rohstoffen ist Sache der Wirtschaft, der Staat kümmert sich um Rahmenbedingungen und die Risiken gelten als beherrschbar. Nachdem dieses Modell bei der Versorgung mit Energierohstoffen grandios gescheitert ist, weil die übergroße Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland über einen langen Zeitraum nicht oder nur von wenigen als Risiko eingestuft wurde, soll jetzt bei Metallen und mineralischen Rohstoffen besser vorgesorgt werden.

BMWK-Eckpunktepapier

Das wenige Wochen alte ministerielle Eckpunktepapier [1] spiegelt in wesentlichen Punkten, aber mit einigen signifikanten Einschränkungen, einen Fünf-Punkte-Plan, den BDI-Präsident Siegfried Russwurm vorgelegt hatte. Die vom BDI geforderte strategische Rohstoffpolitik richtet sich vor allem gegen die Rohstoffimportabhängigkeit Deutschlands von China. Der BDI-Chef hält drei Säulen für die zukünftige Rohstoffversorgungsstrategie für essentiell: Die Stärkung heimischer Rohstoffgewinnung, einen staatlich abgesicherten und geförderten Zugang zu Importrohstoffen und den Ausbau des Rohstoffrecyclings.

Mehr noch als die Übernahme wesentlicher BDI-Positionen in das ministerielle Eckpunktepapier überrascht, dass an die Stelle stark steigender Bedarfskurven bei ausgewählten Rohstoffen eine neue problemorientierte Betrachtung des Rohstoffbedarfs tritt. Auslöser dieses Perspektivwandels ist der 2021 erschienene Report „The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions“ [2] der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Die IEA legt dar, dass in einem kohlenstofffreien Energiesystem der spezifische Bedarf an (kritischen) Rohstoffen je Einheit Erzeugungsleistung exponentiell ansteigt.

Für ein Gaskraftwerk werden derzeit je MW Erzeugungsleistung etwa 1.200 kg kritische Rohstoffe benötigt, darunter 1.100 kg Kupfer, rund 49 kg Chrom und knapp 16 kg Nickel. Bei einem modernen, hocheffizienten Kohlekraftwerk steigt der Bedarf auf etwa 1.150 kg Kupfer, 721 kg Nickel, 201 kg Kobalt, 367 kg Chrom, 66 kg Molybdän – in Summe also je MW Erzeugungsleistung rund 2.500 kg kritische Rohstoffe. Für eine Windenergieanlage offshore werden hingegen je MW Leistung etwa 8.000 kg Kupfer, 240 kg Nickel, 790 kg Mangan, 525 kg Chrom, 109 kg Molybdän sowie 5.500 kg Zink, in Summe also mehr als 15 t kritische Rohstoffe, benötigt (siehe Abb. 1).

Vor dem Hintergrund, dass die aktuellen nationalen Ausbauziele für erneuerbare Energien allein bei der Windenergie onshore bis 2030 einen Brutto-Zubau von 66.000 MW vorsehen und bei PV-Anlagen der geplante Zubau 115.000 MW beträgt, wird deutlich, dass die Transformation des Energiesystems bis zum Zeitpunkt der Klimaneutralität im Jahre 2045 einen erheblichen Bedarf an kritischen und konventionellen Rohstoffen auslöst. Das Rohstoffproblem bei klimaneutralen Stromerzeugungstechnologien verschärft nicht nur bestehende Probleme bei der Standortsuche und den Genehmigungsfristen, das Rohstoffproblem erstreckt sich auch auf die Bereiche Energieverteilung einschließlich Umwandlung und Speicherung sowie auf den breiten Bereich der Anwendung und die elektronischen Konsum- und Investitionsgüter. Insofern besteht die nicht unbegründete Sorge, dass eine staatlich geförderte Rohstoffallokation für den Energiebereich stattfinden könnte. Im Gegenzug könnte in anderen Industriebranchen der Mangel an Rohstoffen hemmend auf Investitionen und Innovationen wirken.

Das neue BMWK-Eckpunktepapier zur Rohstoffversorgung ist vor allem ein Werkzeug zur Sicherstellung der Energiewende und zur Erreichung der nationalen Klimaziele. Allerdings drohen beträchtliche Rebound-Effekte: Schon heute hat der Rohstoffsektor einen Anteil von rund 10 % an den globalen Treibhausgasemissionen. Eine einseitige und starke Ausweitung der globalen Rohstoffgewinnung zur Umgestaltung der Energiesysteme wäre also zumindest in Teilen kontraproduktiv.

Kreislaufwirtschaft rückt vor auf Platz eins

Auf Platz eins der Maßnahmen einer neuen strategischen Rohstoffversorgung rückt im Eckpunktepapier des BMWK die Kreislaufwirtschaft vor. Doch es fehlt an wichtigen Grundlagen. Nur für wenige Rezyklate gibt es Qualitätsstandards, die Grenzen zwischen Recycling und Kreislaufwirtschaft sind unscharf, Rezyklate unterliegen zu oft dem Abfallrecht, es fehlt an Recyclingquoten und Mindestanteilen von Sekundärrohstoffen in Produkten. Bevor das Recycling eine Säule der nationalen Rohstoffpolitik wird, muss die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie robuste Praxis werden.

Während bei den Metallen Kreislaufstrategien bereits hohe Rückgewinnungsquoten erreichen und unkontrollierte Abflüsse in andere Märkte sowie qualitatives Downsizing unterbunden werden, eröffnen sich bei mineralischen Rohstoffen sogar neue Probleme: Die Abschaltung von Kohlekraftwerken vermindert die Versorgung der Baubranche mit Gips bis 2030 drastisch. Es ist ungeklärt, ob zusätzliche Naturgipsvorkommen im Inland erschlossen werden können, deren Produktion den Gips aus den Rauchgasentschwefelungsanlagen der Kraftwerke ersetzen kann, ob schnell genug Rezyklate bereitstehen oder ob der Import verstärkt werden muss.

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