Systemintegration primäre Aufgabe

Als Zwischenfazit wird somit angeregt, den Schwerpunkt der Förderung beim Ausbau der erneuerbaren Energien in den kommenden zehn Jahren von der Erzeugung auf die Systemintegration zu verlagern. Die zu fördernden Maßnahmen und Technologien reichen von Speichern bis zu steuerbaren Lasten inklusive großtechnischer Sektorkopplung im Bereich Power-to-Heat und Power-to Gas. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Technologien aufgrund von zahlreichen Pilotanlagen kleiner Leistung zwar vom Grundsatz her bekannt sind, die Skalierung auf eine Größenordnung, welche im deutschen Stromnetz benötigt wird, aber einen ähnlich langen Zeitraum erfordert, wie der Aufwuchs der regenerativen Erzeugung seit Einführung des EEG. In dieser Zeit bis zum Aufbau ausreichender Speicherkapazitäten bzw. steuerbarer Lasten kann eine immer häufigere Zwangsabschaltung regionaler und zeitlich befristeter regenerativer Übererzeugungen nur reduziert werden, wenn die Stromnetze so ausgebaut werden, dass eine Umverteilung dieser Überschüsse in Deutschland möglich wird. Die Windenergie weist eine besondere Häufung im nördlichen Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und vor allem in Ostdeutschland auf, während Photovoltaik mit einer hohen Dichte an Kleinstanlagen auf Dächern in Süddeutschland auftritt, aber auch viele PV-Großanlagen auf Frei- und Konversions-flächen in Ostdeutschland installiert wurden.

Während in Süddeutschland mit etwa 28 % der deutschen Gesamtbevölkerung und einer hohen industriellen Stromnachfrage die Aufnahme der überwiegend Photovoltaikdominierten Einspeisung nur bedingt zu Kapazitätsproblemen im Netz führt, ist die Einspeisung von rund 55 % der deutschen Windenergieleistung in die Netze im Nordwesten von Deutschland wesentlich schwieriger. Auch hier hilft natürlich eine hohe Stromnachfrage durch etwa 50 % der Gesamtbevölkerung und industrie- starke Regionen, wie dem Ruhr- oder Rhein-Main-Gebiet. Besonders schwierig ist die Lage in den Stromnetzen im Nordosten Deutschlands. Neben den PV-Großanlagen von 100 MW und mehr speisen dort auch etwa 45 % der deutschen Windenergieanlagen in die Netze ein. Dem steht ein ausgesprochen geringer Verbrauch gegenüber.

Während der EE-Anteil in Nordost-Deutschland (Regelzone von 50Hertz Transmission) bei etwas über 50 % des Strombedarfes in dieser Regelzone liegt, betragen die Werte in den Netzen der Regionalversorger (E.DIS, MIT-NETZ, WEMAG, Avacon) bereits heute 100 % und mehr. Eine viel zu hohe Erzeugungs-kapazität bei den Erneuerbaren im Vergleich zur Netzlast und massive Rückspeisungen ins vorlagerte Netz sind die Folge. Derartige Rück-speisungen treten inzwischen an sehr vielen Tagen im Monat auf und können auch über mehrere Tage erfolgen, was zukünftig sehr groß dimensionierte Speicher erfordert, sofern keine Nutzung dieser Überschüsse in anderen Energiesektoren eingeführt wird.

Sowohl der regionale Abtransport der regenerativen Überschüsse über die Mittel- und Hochspannungsebene der Verteilnetze zu den Verknüpfungspunkten mit den Übertragungsnetzen, als auch der Abtransport über die Übertragungsnetze in die Lastschwerpunkte im Süden und Westen Deutschlands erfordern einen massiven Ausbau der Stromnetze. Bereits 2004 wurde in der ersten dena-Studie zum Netzausbau ein Bedarf von 900 km zusätzlicher oder ertüchtigter 400-kV-Leitungen ermittelt. 2007 zeigte eine regionale Studie der BTU im Auftrag des Brandenburger Wirtschaftsministeriums einen Bedarf von 600 km an 400-kV-Leitungen und von 1.200 km an 110-kV-Leitungen nur für das Land Brandenburg. In der zweiten dena-Studie wurde 2010 für Gesamtdeutschland der Bedarf an 400-kV-Leitungen von ursprünglich 900 km auf 4.500 km hochgesetzt.

Auch die BTU-Studie für Brandenburg wurde 2011 durch den massiven und unerwarteten Ausbau von Photovoltaik nach oben korrigiert und zeigte einen Bedarf von 600 km an 400-kV-Leitungen und 2.100 km an 110-kV-Leitungen (jeweils Neubau oder Ertüchtigung). 2012 wurde dann noch eine dena-Verteilnetzstudie veröffentlicht, die einen Ausbaubedarf bei 110 kV von 10.000 bis 20.000 km für ganz Deutschland auswies. Weitere regionale Studien weisen ebenfalls auf einen massiven Netzausbau hin. Infolgedessen wurde die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit der Koordination dieses extrem umfangreichen und vor allem auch langwierigen Netzausbaus beauftragt. Seither werden planerisch unterschiedlichste Netzausbaupläne für unterschiedlichste zukünftige Erzeugungs- und Lastszenarien jährlich fortgeschrieben. Alle Netzausbaumaßnahmen sind bei der Behörde zu beantragen und von dieser zu genehmigen.

Durch komplexe Genehmigungsverfahren, Bürgerbeteiligungen und Klageverfahren läuft der Netzausbau in Deutschland nur sehr schleppend. Von den erforderlichen mehreren Tausend Kilometern wurden bislang nur wenige Hundert Kilometer fertiggestellt. Schon in der Vergangenheit dauerte die Errichtung neuer Leitungen oft fünf bis zehn Jahre, in Einzelfällen bis zu 20 Jahre. Heutige Schätzungen gehen davon aus, dass der Netzum- und -ausbau entsprechend den Erfordernissen der Energiewende noch mindestens zehn Jahre, vermutlich auch bis zu 20 Jahre, andauern wird.

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