Fehlende Leitungen sind teuer

Solange die Netze nicht ausreichend ausgebaut sind, sind Eingriffe der Netzbetreiber unvermeidbar. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich unter anderem im Energiewirtschafts-gesetz (EnWG). Die Anzahl der Eingriffe pro Jahr ist ein guter Indikator dafür, ob die Netze für einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren vorbereitet sind. Im EnWG sind für die unterschiedlichen Netzbetreiber eine Reihe von Eingriffsmaßnahmen vorgesehen, die aktiviert werden dürfen, wenn eine Gefahr für den sicheren Betrieb der Stromversorgung besteht:

  • § 13 Abs. 1 EnWG ermöglicht den Übertragungsnetzbetreibern, Maßnahmen zum Re-Dispatch zu erzwingen. Besteht die Gefahr, dass Kuppelleitungen von Nordost-Deutschland nach Süddeutschland wegen Überlastung ausfallen, ist es möglich, konventionelle Kraftwerke (die vertraglich einen Kunden im Süden beliefern) in der Regelzone von 50Hertz einzusenken und gleichzeitig eine freie Kraftwerkskapazität im Süden hochzufahren, um so den Leistungstransport über die Kuppelleitung zu reduzieren. 2017 umfasste der Re-Dispatch ein Volumen von ca. 20 TWh und verursachte Kosten in Höhe von 837 Mio. €.
  • Nach §13 Abs. 2 EnWG dürfen zusätzlich zum Re-Dispatch auch regenerative Erzeugungen abgeschaltet werden, wenn die Re-Dispatch Maßnahmen nicht ausreichen würden, um eine Gefährdung der Stromversorgung abzuwenden. Entgangene Erlöse aus nicht eingespeister EE-Energie werden in diesem Fall nicht vergütet.
  • Nach § 14 EnWG und entsprechenden Regelungen im EEG dürfen Verteilnetzbetreiber Übereinspeisungen aus regenerativen oder konventionellen Quellen abschalten, wenn diese sonst zu einer Überlastung der jeweiligen Leitungen führen würden. Die nicht eingespeiste Energie ist zu ermitteln und zu vergüten. 2017 wurden auf Grundlage dieser Bestimmung insgesamt etwa 5,5 TWh abgeregelt. Diese waren mit 610 Mio. € zu vergüten.

Im Jahre 2017 fielen somit insgesamt Kosten von ca. 1,4 Mrd. € an, die auf nicht ausreichende Übertragungsfähigkeit der Netze zurückzuführen sind. Daraus wird klar offensichtlich, dass die Netze noch weit davon entfernt sind, zusätzliche Einspeisungen aus Erneuerbaren aufzunehmen. Da auch Speicher und Anlagen zur Sektorkopplung entweder in zu geringem Umfang oder nur als Pilotanlagen vorhanden sind, kommt es inzwischen regelmäßig zu Situationen, in denen der gesamte Strommarkt in Deutschland überspeist wird und die Strompreise an der Strombörse ins Negative fallen.

Nachbarn machen dicht

In diesen Phasen kommt es zu einem massiven Stromexport, vor allem in Richtung der Pumpspeicherkraftwerke in der Schweiz und Österreich, allerdings ohne Erlöse aus diesem Handelsgeschäft. Selbstverständlich gibt es auch außerhalb dieser Zeiten mit negativen Strompreisen einen Energieaustausch mit dem angrenzenden Ausland. Es muss aber auch erwähnt werden, dass inzwischen sehr viele Nachbarstaaten von Deutschland an den Kuppelleitungen sogenannte Phasenschieber-Transformatoren installiert haben. Damit ist es möglich, den Leistungsfluss über die Grenze sehr stark zu limitieren. Diese Maßnahmen werden unter anderem dann aktiviert, wenn eine hohe regenerative Überspeisung im Norden Deutschlands nach Süden geleitet werden muss. Nach den Regeln der Physik würde dies über die inländischen, aber auch über die angrenzenden ausländischen Leitungen erfolgen. Würden diese regenerativen Transitflüsse zu kritischen Situationen in den ausländischen Netzen führen, können die Phasenschieber den grenzüberschreitenden Leistungsfluss stark einschränken, was natürlich zu einer noch schnelleren Überlastung der innerdeutschen Leitungen führt. Insofern sind europäische Lösungen durchaus sinnvoll und wünschenswert, aber eben erst, wenn die eigenen Hausaufgaben gemacht sind. 

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