Abbildung zum Thema Verschärfung des 2030 EU-Klimaziel in Tonnen

Abb: Bereits das bestehende Ziel erfordert eine Verdreifachung der jährlichen Treibhausgasminderungen bis 2030 (Quelle: BDI, EEA, EUROSTAT)

Schon das bestehende EU-Klimaziel 2030 mit einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber 1990 gilt als sehr ehrgeizig. Nachdem im Zeitraum von 1990 bis 2020 – also in 30 Jahren – die Emissionen um etwas mehr als 20 % gemindert werden konnten, die deutsche Wiedervereinigung und den Zusammenbruch der Wirtschaft in den Staaten Osteuropas nach dem Zusammenbruch des Ostblocks eingerechnet, müssen nun in nur zehn Jahren nochmals rund 20 Prozentpunkte zusätzlich erreicht werden. Schon das bestehende Klimaziel 2030 mit einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber 1990 gilt als sehr ehrgeizig. Nachdem im Zeitraum von 1990 bis 2020 – also in 30 Jahren – die Emissionen um etwas mehr als 20 % gemindert werden konnten, die deutsche Wiedervereinigung und den Zusammenbruch der Wirtschaft in den Staaten Osteuropas nach dem Zusammenbruch des Ostblocks eingerechnet, müssen nun in nur zehn Jahren nochmals rund 20 Prozentpunkte zusätzlich erreicht werden.

Erhebliche Anstrengungen, große Herausforderungen

Eine Verschärfung dieses ambitionierten Zieles ist dem Bundesverband der Deutschen Industrie zufolge nur möglich, wenn dafür ebenso sehr ambitionierte Anreize und Fördermaßnahmen geschaffen und die Herausforderungen im Hinblick auf die Umsetzbarkeit kritisch geprüft werden [1].

Um das Ziel der Treibhausgasemissionsminderung der Europäischen Union (bezogen auf die EU27) um 20 % bis zum Jahr 2020 zu erreichen, beträgt die durchschnittliche Minderungsleistung seit 1990 jährlich 33 Mio. t CO2-Äquivalente. Für die bisher vorgesehene Minderung im Zeitraum von 1990 bis 2030 um 40 % – d.h. um weitere 20 % – muss die Minderungsleistung in der EU 27 für die kommende Dekade auf jährlich 98 Mio. t CO2-Äquivalente erhöht werden. Dies ist in etwa eine Verdreifachung der bis 2020 erbrachten Minderungsleistung. Für eine Minderung um 55 % zwischen 1990 und 2030 müssten die Emissionen durchschnittlich um 172 Mio. t CO2-Äquivalente pro Jahr gemindert werden. Das entspräche in den kommenden Jahren mehr als einer Verfünffachung der bis 2020 erbrachten Minderungsleistung (siehe Abb.) [2], [3].

Diese Anstrengungen ergeben sich allerdings ohne Berücksichtigung des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs, das bisher mit überdurchschnittlichen Minderungsbeiträgen einen signifikanten Beitrag leistet. Allein der Brexit erfordert eine zusätzliche Minderung von mehr als drei Jahresminderungen [4]. Wie der fehlende Beitrag des Vereinigten Königreichs ersetzt werden soll, ist ungewiss.

Zwar handelt es sich bei den vorliegenden Zahlen um eine grobe Abschätzung, doch diese verdeutlicht, dass erhebliche Anstrengungen notwendig sein werden und es daher unbedingt erforderlich ist, die Frage zu beantworten, durch welche konkreten Maßnahmen die gegenwärtige jährliche Minderungsleistung überhaupt entsprechend drastisch erhöht werden könnte. Ebenso wichtig ist die Frage, welche Wirkungen diese auf Wirtschaft und Gesellschaft in der EU haben, bevor das Ziel verschärft wird.

Aktuell sorgt die durch die Corona-Pandemie ausgelöste ökonomische Krise zu großer Unsicherheit. Unter Unsicherheit tätigen Unternehmen keine langfristigen Investitionen. Es ist fraglich, ob die Transformation und gleichzeitig die Erholung der europäischen Wirtschaft mit den bestehenden Instrumenten erreicht werden können. Daher braucht es eine Prüfung und Bewertung der Instrumente auf ihre Eignung, den Herausforderungen zu begegnen.

So ist dringend eine Überarbeitung der beihilferechtlichen Instrumente erforderlich, die den Aufbau transformierter Wirtschaftsstrukturen und neuer Beschäftigungsmöglichkeiten erlauben. Das künftige Beihilferegelwerk muss den Mitgliedstaaten die Umsetzung einer ambitionierten Energie-, Umwelt- und Klimapolitik besser als bisher ermöglichen. Es sollte den Mitgliedstaaten zudem ausreichend Freiraum geben, um den mit der Dekarbonisierung verbundenen Strukturwandel in den Regionen erfolgreich und verträglich zu gestalten.

Zu den erforderlichen Instrumenten gehört auch ein maßgeblich ausgeweiteter Carbon Leakage-Schutz durch eine Stabilisierung der europäischen Industriestrompreise auf international wettbewerbsfähigem Niveau sowie die Verteuerung von Importen, die ohne CO2-Bepreisung erzeugt wurden. Würde eine Zielverschärfung auf EU-Ebene zu einem stärkeren Carbon-Leakage-Effekt führen, wäre ein Anstieg der globalen Emissionen ebenso unvermeidlich wie eine weitere Schwächung der europäischen Industrie.

Investitionsentscheidungen in neue Prozesse und Verfahren müssen heute getroffen werden, damit sie bis zum Jahr 2030 wirken können. In vielen Branchen, in denen heute langfristige Ersatz-Investitionen anstehen, werden diese Entscheidungen in vielen Fällen zu einem lock-in führen. Auf Grund der häufig langen Lebensdauern von Investitionen bestimmen diese darüber, ob das Ziel in 2050 erreicht werden kann. Dafür gilt es, den ökonomischen Rahmen nachhaltig verlässlich und berechenbar zu gestalten.

Aktuell ist nicht absehbar, ob bis 2030 CO2-freie Industrietechnologien, eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft, klimaneutrale Elektromobilität und ein erneuer­bares Stromangebot im notwendigen Umfang verfügbar sein werden. Während einer Übergangszeit wird es Brückentechnologien brauchen, bevor nach 2030 der verstärkte Umstieg von CO2-armen auf CO2-freie Technologien erfolgt. Notwendig ist ein technologieoffener Wettbewerb, bei dem auch die Speicherung und Nutzung von CO2 eine wesentliche Rolle spielt. Eine reine Emissionsvermeidung bzw. -minderung würde nach heutigem Stand nicht ausreichen, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Vielmehr wird es notwendig sein, der Atmosphäre aktiv CO2 zu entziehen. Diese Maßnahmen werden allerdings heute noch zu wenig diskutiert und sind für Deutschland derzeit (noch) faktisch ausgeschlossen.

Im Jahr 2050 werden aus heutiger Sicht wohl nicht alle Mitgliedstaaten und Branchen bereits klimaneutral sein können. Optionen zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ermöglichen eine stärkere Flexibilisierung der Klimaschutzpolitik. Dies wird aber auch neue Verteilungseffekte mit sich bringen. Politik und Gesellschaft sollten sich daher intensiver mit dieser komplexen Thematik befassen und verstärkt in Forschung und Entwicklung dieser Optionen investieren.

Reichen heutige Investitionskraft und Innovationsfähigkeit aus?

Eine weitere Frage, die sich stellt, ist, inwieweit die heutige Investitionskraft und Innovationsfähigkeit ausreichen, um ein ambitionierteres Ziel für 2030 erreichen zu können.

Im Mai 2020 ging die Kommission von einer Investitionslücke von zusätzlichen 470 Mrd. € pro Jahr aus [5] um die gegenwärtig festgelegten Energie- und Klimaziele der EU zu erreichen. Diese Lücke wird naturgemäß sehr viel größer, wenn das Reduktionsziel für das Jahr 2030 verschärft wird. Gleichzeitig geht die EU-Kommission selbst davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie Verbraucherausgaben, Industrieproduktion, Investitionen, Handel, Kapitalströme und Lieferketten stark in Mitleidenschaft zieht. Es wird nicht erwartet, dass die Wirtschaft der Europäischen Union die Verluste dieses Jahres bis Ende 2021 vollständig ausgleichen kann. Die Investitionen werden gedämpft bleiben, und auch der Arbeitsmarkt wird sich nicht vollständig erholen. In ihrer Frühjahrsprognose vom 06.05.2020 geht die EU-Kommission im Vergleich zur Prognose aus dem Herbst 2019 davon aus, dass sich der kumulierte Ausfall an Investitionen in der EU auf fast 850 Mrd. € belaufen wird [6].

Die rückläufige private Investitionstätigkeit wird auch mit staatlichen Unterstützungsprogrammen nicht vollständig kompensiert werden können, denn auch im öffentlichen Raum werden Mittel mit steigender Staatsverschuldung knapper.

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