Zusammenspiel von Einsteckverhalten und Ladevorgängen

Abb. 3 Kombinationen von Einsteckverhalten (Formen) und automatisierten Ladevorgängen (Farben) für vier Indikatoren für Flexibilität. Die Werte beziehen sich auf den Unterschied zum Basisfall (Laden immer nach der letzten Fahrt („Immer letzte Fahrt“) und „CCCV“). Linke Spalte entspricht 20 % und rechte Spalte 100 % Elektrifizierung der Autoflotte

Abb. 3 Kombinationen von Einsteckverhalten (Formen) und automatisierten Ladevorgängen (Farben) für vier Indikatoren für Flexibilität. Die Werte beziehen sich auf den Unterschied zum Basisfall (Laden immer nach der letzten Fahrt („Immer letzte Fahrt“) und „CCCV“). Linke Spalte entspricht 20 % und rechte Spalte 100 % Elektrifizierung der Autoflotte (Basierend auf Gschwendtner et al. [8])

Und wie wirken nun beide Komponenten des EV-Ladens zusammen? Während bei geringer Technologiediffusion sowohl das Einsteckverhalten als auch automatisierte Ladevorgänge erhebliche Auswirkungen auf die meisten Indikatoren haben (linke Spalte in Abb. 3), zeigen bei hoher Technologiediffusion (rechte Spalte in Abb. 3) automatisierte Ladevorgänge einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Flexibilitätsindikatoren als das Einsteckverhalten (Clusterbildung nach Farben in Abb. 3). 

Die Wirkung der beiden Komponenten Einsteckverhalten und automatisierter Ladevorgang hängt von deren jeweiliger Kombination ab. So hängt der Einfluss des Ladevorgangs „V2G“ relativ stark vom Einsteckverhalten ab, wenn das Ziel ist, die Lastspitze zu verringern oder die Ladekurve abzuflachen (obere Graphiken in Abb. 3). Dies könnte „V2G“ zu einer risikoreicheren Option machen – vorausgesetzt, das Einsteckverhalten lässt sich schwieriger kontrollieren.
 
In Bezug auf die Ladestandorte zeigen die Ergebnisse, dass über alle Einsteckverhalten hinweg, das Laden zu Hause die größte Rolle spielt – auch bei hoher Diffusion von Ladestationen. Bei entsprechender Automatisierung des Ladevorgangs können über alle Einsteckverhalten hinweg Lastspitzen während der Mittagszeit zu Hause auftreten. Daraus ergibt sich ein hohes Potential über die Mittagszeit, mit Solarstrom zu Hause zu laden. 

Implikationen für Industrie und Politik

Um die Flexibilitätspotentiale durch gesteuertes Laden bestmöglich nutzen zu können, ergeben sich aus unseren Simulationen folgende Implikationen für Entscheidungsträger in Industrie und Politik:

Relevante Akteure der Industrie, z.B. Netz- oder Ladestationsbetreiber, sollten die erforderlichen Flexibilitätsziele in den jeweiligen Netzgebieten kennen. Während in einem Netz beispielsweise die Integration von PV-Anlagen entscheidend sein kann, braucht es in einem anderen Netzgebiet eine Verringerung der Lastspitze. Je nach Anforderung des Netzgebiets sind unterschiedliche Einsteckverhalten und Ladevorgänge hilfreich, um das Flexibilitätsziel zu erreichen. 

Bei der Ausgestaltung von Anreizen, sollten Trade-offs zwischen den Flexibilitätszielen berücksichtigt werden. Während einige der Kombinationen von Einsteckverhalten und Ladevorgängen mehrere Flexibilitätsziele erreichen können, sind andere im Wesentlichen für ein Flexibilitätsziel vorteilhaft und gehen mit Trade-offs für andere Flexibilitätsziele einher. Ladevorgänge wie kontinuierliches Laden mit niedriger Ladeleistung („Flach“) oder Laden zwischen 11 und 14 Uhr („PV“) können viele verschiedene Flexibilitätsziele erreichen, d.h. sie weisen relativ geringe Trade-offs auf. Im Gegensatz dazu sind für Ladevorgänge wie Laden ab dem spätestmöglichen Zeitpunkt der Parkzeit („Batterie“) oder Entladen während der Abendspitze („V2G“) die Trade-offs recht groß. Um die identifizierten Flexibilitätspotentiale zu nutzen, sollten Anreize entwickelt werden, die die gewünschten Einsteckverhalten und automatisierten Ladevorgänge unterstützen.

Entscheidungsträger in Politik und Industrie sollten davon ausgehen, dass Anreize über die Zeit angepasst werden müssen, da sich die Wirkung von Kombinationen der Einsteckverhalten und Ladevorgänge mit den verschiedenen Phasen der Technologiediffusion und den damit einhergehenden Veränderungen im EV-Nutzenden-Verhalten verändern kann. Generell haben automatisierte Ladevorgänge einen höheren Einfluss auf das Flexibilitätspotential als Einsteckverhalten. Jedoch können Änderungen im Einsteckverhalten in bestimmten Kontexten einen erheblichen Effekt erzielen. Mit zunehmender technologischer Entwicklung und Diffusion, insbesondere dem Ausbau der Ladeinfrastruktur, können Änderungen im Einsteckverhalten erheblich zum Flexibilitätspotential beitragen. Ein regelmäßiges Monitoring der Technologiediffusion und ein Verständnis für die einhergehende Veränderung des EV-Nutzenden-Verhaltens sind Voraussetzung für eine Anpassung der Anreize mit der Zeit. Die Anreize für Einsteckverhalten, z.B. Preissignale, können, bei entsprechend diverser Verbreitung von Ladeinfrastruktur, nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich unterscheiden. Dies kann dazu beitragen, Ladelasten räumlich zu verteilen und damit zu diversifizieren, was wiederum zur Verringerung von Lastspitzen führen kann.
 
Entscheidungsträger sollten besonders in ländlichen Gebieten Anreize für Einsteckverhalten schaffen, die die Erreichung entsprechender Flexibilitätsziele unterstützen können. Insbesondere in ländlichen Gebieten hat das Einsteckverhalten höhere Auswirkungen auf die Flexibilität als in städtischen oder vorstädtischen Gebieten. Das Einsteckverhalten, wenn der SOC unter einen bestimmten Wert gefallen ist, z.B. 30 %, („SOC“), kann gerade in ländlichen Gebieten zu einer erheblichen Verringerung der Lastspitze führen. Neben finanziellen Anreizen könnten auch Informationskampagnen ein solches Einsteckverhalten unterstützen. Diese könnten z.B. das Vertrauen in die Technologie stärken, sodass die EV-Nutzenden bereit sind, mit niedrigeren SOCs zu fahren. In städtischen Gebieten sollten die Anreize eher auf die Ladevorgänge fokussieren. 

Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen gegeben sein. Z.B. müssen automatisierte Ladevorgänge ermöglicht sein (z. B. die jüngsten regulatorischen Entwicklungen in Deutschland [10]).

Quellen

[1] IEA: World Energy Outlook 2022. 
[2] Anwar, M. B. et al.: Assessing the value of electric vehicle managed charging: a review of methodologies and results. Energy Environ. Sci. 15, 466-498 (2022).
[3] Fischer, D.; Harbrecht, A.; Surmann, A. & McKenna, R.: Electric vehicles’ impacts on residential electric local profiles – A stochastic modelling approach considering socio-economic, behavioral and spatial factors. Appl. Energy 233-234, 644-658 (2019).
[4] Daina, N.; Sivakumar, A. & Polak, J.: Modelling electric vehicles use: a survey on the methods. Renew. Sustain. Energy Rev. 68, 447-460 (2017).
[5] Arias, A.; Granada, M. & Castro, C. A.: Optimal probabilistic charging of electric vehicles in distribution systems. IET Electr. Syst. Transp. 7, 246-251 (2017).
[6] Xiang, Y.; Liu, J. & Liu, Y.: Optimal active distribution system management considering aggregated plug-in electric vehicles. Electr. Power Syst. Res. 131, 105-115 (2016).
[7] Gschwendtner, C.; Knoeri, C. & Stephan, A.: The impact of plug-in behavior on the spatial–temporal flexibility of electric vehicle charging load. Sustain. Cities Soc. 88, 104263 (2023).
[8] Gschwendtner, C.; Knoeri, C. & Stephan, A.: Mind the Goal: Trade-offs between Flexibility Goals for Controlled Electric Vehicle Charging Strategies. iScience 26 (2), 105937 (2023).
[9] Hörl, S. & Balać, M.: Open data travel demand synthesis for agent-based transport simulation: A case study of Paris and Île-de-France. Arbeitsberichte Verkehrs- und Raumplanung (2020).
[10] Schaal, S.: Paragraf 14a: Bundestagsausschuss schiebt Spitzenglättung zu BNetzA. (2022). Available at: https://www.electrive.net/2022/07/06/paragraf-14a-bundestagsausschuss-schiebt-spitzenglaettung-zu-bnetza/ (Letzter Zugriff: 14. März 2023).
 

Dr. C. Gschwendtner, Postdoktorandin, Harvard University, Cambridge/USA, davor ETH Zürich; Dr. C. Knoeri, Oberassistent, ETH Zürich; Dr. A. Stephan, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, D
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