Unterschiedliche Flexibilitätsziele

Abb. 1 Überblick über analysierte Einsteckverhalten und automatisierte Ladevorgänge sowie die beiden Szenarien der Technologiediffusion

Abb. 1 Überblick über analysierte Einsteckverhalten und automatisierte Ladevorgänge sowie die beiden Szenarien der Technologiediffusion (Basierend auf Gschwendtner et al. [8])

Abb. 2 Überblick über die vier analysierten Indikatoren für Flexibilität und die durchschnittliche Erreichung durch die sechs betrachteten Ladevorgänge. Die Werte beziehen sich auf den Unterschied zum Basisfall (Laden immer nach der letzten Fahrt („Immer letzte Fahrt“) und „CCCV“). Szenario mit 100 % Elektrifizierung der Autoflotte

Abb. 2 Überblick über die vier analysierten Indikatoren für Flexibilität und die durchschnittliche Erreichung durch die sechs betrachteten Ladevorgänge. Die Werte beziehen sich auf den Unterschied zum Basisfall (Laden immer nach der letzten Fahrt („Immer letzte Fahrt“) und „CCCV“). Szenario mit 100 % Elektrifizierung der Autoflotte (Basierend auf Gschwendtner et al. [8])

Flexibilität im Stromsystem kann unterschiedliche Ziele verfolgen. Zu den technischen Zielen der Flexibilitätsbereitstellung gehören u.a. die Erhöhung der Photovoltaik (PV)-Nutzung und der Lastausgleich, d.h. die Verkleinerung von Lastspitzen und -tälern. Darüber hinaus können Vehicle-to-Grid (V2G)-Dienste zusätzliche Flexibilitätsdienste für das Stromsystem bereitstellen, indem die Batterien der Elektroautos auch entladen werden, z.B. für Frequenzregulierung. Die unterschiedlichen Flexibilitätsziele können sich überschneiden und gegenseitig beeinflussen, während sie möglicherweise auch ökonomische Ziele erreichen, wie z.B. eine Steigerung des Gewinns für Ladestationsbetreiber und/oder die Verringerung der Ladekosten für EV-Nutzende.

Wir messen verschiedene Flexibilitätsziele mit vier Indikatoren, die jeweils im Vergleich zum Basisfall (siehe Abb. 1) berechnet werden: 

  • Verschiebung der Gesamtlast: Allgemeine Flexibilität durch zu- und abnehmende Lasten;
  • Erhöhung der Mittagslast: Übereinstimmung von EV-Ladelast mit PV Stromproduktion während der Mittagszeit; 
  • Verringerung der Lastspitze: Höhe der täglichen Lastspitze;
  • Abflachung der Lastkurve: Glättung der Lastkurve über den gesamten Tagesverlauf. 

Ladeverhalten: Kombination von Einsteckverhalten und Ladevorgängen 

Wir unterscheiden zwischen zwei Komponenten des EV-Ladens: dem Einsteckverhalten und dem Ladevorgang. Während Ersteres vom Verhalten der EV-Nutzenden abhängt und sich auf die zeitliche und räumliche Verteilung der Last bezieht, ist Letzteres typischerweise automatisiert – sobald es vom Nutzenden akzeptiert wurde – und bezieht sich nur auf die zeitliche Verteilung der Last. Das Einsteckverhalten als Teil des EV-Ladens wird in Studien kaum beleuchtet, wodurch die Möglichkeit einer räumlichen Verschiebung der Ladelast vernachlässigt wird. Wir untersuchen die Kombinationen von fünf Einsteckverhalten und sechs Ladevorgängen, die in Abb. 1 erläutert sind. 

Die Berechnung des Flexibilitätspotentials ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Basisfall, für den wir annehmen, dass das Auto immer nach der letzten Fahrt des Tages zum Laden eingesteckt wird (Einsteckverhalten „Immer letzte Fahrt“) und das Auto dann sofort mit maximaler Leistung (bis zu einem Ladestand von 80%, danach exponentielle Reduktion der Ladeleistung) geladen wird (Ladevorgang „CCCV“).

Trade-offs zwischen Flexibilitätszielen

Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich verschiedene Ladevorgänge in ihrer Wirksamkeit für die Bereitstellung von Flexibilität unterscheiden. Je nach Flexibilitätsziel sind demnach manche automatisierten Ladevorgänge besser oder schlechter geeignet. Abb. 2 zeigt die Wirksamkeit der Ladevorgänge (im Durchschnitt über alle Einsteckverhalten) für die vier untersuchten Indikatoren für Flexibilität im Vergleich zum Basisfall.
 
Es ergeben sich Trade-offs zwischen den verschiedenen Flexibilitätszielen für unterschiedliche Ladevorgänge. Einige der automatisierten Ladevorgänge schneiden in allen betrachteten Indikatoren gut ab (z.B. „Flach“ oder „PV“), wohingegen bei anderen die Trade-offs groß sind (z.B. „Batterie“ oder „V2G“). Der Ladevorgang „V2G“ kann z.B. dazu beitragen, erhebliche Lasten während des Tages zu verschieben und in die Mittagszeit zu verlagern, während es jedoch insgesamt zu einer Erhöhung der Lastspitze kommt, die typischerweise am Morgen oder in der Mittagszeit auftritt.
 
Während alle betrachteten Ladevorgänge zu einer Verschiebung der Last während des Tages führen (Verschiebung der Gesamtlast) und den Anteil der Last während der Mittagszeit erhöhen (Erhöhung der Mittagslast), reduziert nur der Ladevorgang „Flach“ die Lastspitze deutlich (Verringerung der Lastspitze) und flacht die Gesamtlastkurve ab (Abflachung der Lastkurve). Daraus folgt, dass die Bereitstellung von Flexibilität zur Verringerung der Lastspitze und Abflachung der Lastkurve schwieriger zu erreichen sind als eine Verschiebung der Gesamtlast oder eine Erhöhung der Last während der Mittagszeit, die durch alle oder zumindest mehrere der betrachteten, gesteuerten Ladevorgänge erreicht werden können.

Einfluss des Einsteckverhaltens auf Flexibilität

Welchen Einfluss hat nun das Einsteckverhalten auf die Erreichung der unterschiedlichen Flexibilitätsziele? Die positiven Auswirkungen des Einsteckverhaltens hängen von unterschiedlichen Aspekten ab: dem Flexibilitätsziel, der Technologieentwicklung und -diffusion (insbesondere dem Ausbau der Ladeinfrastruktur) sowie der Kombination mit einem spezifischen Ladevorgang, und der Art des Netzgebiets (städtisch, ländlich, vorstädtisch).
 
Voraussetzung für eine zeitliche und räumliche Verschiebung der Ladelast durch unterschiedliche Einsteckverhalten ist eine räumlich weit verbreitete Ladeinfrastruktur. Dies zeigen auch unsere Simulationsergebnisse; das Potential des Einsteckverhaltens für die Bereitstellung von Flexibilität steigt häufig mit zunehmender Technologiediffusion. Die Möglichkeit des Wechselns des Ladeortes kann dann zu einer Diversifizierung der Ladelast führen und damit lokale Lastspitzen reduzieren.
 
Ähnlich wie bei den Ladevorgängen weisen unterschiedliche Einsteckverhalten unterschiedliche Potentiale auf, um verschiedene Flexibilitätsziele zu erreichen. Beispielsweise führt ein Einsteckverhalten, bei dem immer bei niedrigem Ladezustand eingesteckt wird (in unserem betrachteten Fall „State-of-charge (SOC)“), zu einer erheblichen Verschiebung der Gesamtlast und Verringerung der Lastspitze (im Vergleich zum Basisfall „Immer letzte Fahrt“).
 
Im Gegensatz dazu kann Laden am Arbeitsplatz mit einem Anstieg der Lastspitze einhergehen. Je nach Netzsituation beim Arbeitgeber könnte eine erhöhte Lastspitze weniger problematisch sein als zu Hause, da z.B. ein Anschluss an einer höheren Netzebene vorhanden oder die Transformatorgröße in einem Industriegebiet größer sein könnte. Jedoch können höhere Lastspitzen auch mit höheren Kapazitätspreisen einhergehen und so auch bei kommerziellen Standorten unvorteilhaft sein. 

Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Einfluss des Einsteckverhaltens in ländlichen Gebieten ausgeprägter ist als in städtischen oder vorstädtischen Gebieten. Dies kann daran liegen, dass Menschen, die in ländlichen Gebieten leben, meist in anderen Gebieten arbeiten oder andere Aktivitäten erledigen und damit ein großes räumliches Verschiebungspotential der Ladelast aufweisen.

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