
Die wachsende Integration von KI im Energiehandel bedeutet eine weitreichende Transformation der Branche (Quelle: Adobe Stock).
Im Energiehandel nutzen Unternehmen KI, um die nachhaltige Transformation – geprägt durch den Ausstieg aus Kernenergie und Kohle sowie den Ausbau erneuerbarer Energien – zu beschleunigen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Verschiedene Faktoren, wie beispielweise eine volatilere Energienachfrage oder Marktveränderungen durch E-Mobilität, erhöhen das Potenzial von KI für den Energiehandel. Gleichzeitig wird die Umsetzung von KI-Use-Cases durch regulatorische und rechtliche Veränderungen, wie die End-to-End-Datenaufsicht und die KI-Verordnung der Europäischen Union, zur Regulierung von KI (Inkrafttreten im dritten Quartal 2024 erwartet), zunehmend komplexer.
Methodologie der Studie
Ausgangspunkt der Studie ist die umfassende Selbsteinschätzung von 22 Energiehandels-Unternehmen zu ihrer KI-Nutzung. Die Befragung fand im zweiten und dritten Quartal 2023 statt. Im Rahmen der Auswertung haben wir den Reifegrad der KI-Aktivität der Unternehmen analysiert, einen Benchmark erstellt und die Daten mit den Ergebnissen unserer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2021 verglichen. Unter Heranziehung unserer Use Case Library und Branchenexpertise konnten wir so Handlungsempfehlungen für Unternehmen zum im Wettbewerb vorteilhaften Einsatz von KI ableiten.
Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass die wahrgenommene Disruptivität von KI im Energiehandel seit 2021 um 22 % gestiegen ist. Unternehmen fokussieren sich aktuell auf die Implementierung skalierbarer und praxisnaher Anwendungen, Strukturen und Governance-Modelle.
Differenzierte Lernmethoden von KI machen im Energiehandel den Unterschied
KI ist nicht gleich KI. Unterschiedliche KI-basierte Lernmethoden ermöglichen nicht nur eine gesteigerte Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit, sondern sind auch zentral für die nachhaltige Transformation der Branche. Im Zentrum der KI-Revolution im Energiehandel steht das Maschinenlernen (ML), das Algorithmen verwendet, um aus Daten zu lernen und sich selbst zu verbessern, ohne explizit programmiert zu werden. Besonders Deep Learning (DL), eine Vertiefung des ML, ist in der Lage, umfangreiche Datensätze zu verarbeiten und komplexe Muster sowie Probleme zu erkennen.
Für den optimalen Einsatz von KI im Energiehandel muss zwischen verschiedenen Arten des ML unterschieden werden: Supervised Learning, Unsupervised Learning und Reinforcement Learning. Jede Methode bietet spezifische Vorteile in der Analyse und Prognose und adressiert somit unterschiedliche Herausforderungen des Energiemarktes.
Supervised Learning setzt auf die Analyse von markierten Daten, um Verbindungen zwischen Eingabe- und Ausgabedaten zu erfassen, was beispielsweise für die Preisprognose im Energiehandel von Bedeutung ist. Unsupervised Learning identifiziert selbstständig Muster in unmarkierten Datensätzen und kann so wertvolle Einblicke in Markttrends und Kundenverhalten liefern. Reinforcement Learning hingegen optimiert KI durch Belohnungen und Bestrafungen kontinuierlich, was insbesondere bei der Entwicklung von Handelsstrategien hilfreich ist.
Die Vielfalt der Methoden und ihre zielgerichtete Anwendung machen KI zu einem unverzichtbaren Werkzeug im Energiehandel, das weit über generische Ansätze wie Standardlösungen oder einfache automatisierte Vorhersagen hinausgeht und eine differenzierte Betrachtung erfordert.
Energiehändler mit hoher KI-Expertise sehen verstärkt Wettbewerbsvorteile durch KI
Mit dem Ziel einer möglichst hohen Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen und um Best Practices sowie Trends zu identifizieren, haben wir im Rahmen der Studie KI-Anwendungsgebiete analysiert und sie mit weiteren Dimensionen, wie der Technologie sowie der KI-Reife und der Art des Unternehmens, konsolidiert. Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen vollständig integrierten Energieunternehmen, kommunalen Versorgungsunternehmen und reinen Energiehandels-unternehmen. Jede dieser Unternehmensarten sind mit spezifischen Marktbedingungen und Geschäftsmodellen konfrontiert, die ihren KI-Einsatz maßgeblich beeinflussen.
Seit 2021 ist der Anteil der befragten Energieunternehmen, die KI einsetzen, um 19 % auf 87 % gestiegen, wobei nach wie vor reine Energiehandelsunternehmen bei der KI-Nutzung vorn liegen. Im Rahmen unserer Studie gaben alle von ihnen an, KI bereits zu nutzen oder den Einsatz zu planen. Auch vollständig integrierte Energieunternehmen setzen zunehmend auf KI: Bereits neun von zehn haben KI in ihre Handelsaktivitäten integriert. Dies entspricht dem Anteil, den die reinen Energiehändler im Jahr 2021 aufwiesen. Kommunale Versorgungsunternehmen zeigen weiterhin den geringsten Grad der KI-Nutzung, konnten mit einer 50 %igen Steigerung jedoch den größten Anstieg über alle Unternehmensarten hinweg verzeichnen.
Interessant ist auch die Beziehung zwischen der Sichtweise der Unternehmen auf KI und ihrer KI-Expertise. Die Studie zeigt eine klare Korrelation: Unternehmen, die KI als entscheidenden Wettbewerbsvorteil betrachten, verfügen in der Regel auch über ein tiefes KI-Verständnis (Abb. 1). Aus dieser Korrelation lässt sich die These ableiten, dass Unternehmen, die in KI einen Wettbewerbsvorteil sehen, motivierter sind, sich schneller tiefere KI-Kenntnisse anzueignen. In der Folge können sie KI erfolgreicher einsetzen und erleben dadurch Wettbewerbsvorteile, was sie wiederum in ihrer positiven Einschätzung von KI bestärkt. Das macht deutlich: Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ist es entscheidend, die eigenen KI-Kenntnisse kontinuierlich durch praktische Erfahrungen mit konkreten KI-Anwendungen zu vertiefen.