Reifegradanalyse der Energieunternehmen
Um jeweils passende Empfehlungen aussprechen zu können, haben wir basierend auf der KI-Governance und den KI-Fähigkeiten der Unternehmen vier unterschiedliche Reifegradgruppen definiert: Beginner, Explorer, Manager und Master (Abb. 2 und 3).
Um KI-Master zu werden und somit von Vorteilen wie Effizienzsteigerung, Kostenreduktion oder gesteigerter Wettbewerbsfähigkeit profitieren zu können, sollten Energiehandelsunternehmen der Entwicklung von KI-Fähigkeiten Vorrang vor der Etablierung von Governance geben. Governance ohne klare Anwendungsfälle kann zu ineffizienten Strukturen führen. Für Beginner liegt der Fokus auf dem Experimentieren mit Use Cases. Explorer sollten stärkere Governance-Strukturen etablieren und Manager skalierbare Anwendungsfälle priorisieren, um das Potential von KI auszuschöpfen.
Use Cases in den einzelnen Energiehandelsbereichen Reifegrad-abhängig
Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle von Energiehandelsunternehmen gehen mit verschiedenen Anforderungen an KI-Use-Cases einher. Unsere Auswertung zeigt: Die KI-Nutzung in den einzelnen Handelsbereichen unterscheidet sich stark zwischen den Reifegradgruppen. Allgemein sehen wir, dass Unternehmen sich zuerst auf bekannte Use Cases im Frontoffice konzentrieren – etwa auf KI-unterstützten Handel oder Prognosen, bevor sie Middle- & Backoffice-Anwendungen implementieren.
So ist Trade Execution der am häufigsten umgesetzte Use Case und bei Unternehmen verschiedener KI-Reifegrade präsent. Nur die Master und teilweise auch die Explorer wagen sich in Middle- und Backoffice Use Cases vor, wie beispielweise KI-unterstütztes Risikomanagement oder automatisierte Rechnungsstellung. Manager konzentrieren sich vor allem auf Trade Erfassung, Physical Operations und infrastrukturnahe Use Cases. Beginner experimentieren meist mit wenig Fokus in allen Bereichen.
Welche Use Cases für die jeweiligen Unternehmen am relevantesten sind, hängt stark von ihrem Geschäftsmodell ab. Reine Energiehändler nutzen nachvollziehbarerweise kaum Use Cases im Bereich Physical Operations, wie automatisierte Nominierung auf Echtzeitbasis oder Optimierung von Fahrplänen, da sie selten eigene Anlagen oder Netze betreiben.
Die Auswertung der realisierten Use Cases in Kombination mit dem Reifegrad der Unternehmen bestätigt den von uns empfohlenen Weg zum KI-Master. KI-Beginnern raten wir zu einem „Use-Case-First“-Ansatz: Wenn diese Unternehmen zunächst KI-Anwendungsfälle definieren und Erfahrung mit ihnen sammeln, entwickeln sie dabei ihre KI-Fähigkeiten zielgerichtet und kosteneffizient weiter. Dadurch können sie zuverlässiger einschätzen, wo das Potenzial von KI für ihr Unternehmen liegt und welche Governance-Strukturen für sie sinnvoll sind.
Externe Unterstützung je nach Reifegrad und Handelsbereich gefragt
Circa zwei Drittel der befragten Energieunternehmen setzen sowohl bei der Entwicklung ihrer KI-Strategie als auch bei deren Implementierung auf externe Partner, wie Unternehmensberatungen oder Start-Ups, um ressourceneffizient vorzugehen und auf zusätzliches Know-how zugreifen zu können. Vor allem Beginner holen sich in allen Handelsbereichen überproportional oft Unterstützung. Explorer planen Use Cases in fast jedem Handelsbereich; die Make-or-Buy-Entscheidung hängt von den Anwendungsfällen ab, wobei infrastrukturnahe Use Cases besonders oft extern unterstützt werden. Manager konzentrieren sich auf einige wenige spezifische Handelsbereiche und Anwendungsfälle, da sie ihren Fokus auf Governance legen. Master bewältigen anspruchsvolle Middle- und Backoffice-Anwendungsfälle und implementieren ihre Use Cases oft in Kooperation mit Partnern.
Deutlich wird: Die Relevanz von KI-Use-Cases hängt nicht nur von bestimmten Geschäftsmodellen, sondern auch von Reifegraden ab; nun gilt es, die verschiedenen Anwendungsfälle für diese Szenarien zu bewerten und so die besten Schritte auf dem Weg zum KI-Master vorzuzeichnen.