IARES-Auftaktveranstaltung am 01.07.2019: 100 Unternehmer verabschieden die Heppendorfer Erklärung. Heute sind über 300 Unternehmen dabei

IARES-Auftaktveranstaltung am 01.07.2019: 100 Unternehmer verabschieden die Heppendorfer Erklärung. Heute sind über 300 Unternehmen dabei (Quelle: IARES)

Mit der zusätzlichen „Unruhe“ im Netz, die durch das zunehmende Fehlen systemrelevanter Kraftwerke und der Dominanz des stark schwankenden Wind- und Solarstroms entsteht, treten bspw. Sog. „Flicker“ auf. Darauf reagieren die Produktionsmaschinen in Gewerbe und Industrie häufig sehr empfindlich. Um die Situation in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, wurde im Sommer 2019 IARES, die Industrieallianz für regionale Energiesicherheit, gegründet.

Was haben Glasproduzenten und Papierhersteller gemeinsam? Sie stellen in komplexen Prozessen sensible Produkte her – seien es Backwaren, optische Linsen oder hochwertige Papiere. Und sie alle benötigen dazu Energie – durchgängig, 24/7 an 365 Tagen im Jahr. Je diffiziler die Maschinen, desto anfälliger werden sie für Schwankungen im Stromnetz. Versorgungsunterbrechungen im Millisekundenbereich können genügen – und schon sind Sauerteig, optische Linsen und Papiere zerstört. Es entstehen hohe finanzielle Belastungen: für die Reinigung der Geräte sowie der Produktionsstraßen, für entstehende Schäden von Einzelteilen beim Neustart der Produktion oder entgangene Umsatz. Laut Versicherungen bis zu 500.000 € pro Tag.

Wachsende Herausforderungen für Netzbetrieb und Industrie

Die Aufgabe der Netzbetreiber wird also immer anspruchsvoller. Unternehmen, wie z. B. die NEW Netz GmbH aus Mönchengladbach, nehmen sich dieser Herausforderung an. Sie beteiligen sich u. a. an Forschungsvorhaben und Allianzen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Stromnetz und die angeschlossenen Erzeuger wie Verbraucher stärker in die Steuerung des Stromversorgungssystems einzubinden, Engpässe frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen ableiten zu können.

Dennoch häufen sich die Versorgungsqualitätseinbußen, und damit steigen auch die Unwägbarkeiten in der Produktion. Es betrifft viele Branchen – vom Gesundheitswesen mit seinen Krankenhäusern über die Chemieanlagen, die Lebensmittelindustrie bis hin zu Vergnügungsparks. Jederzeit gesicherte elektrische Leistung ist ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil des Industriestandorts Deutschland gegenüber anderen Industriestandorten weltweit, erklärt Fred Arnulf Busen, Geschäftsführer der Polytron Kunststofftechnik GmbH & Co. KG: „Wir dürfen diesen Vorteil, insbesondere auch wegen der im Vergleich deutlich energieeffizienteren Produktion in Deutschland, auf keinen Fall herschenken“. Sonst, so seine Sorge, könnte es zu einem Szenario kommen, dass manche Ökonomen als Kollateralschaden der Energiewende fürchten: eine schleichende Abwanderung der Industrie. Langsam und leise.

Industrieallianz für regionale Energiesicherheit

Diese Lage in der Öffentlichkeit deutlich zu machen und gemeinsam Lösungen dafür zu erarbeiten ist Ziel von IARES, der Industrieallianz für regionale Energiesicherheit. Initiiert vom BSKI e.V., dem Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastrukturen, unterstützt von den Industrie- und Handelskammern zu Köln, Aachen, dem Mittleren Niederrhein sowie Rhein-Sieg, kamen über 100 Unternehmens- und Branchenvertreter zusammen. Sie formulierten ihre Forderungen in der Heppendorfer Erklärung: „Zur Sicherung von Wohlstand und Beschäftigung und zum Schutz der Umwelt müssen wir jetzt gemeinsam handeln und (noch) rechtzeitig für eine ausgewogene Balance aus Klimaschutz und Energiesicherheit eintreten! Deshalb bündeln wir unter dem Leitmotto „Energie … mit Sicherheit!“ unsere Kräfte.“

Schon heute investieren Industrieunternehmen und Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) erhebliche Ressourcen in den Klimaschutz. Ohne Mitwirkung der Wirtschaft kann Deutschland die ambitionierten klima- und energiepolitischen Ziele nicht erreichen. Neben wettbewerbsfähigen Energiepreisen ist das Kerninteresse: Energiesicherheit. Das bedeutet jederzeit gesicherte elektrische Leistung – auch in einem dezentraleren Energieversorgungssystem mit 100 % regenerativen Energieträgern.

Doch es ist davon auszugehen, dass Beeinträchtigungen der Versorgung und damit Produktions- und Betriebsausfälle sowie Sachschäden insbesondere in industriell und mittelständisch geprägten Wirtschaftsräumen zunehmen werden. Zu diesem Thema veranstaltete IARES im Mai 2021 einen virtuellen InfoTalk unter dem Motto „Energiesysteme im Wandel – Droht eine Stromlücke?“, um Transparenz und Objektivität im öffentlichen Diskurs zu fördern.

Energiesensitive Industrie- und KRITIS-Unternehmen finden bisher nur unzureichend Gehör in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern. Und offen darüber reden will kaum jemand. Zum einen ist nicht allen produzierenden Unternehmen die Korrelation des Problems bewusst. Zum anderen haben sie Bedenken, ihre Kunden zu verunsichern – und halten sich deshalb bedeckt. Aber nur wenn die Öffentlichkeit davon erfährt, wird sich etwas ändern. Nur so werden auch Lösungen gefunden, bevor es zu spät ist.

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