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EURACOAL-Präsident Dr. Wolfgang Cieslik (Bild: STEAG)

Wie im Interview der „et“ mit dem Präsidenten von EURACOAL – European Association for Coal and Lignite, Dr. Wolfgang Cieslik, deutlich wird, kann dieser Energieträger maßgeblich dazu beitragen, dass der Weg in eine nachhaltige Energiezukunft sicher und effizient erfolgen kann. Dies allerdings nur, wenn widersprüchliche und fehlerbehaftete politische Eingriffe unterbleiben.

„et“: Um ein Gefühl für die Größenordnung zu kriegen: In welchem Umfang tragen die Stein- und Braunkohlen zur Energieversorgung in Europa bei?

Cieslik: Die Dimensionen sind sehr groß, die Bedeutung von Kohle in der Energiegewinnung und der Strom- und Wärmeerzeugung ist insgesamt sehr hoch. Nicht zu vergessen ist, dass 64 % der weltweiten Stromproduktion auf fossiler Basis erfolgen. Die Gewinnung von Stein- und Braunkohlen in Europa (EU) erreichte auf Basis der aktuell verfügbaren Daten insgesamt 214 Mio. t Steinkohleeinheiten (SKE). Damit wurden in Summe 17 % des europäischen Primärenergieverbrauchs gedeckt. Die EU- Kohleförderung lag damit 28 % über der Erdgasförderung und mit 78 % deutlich über der Rohölförderung.

Bei der Stromerzeugung in der EU wird es noch deutlicher: Sie basiert sogar zu 26 % auf heimischen und importierten Kohlen. Die Stromerzeugung aus Erdgas ist bekanntlich teurer als die aus Kohle. In den Stunden, in denen Gaskraft-werke den Marktpreis setzen, ist der Preis für Industrie und Verbraucher in aller Regel höher als in den anderen Stunden. Wenn Erdgas subventioniert wird, z. B. in der Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland, dann kann es natürlich mithalten. Aber rund ein Viertel des europäischen Stroms wird zuverlässig und zu wettbewerbsfähigen Kosten aus Kohle produziert.

„Auch politisch beschlossene Klimapfade können die Physik nicht überlisten. Wir brauchen in Europa auch in den nächsten Jahrzehnten thermische Reserven und Flexibilität auf Basis konventioneller Brennstoffe. Wer das leugnet, der nimmt den Verlust von industrieller Wertschöpfung in Kauf. Wenn es aber gelingt, den Wettbewerb aufrecht zu erhalten, dann hat die Kohle gute Chancen, in den kommenden Jahrzehnten als kostengünstiger Partner zu einer europäischen Energiewende beizutragen – mit abnehmenden Betriebsstunden und einer flexiblen Kraftwerksfahr-weise. Wer alleine auf teureres Erdgas setzt, der hat auch für die notwendigen Innovationen beispielsweise für Speicher weniger Geld zur Verfügung.“
Dr. Wolfgang Cieslik, Präsident EURACOAL – The European Association for Coal and Lignite, Brüssel

Kohle kann Flexibilität!

„et“: Die Stromversorgung mit steigendem Anteil Erneuerbarer erfordert Flexibilität. Diese wird in der politischen Diskussion vorwiegend Gaskraft-werken zugesprochen, wie steht es in dieser Frage um die Kohlekraftwerke?   

Cieslik: Es ist richtig: Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung wird weiterwachsen. Durch den erhöhten Anteil Erneuerbarer nimmt die Volatilität zu und thermischen Kraftwerken wird in der Zukunft eine andere Rolle zugewiesen. Der angebliche Flexibilitätsvorteil von Gaskraftwerken ist jedoch ein Gerücht, das sich erstaunlich hartnäckig hält. Es ist anders. Kohlekraftwerke, insbesondere Steinkohle, liefern in vielen Ländern seit Jahren den entscheidenden Flexibilitätsbeitrag im Stromversorgungssystem.  Das gilt für Deutschland in herausgehobenem Maße. Das kann man sich wunderbar auf Internet-Plattformen anschauen.

Der Flexibilitätsvorteil insbesondere von Steinkohle ist nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich begründet: Der Wirkungsgradverlust bei Gaskraftwerken ist relativ zum Brennstoffeinsatz hoch, wenn diese flexibel eingesetzt werden. Und Gas ist teuer. Entscheidend ist, dass Kohlekraftwerke stabil und wirtschaftlich in reduzierter Last – bis zu 10 % Mindestlast ist bei Steinkohlekraftwerken möglich! – betrieben werden und so in alle Richtungen kurzfristig regeln können. Und da elektrische Massenspeicher derzeit nicht in Sicht sind, wird das auch erst einmal so bleiben.

Europäische Klimaschutzpolitik

„et“: Die EU hat mit ihrem Paket „Saubere Energien für alle Europäer“ ein klares Bekenntnis zur Abkehr von fossilen Energien und einen anspruchsvollen Klimapfad bis 2030 bzw. 2050 aufgesetzt. Was bedeutet das für die Kohle?  

Cieslik: Das Bekenntnis der EU zum Klimaschutz kommt unter anderem im Emissionshandel zum Ausdruck. Dort wird aber nur ungefähr die Hälfte der Treibhausgasminderung geregelt. Auf die Zusagen der EU im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens für das Jahr 2030 ist auch die Reform des Emissionshandels gerichtet. Mit dem Energie-Paket wird dennoch der Versuch gemacht, die Reduktion der Treibhausgasemissionen mit dem Wettbewerb im Energiemarkt zu verbinden. Die Diskussion macht offensichtlich, wie schwer es den politischen Akteuren fällt, Binnenmarktfragen und Klimaschutzfragen zu trennen. Leider wird durch die vielen Eingriffe der Emissionshandel unnötig belastet, auch im Hinblick auf das Vertrauen der Marktakteure in die Stabilität.

Falls die EU bestehende Kohlekraftwerke ab 2030 tatsächlich von Kapazitätsmechanismen ausnimmt, Gaskraftwerke aber von solchen Maßnahmen profitieren können, wird Kohle aktiv diskriminiert. Das wird Auswirkungen auf Kohlekapazitäten haben, die sich heute aber noch nicht sicher einschätzen lassen. Aber die Summe der CO2-Emissionen wird gegenüber dem Emissionshandel zu höheren Kosten reduziert. Das ist für mich volkswirtschaftlich nicht nachvollziehbar.

„et“: Gibt es einen besseren Weg?

Cieslik: Wesentlich ist: Auch politisch beschlossene Klimapfade können die Physik nicht überlisten. Wir brauchen in Europa auch in den nächsten Jahrzehnten thermische Reserven und Flexibilität auf Basis konventioneller Brennstoffe. Wer das leugnet, der nimmt den Verlust von industrieller Wertschöpfung in Kauf. Wenn es aber gelingt, den Wettbewerb aufrecht zu erhalten, dann hat die Kohle gute Chancen, in den kommenden Jahrzehnten als kostengünstiger Partner zu einer europäischen Energiewende beizutragen – mit abnehmenden Betriebsstunden und einer flexiblen Kraftwerksfahrweise. Wer alleine auf teureres Erdgas setzt, der hat auch für die notwendigen Innovationen, beispielsweise für Speicher, weniger Geld zur Verfügung.

Auch langfristig kann Power to X kann nur eine begrenzte Lösung bieten. Auch hier wird die fehlende Infrastruktur Grenzen aufzeigen. Ich gehe davon aus, dass es mehr Sinn macht, fossile Energieträger als Partner kombiniert mit Carbon Capture and Usage (CCU) einzubinden. Damit können CO2-Ziele erreicht werden, ohne kostenträchtig die Infrastruktur auszutauschen.

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