Zur Rolle des Emissionshandels

et: Welche Rolle spielt der Emissionshandel bei der Erreichung der Ziele im Industrie- und Energiesektor? Funktioniert er aus Ihrer Sicht?

Cieslik: Der Emissionshandel funktioniert natürlich – technisch und hinsichtlich der Mengen. Die europaweite CO2-Minderung wird erreicht. Bezweifelt wird die Funktionsfähigkeit des Emissionshandels von Unternehmen oder Personen, die eine bestimmte Preisvorstellung haben. Denen geht es aber nicht um die Erreichung des anspruchsvollen, europäisch vereinbarten CO2-Reduktionspfades. Wer jetzt zur – wirtschaftlich zu kompensierenden – Stilllegung von Kohlekraftwerken auffordert, löst das Problem der Emissionsminderung nicht.  Im Emissionshandel führt das zu Emissionen woanders – oder später. Und warten wir mal ab, inwieweit nach den neuen Regeln, die nach 2020 gelten sollen, Staaten tatsächlich und in welcher Höhe zusätzliches Geld in die Hand nehmen, um Emissionszertifikate stillzulegen. Denn zuvor sind schon staatlicherseits Kompensationen für Eingriffe in den Kraftwerkspark und unter Umständen kostspielige Neubauprogramme zu bezahlen.

et: Wie geht es weiter, was könnte die europäische Emissionshandelsreform bewirken?

Cieslik: Spannend wird es, zu sehen, ob der Emissionshandel nach den nun fast beschlossenen Reformen weiter funktioniert. Es gibt ja viele Ausnahmen und regionale Umverteilungen. Zukünftig wird die Menge der Zertifikate in der Marktstabilitätsreserve vergrößert und dann gelöscht. Also wird der Pfad zur Emissionsminderung über die Zeit steiler als eigentlich verabredet. Bei der Stilllegung von Zertifikaten wäre das nochmals der Fall. CO2-Minderungsziele würden so vorgezogen. Das ist nicht allen so klar.

Insgesamt verteuert der Emissionshandel die Kohleverstromung. Verdrängt wird sie erst dann, wenn europäisch andere unter Einschluss der Preise für CO2-Zertifikate günstigere Strom-erzeugungsanlagen zur Verfügung stehen. Das sollte also eine Frage der Relation von verschiedenen Brennstoffpreisen sein. Bestimmte Anlagen werden vielleicht nicht mehr wirtschaftlich bleiben. Aber ob tatsächlich viele Gaskraft-werke gebaut werden, wird nicht allein am kurzfristigen CO2-Preis festgemacht, sondern an dem Vertrauen auf einen verlässlichen energiewirtschaftlichen Rahmen, eine ausreichende Infrastruktur und eine zuverlässige, lokale Gasversorgung. Wer auf die direkte und indirekte Subventionierung von Erdgas setzt, sollte stets auch die gesamten Kosten im Blick behalten.

et: In vielen Diskussionen ist zu hören, dass mit einem Switch von Kohle- zu Gaskraftwerken Emissionsziele schneller erreicht werden könnten.

Cieslik: Zunächst ist es mir wichtig festzustellen, dass sich mit dem reinen Switch von Kohle zu Gas die strengen CO2-Minderungsziele auch theoretisch nicht erreichen lassen, bestenfalls können Emissionen halbiert werden. Denn auch bei der Verbrennung von Methan wird CO2-frei. Versorgungssicherheit ist ein hohes Gut. Sie kann ohne Kohlekraftwerke derzeit nicht sichergestellt werden. Rd. 25 % der installierten Leistung in Europa sind Kohlekraftwerke. Wer anstelle der europäischen Kohlekraftwerke Gas-kraftwerke errichten will, der muss rd. 180 GW neu bauen – und dafür die Gasversorgung sicherstellen. Ein Switch, gar ein schneller, ist also nur ein sehr theoretischer Ansatz oder offenbart möglicherweise einen lokal verengten Blick. 

et: Was bedeutet das für den Großhandelspreis und für die Versorgungssicherheit?

Cieslik: Wenn Gaskraftwerke häufiger den Strompreis setzen, steigt der Preis. Wenn der CO2-Preis steigt, dann steigt der Strompreis auch. Aber die Marge für Gaskraftwerke als Grenzanbieter wäre sehr niedrig. Sie liefern nur einen geringen Cash-Flow, und es erweitern sich nicht automatisch die Investitionsmöglichkeiten für Gaskraftwerke. Die Kapitalkosten können nur dann gedeckt werden, wenn es zusätzliche Erlöse gibt oder der Gaspreis günstiger als bei anderen Kraftwerken ist. Es ist eine Binsenweisheit, dass effiziente Gas- und Dampfturbinenkraftwerke niedrigere CO2-Emissionen verursachen als ein Braunkohlekraftwerk. Anders ist es, wenn offene Gasturbinen errichtet werden. Das ist kein oder kein großer Vorteil, wenn diese betrieben werden. Noch schlechter wird es, wenn statt Gasturbinen ölgefeuerte Turbinen zum Einsatz kommen, weil die Gasversorgung nicht dauerhaft gesichert ist. 

Wer Emissionen wirklich mindern möchte, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, dem bleibt nur Rationalität. Und die führt auch zu Gelassenheit bei einer sich nach und nach einstellenden Reduktion der Kohleverstromung.

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