LNG-Infrastruktur

LNG-Infrastruktur (Quelle: Adobe Stock)

Während die Kohle in Deutschland als „Klimakiller“ gilt, kommt Erdgas die Rolle der „sauberen“ fossilen Übergangsenergie zu. Dabei wird ausgeblendet, dass bei Produktion und Transport von Erdgas insbesondere in verflüssigter Form (LNG) dessen Hauptbestandteil Methan, ein hochwirksames Treibhausgas, in die Atmosphäre entweicht.

Klimawirksamkeit von Methan

0,5°C des globalen Temperaturanstiegs seit der vorindustriellen Zeit wird durch Methan (CH4) verursacht. Dem stehen ein Anstieg um 0,8°C durch Kohlenstoffdioxid (CO2) und die kühlende Wirkung von Schwefeldioxid (SO2) um 0,5°C gegenüber – somit ein verbrennungsbedingter Nettoeffekt fossiler Energieträger von 0,3°C. SO2-Emissionen haben eine direkte kühlende Wirkung auf das Klima, die durch den Einfluss auf die Wolkenbildung noch verstärkt wird [1].

Neben dem direkten Treibhauseffekt von CH4 spielen indirekte Effekte durch den Zerfall des Moleküls in der Atmosphäre eine große Rolle. Die verstärkte Ozonbildung und der Anstieg der stratosphärischen Wasserdampfkonzentration bewirken einen zusätzlichen Temperaturanstieg. CH4 wird zurzeit langsamer abgebaut, weil sich Kohlenstoffmonoxid als Folge u. a. von Waldbränden in der Atmosphäre anreichert und dem Zerfall des Moleküls in der Atmosphäre entgegensteht. Dieser Effekt ist in dem vom Weltklimarat IPCC 2021 [1] veröffentlichten Treibhauspotenzial von CH4 noch nicht enthalten.

Ein Emissionsimpuls des kurzlebigen Treibhausgases CH4 hat in den ersten Jahrzehnten ein viel größeres allgemeines Treibhauspotenzial (AGWP) als CO2. Das Verhältnis der AGWPs von CH4 und CO2 ist das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP) von CH4, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten. Für einen Zeithorizont von 20 Jahren beträgt es 82,5 (GWP-20) - die Klimawirksamkeit ist also 82,5-mal so hoch wie die von CO2. Das GWP-100 beträgt 29,8 [1].

Der IPCC weist darauf hin, dass es „kein wissenschaftliches Argument für die Wahl von 100 Jahren im Vergleich zu anderen Möglichkeiten“ gibt. Die Wahl des Zeithorizonts sei ein Werturteil, das vom Gewicht abhängt, das den verschiedenen Zeitpunkten zugewiesen wird [2]. Zwar wurde mit Verabschiedung des Kyoto-Protokolls für die nationalen Berichtspflichten gegenüber der UNFCCC ein Zeithorizont von 100 Jahren gewählt, doch weist der IPCC seit Jahren darauf hin, dass die Vertragsstaaten auch über alternative Zeithorizonte berichten sollten. Zuletzt wurde auf der COP 27 im November 2022 beschlossen, weitere Maßzahlen in die nationale Berichterstattung aufzunehmen.

Wenn Kipp-Punkte im Klimasystem überschritten werden, ist der Zustand des Klimasystems im Jahr 2124 irrelevant. Im Hinblick auf das von mehr als 140 Staaten getragene Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 45 % zu reduzieren und 2050 null zu erreichen („Net-zero Commitment“), ist das GWP-20 die passende Metrik. Der US-Bundestaat New York ersetzte im Climate Leadership and Community Protection Act aus dem Jahr 2019 das GWP-100 durch das GWP-20 [3]. Und auch wenn es um den deutschen Kohleausstieg oder das Erreichen von nationalen Minderungszielen bis zum Jahr 2050 geht, ist der Zeithorizont von 20 Jahren der geeignetere.

Bottom-up- versus Top-Down-Studien

Die Lifecycle-Emissionen der Energieträger Kohle und Erdgas setzen sich aus CO2- und CH4-Emissionen vom Bohrloch/Bergwerk bis zum Endverbraucher zusammen. Die deutschsprachige Literatur zu den „Vorkettenemissionen“ besteht fast ausschließlich aus Auftragsgutachten. In wissenschaftlichen Fachzeitschriften werden die Zeithorizonte von 20 und 100 Jahren unterschieden. Die 2019 und 2021 für das UBA erstellten Studien wählen einen Zeithorizont von 100 Jahren und veraltete IPCC-Daten [4].

Mit der Bottom-up-Methode werden z. B. für eine Pipeline aufgrund von Stichproben Emissionsfaktoren für Leckagen ermittelt, mit denen die Emissionen über die Länge der Pipeline hochgerechnet werden. In Deutschland erstellte Gutachten beruhen auf dieser Methode. Demgegenüber verwenden Top-Down-Studien Messergebnisse, die mit Satelliten oder Infrarot-Kameraaufnahmen gewonnen werden. Eine flächendeckende globale Emissionsermittlung ist derzeit noch nicht möglich.

In einer von 18 Vertretern hochrangiger US-Hochschulen 2018 in Science publizierten Bottom-up-Studie, die mit Messungen mit Flugzeugbeobachtungen validiert wurde [5], wird die Bandbreite der Emissionsrate der US-Öl- und Erdgasförderung mit 2,3 % (+0,4 %/-0,3 %) angegeben. Die Autoren stellen fest, dass aus Stichproben ermittelte Emissionskennziffern systematisch zu niedrig sind, weil anormale Betriebsbedingungen (z. B. Störungen) damit nicht erfasst werden. Das erkläre den Unterschied zu deutlich niedrigeren Zahlen der US-Umweltbehörde EPA. Howarth hat 2022 in einer Top-Down-Studie den Mittelwert der Emissionsraten der US-Erdgasförderung aus der begutachteten Fachliteratur mit 2,6 % beziffert [6]. Die im UBA-Gutachten aus 2021 verwendete CH4-Emissionsrate für die US-Produktion liegt mit 0,54 % [4] noch unter dem Wert der EPA von 0,79 %.

Gordon et al. [7] haben 2023 gezeigt, dass die Lifecycle-Emissionen der globalen Erdgasversorgung - ohne Berücksichtigung der Transport- und SO2-Emissionen – Parität mit den Emissionen der Kohle erreichen, wenn die CH4-Emissionsrate über 4,7 % liegt (GWP-20) bzw. über 7,6 % (GWP-100). In den USA liegt sie bei 4,8 % [6], sodass die Parität in den USA erreicht ist (GWP-20). Wird die Wirkung von SO2 eingerechnet, wird die Parität bei niedrigeren Emissionsraten erreicht. Nimmt man als Grenzfall Steinkohle, die in einem Tagebau (ohne CH4-Emissionen) gewonnen wird, und deren 1,5 %iger Schwefelgehalt mit einem Wirkungsgrad von 90 % abgeschieden wird, darf bei einem GWP-20 die CH4-Systemleckagerate nur noch bei 0,2 % liegen, damit Parität mit Steinkohle erreicht wird. Mit US-Gas kann dieser Wert nicht eingehalten werden.

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