Die Kosten der Methanvermeidung: vielfach geringer als gedacht

Abb. 1 Die Emissionsquellen von Methan sind global sehr ungleich verteilt – Europa liegt mit 25 Mt pro Jahr im Mittelfeld

Abb. 1 Die Emissionsquellen von Methan sind global sehr ungleich verteilt – Europa liegt mit 25 Mt pro Jahr im Mittelfeld

Abb. 2 Rund 90 % der Methanemissionen können zu Kosten von weniger als 25 US$ pro t CO2e vermieden werden

Abb. 2 Rund 90 % der Methanemissionen können zu Kosten von weniger als 25 US$ pro t CO2e vermieden werden

Gute Nachricht für die Wirtschaft: Die meisten Maßnahmen zur Methanreduktion belasten das Budget von Unternehmen kaum. Mehr als 90 % der Vermeidungshebel kosten weniger als 25 US-Dollar pro Tonne Kohlendioxidäquivalente (US$/tCO2e), wobei 1 t Methan 84 t Kohlendioxid entspricht (Abb. 2).

In der Öl- und Gasindustrie können 30 % der Emissionssenkungen sogar Kosten sparen oder neue Einnahmequellen erschließen. Zu diesen Maßnahmen gehört beispielsweise, Lecks bei der Gewinnung von Gas und Erdöl zu vermeiden, indem präziser gearbeitet wird – davon würden Anlagenbetreiber sofort profitieren, denn durch marode Hardware verlieren sie beträchtliche Mengen ihres Rohstoffs und damit Einnahmen. Die Hälfte der Methaneinsparungen wäre für 0 bis 10 US$/tCO2e realisierbar – etwa durch Nachrüstung von Deponien und nachgeschalteter optischer Detektion für Methan.

Ein Zehntel der Methanminderung würde zwischen 10 und 25 US$/tCO2e kosten. Darunter fallen etwa die biologische Behandlung fester Abfälle sowie spezielle Abluftreinigungsanlagen für Kohlebergwerke, die mit VAM-Technologien (Ventilation Air Methan) arbeiten.

Lediglich 3 % aller Methanvermeidungshebel würden 25 bis 50 US$/tCO2e kosten, beispielsweise die Produktion von Wasserstoff aus Methan. Und nur ein kleiner verbleibender Anteil von 6 bis 7 % würde die Unternehmensbudgets mit mehr als 50 US$/tCO2e belasten. Zu diesen teuersten Maßnahmen gehören beispielsweise Algenzusätze im Futter, damit Rinder beim Verdauen weniger Methan produzieren, oder anaerobe Fermenter für Tierfarmen.

Kumuliert würden die Aufwendungen für alle technischen Möglichkeiten zur Methansenkung bis 2030 global 3,3 Bio. US$ und bis 2050 5,1 Bio. US$ betragen. Zum Vergleich: Die Kosten, die Regierungen weltweit im Corona-Jahr 2020 aufgebracht haben, um die Konjunktur zu stützen, lagen bei 12 Bio. US$.

Die effektivsten Hebel zum Methanabbau

Um das international vereinbarte 1,5°C-Ziel noch zu erreichen und die Senkung der Methanemissionen zügig anzugehen, bedarf es mehrerer Hebel. Zu den drei wichtigsten zählen Monitoring, nachhaltiger Konsum und das Vorantreiben von Innovationen.

1. Monitoring und Dokumentation ausbauen

Regierungen müssen den Rahmen zur Kontrolle und Berichterstattung festlegen und ausbauen, Unternehmen und Forschungsstellen sollten ihre Datenerfassung verbessern und von punktuell abgeleiteten Schätzungen zu konkreten Messungen übergehen. Möglich wäre dies durch Satelliten-, Drohnen- und Sensorüberwachung. Die Kosten für diese Technik werden künftig stark sinken. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch, Methanemissionen eigenständig zu erfassen und nicht wie bisher gemeinsam mit Kohlenmonoxid.

Dieses exaktere Monitoring kann einerseits Anreize für eine schnellere Methanreduktion schaffen und andererseits Bemühungen unterstützen, globale Märkte für neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die klimaschädliche Effekte entlang der Wertschöpfungskette bewerten. Satelliten können mittlerweile die Zusammensetzung von atmosphärischen Gasen überwachen und so auch Methanquellen relativ gut aus dem All erkennen. Allerdings haben auch Satelliten die Welt nicht flächendeckend im Blick, und in vielen Ländern werden Methanemissionen noch nicht systematisch erfasst. In Gaskraftwerken können Infrarotkameras Lecks an Leitungen orten und warnen, wenn ungewollt Methan entweicht.

2. Nachhaltigen Konsum unterstützen

Lohnenswert wäre die Entwicklung von Verfahren, um Produkte auf ihren Methanfußabdruck hin zu bewerten. Erhielten z.B. Reis und Fleisch, aber auch Öl, Gas, Kohle oder Stahl ein Methan-Intensitätslabel, würden diese Marktsignale einen geordneten Übergang zur Dekarbonisierung unterstützen. Produzenten könnten anhand dieser Kriterien Wettbewerbsvorteile definieren, Anleger Portfoliorisiken besser verstehen und Händler wie Verbraucher hätten klarere Anhaltspunkte für ihre Kaufentscheidung.

Und nachhaltiger Konsum führt zu konkreten Effekten: Weniger Fleisch und Wurst auf den privaten Speiseplänen würden die allgemeine Nachfrage nach Fleischprodukten senken und einen Strukturwandel zu anderen proteinhaltigen Lebensmitteln bewirken. Im Energiebereich könnten Methanvermeidungsstrategien helfen, um von fossilen Energien auf klimafreundliche regenerative Brennstoffe umzusteigen. Erste Unternehmen der Öl- und Gasindustrie bemühen sich bereits, entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Bohrkopf bis zum Kunden – Treibhausgasemissionen zu messen und den Kunden zertifiziert nachzuweisen. Ansporn für Unternehmen könnte es beispielsweise sein, neue Premiumprodukte im Bereich Flüssiggas (LNG) zu kreieren.

3. Innovationskraft steigern

Um Methanemissionen schnell und zu vertretbaren Kosten zu senken, sind Innovationen des öffentlichen und privaten Sektors dringend nötig. Bedarf besteht vor allem in den Bereichen Emissionsverfolgung und Emissionsminderungstechnologien. Viele Lösungen sind bereits ausreichend entwickelt, werden aber bisher zu wenig genutzt, weil ihr Bekanntheitsgrad zu gering ist. Teilweise sind auch die damit verbundenen Kosten noch nicht wirtschaftlich.

Hilfreich zur Emissionssenkung in der Gas- und Ölindustrie wären beispielsweise kostengünstige Möglichkeiten zur Methanüberwachung aus der Luft. Um den Methanausstoß in Deutschland zügig und effektiv zu mindern, würden sich Innovationen vor allem in drei Bereichen lohnen: Überwachung von Tiergesundheit, Optimierung beim Futtermittelmix sowie beim Sammeln und Nutzen von Deponiegas.  

Die Chancen der Methanvermeidung nutzen – eine Gemeinschaftsaufgabe

Deutliche Methanreduktion ist ein wichtiger Schritt auf dem 1,5°C-Pfad bis 2030. Aber selbst in einer vollständig dekarbonisierten Wirtschaft werden Öl und Erdgas weiterhin eine Rolle im Energiesystem spielen. Erdöl würde 2030 immer noch ein Viertel des gesamten Energiebedarfs decken, Erdgas noch ein Fünftel. Bis 2050 werden die Werte auf 10 % (Öl) und 7 % (Gas) sinken.

Vor diesem Hintergrund bietet die Rückgewinnung von Methan unterschiedliche Chancen: Produzenten fossiler Brennstoffe haben die Möglichkeit, kurzfristig Einnahmemöglichkeiten zu erschließen. Anlagenbauer und Entwickler können neue, auf Minderung von Methanemissionen ausgerichtete Geschäftsfelder erschließen und daraus strategischen Nutzen ziehen. Ihr Innovationsfokus sollte vor allem darauf gerichtet sein, die Attraktivität von Produkten mit niedrigem Methanausstoß zu steigern.

Einzelne Länder können bei dieser globalen Aufgabe nicht viel ausrichten. Hier ist Teamarbeit gefragt – und sie läuft bereits an, nicht erst seit der Klimakonferenz von Glasgow: Die UNO hat den Start einer internationalen Beobachtungsstelle für Methanemissionen angekündigt, um eine weltweit vergleichbare Datensammlung aufzubauen. Eine US-amerikanische Umweltgruppe und die Weltraumorganisation von Neuseeland wollen gemeinsam mit dem Erdbeobachtungssatelliten MethanSAT die Erdoberfläche systematisch nach Methanemissionen absuchen.

In Europa hat die EU bereits 2020 eine Strategie zur Senkung der Methanemissionen in der Gemeinschaft bis 2030 um bis zu 37 % gegenüber 2005 vorgelegt. Dafür sollen, das hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Glasgow angekündigt, Methanemissionen systematisch erfasst werden – nicht nur über Satelliten, sondern auch durch Messgeräte an Bord von Flugzeugen, Drohnen oder Fahrzeugen, die austretendes Methan sichtbar machen.

In Deutschland will die neue Bundesregierung bei der Senkung von Methanemissionen zunächst auf den Bereich Tierhaltung setzen. Laut Koalitionsvertrag sollen Landwirte dabei unterstützt werden, Nutztierhaltung klimaneutral umzubauen. – Eine sinnvolle Maßnahme, da die Viehwirtschaft auch hierzulande zu den größten Methanverursachern zählt. Doch die übrigen Reduktionschancen gilt es darüber nicht aus dem Blick zu verlieren – dazu sind die Hebel, die zur Methanvermeidung bereits heute verfügbar sind, zu effektiv.

S. Overlack, Partner, McKinsey & Company, Frankfurt; K. Henderson, Partnerin, McKinsey & Company, Washington DC; C. Tryggestad, Senior Partner, McKinsey & Company, Oslo
sebastian_overlack@mckinsey.com

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