Infrastruktur für die regionale Wasserstofferzeugung

Abb. 1 Die zukünftige Wasserstoff-Welt zeigt eine Verknüpfung vielfältiger Infrastrukturkomponenten Wasserstoffnutzung in Nordwesteuropa

Abb. 1 Die zukünftige Wasserstoff-Welt zeigt eine Verknüpfung vielfältiger Infrastrukturkomponenten Wasserstoffnutzung in Nordwesteuropa

Tab. 1. H2-Projektpipeline in Nordwesteuropa

Tab. 1. H2-Projektpipeline in Nordwesteuropa

In Nordwesteuropa werden bereits heute erhebliche Mengen an Wasserstoff erzeugt. Lediglich 1 % der gesamten H2-Herstellung entfällt dabei jedoch auf die emissionsarme Produktion. Bei den verschiedenen H2-Erzeugungsverfahren dominiert noch der sog. graue Wasserstoff, der auf Basis fossiler Ausgangsstoffe produziert wird. Grauer Wasserstoff deckte im Jahr 2021 den überwiegenden globalen Bedarf von 94 Mt Wasserstoff. Weltweit war die H2-Produktion damit für 900 Mio. t CO2-Emissionen im Jahr 2021 verantwortlich [5]. Zum Vergleich: Die energiebedingten Emissionen von Benelux und Deutschland lagen 2021 in Summe bei vergleichbaren 931 Mio. t [6]. Das heißt, bereits für die aktuelle H2-Produktion muss nach klimaneutralen Lösungen gesucht werden. Wasserstoff gilt als CO2-frei, wenn bei der Produktion des Wasserstoffs keine CO2-Emissionen anfallen. Etwaige Emissionen bedingt durch die Herstellung der nötigen Ausrüstung werden dabei nicht mitgerechnet. Wasserstoff ist emissionsarm, wenn rund 90 % der anfallenden CO2-Emissionen durch CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) aufgefangen werden können.

Die zur H2-Erzeugung benötigten Infrastrukturketten unterscheiden sich – von der Erzeugungsstufe selbst abgesehen – hinsichtlich der Erfordernisse an die eingesetzten Energieressourcen und Nebenprodukte. Hierdurch ergeben sich, je nach H2-Art, unterschiedliche infrastrukturelle Herausforderungen an unterschiedlichen Stellen der Infrastrukturkette. Ab der H2-Transportstufe, die Wasserstoff zur Weiterverteilung und Nutzung befördert, nutzen regional erzeugter sowie importierter Wasserstoff die gleiche Infrastruktur.

Die Erzeugung von erneuerbarem (grünem) Wasserstoff in der Region erfordert eine Infrastrukturkette von der Strom-Erzeugung über den -Transport und die H2-Erzeugung bis zum H2-Transport. Für die benötigte Infrastruktur sind die Verteilung (zentral/dezentral) und der Ort (Erzeugungsort/Verbrauchsort) der H2-Erzeugung besonders relevant. Die infrastrukturellen Herausforderungen bei erneuerbarem Wasserstoff bestehen vor allem darin, die H2-Erzeugung mit erneuerbarem Strom zu gewährleisten, ohne dass dies auf Kosten der Dekarbonisierung anderer Stromanwendungen geht. Die geplante Elektrifizierung von Mobilität und Wärme/Kälte führt bereits zu einem hohen Bedarf an klimaneutralem Strom. 

Die infrastrukturelle Herausforderung des Ausbaus erneuerbaren Wasserstoffs liegt damit in der Zusätzlichkeit des eingesetzten Stroms aus Erneuerbaren. Hiermit zusammenhängend sind auch der Ausbau der Stromnetzkapazitäten vom Ort der Stromerzeugung zum Elektrolyseur zu nennen. Die benötigten Strommengen für die H2-Elektrolyse sind beträchtlich. Insofern besteht ein gewisser Druck, nicht nur Elektrolyse-H2 zu verwenden, sondern (gerade in der Anfangszeit) auch blauen Wasserstoff, bei welchem die CO2-Emissionen abgeschieden und gespeichert werden, zu nutzen und / oder noch stärker auf Importe zu setzen. 

Für die Nordseeanrainerstaaten Belgien, Deutschland und Niederlande sind auch (floating) Offshore Wind-Projekte auf hoher See von großem Interesse, um den benötigten Strom zu liefern. In einer Machbarkeitsstudie für Deutschland und die Niederlande wurde eine signifikante Produktion ab 2035 festgestellt, wenn 10 bis 50 % des Stroms aus Offshore-Windkraftanlagen in Wasserstoff umgewandelt würden [7]. Bis 2050 könnte die jährliche H2-Produktion aus Offshore-Windenergie 54-139 TWh (1,62-4,17 Mt) in den Niederlanden und 37-100 TWh (1,11-3,00 Mt) in Deutschland erreichen. Mit der perspektivischen H2-Erzeugung aus Offshore-Windenergie im Jahr 2050 könnte der H2-Verbrauch in der Höhe gedeckt werden, die im Mittel in der letzten Dekade in NWE anfiel. 

Im Gegensatz zur Produktion von Wasserstoff per Elektrolyse, bei der die größten Herausforderungen der eigentlichen H2-Erzeugung vorgelagert sind, besteht die Herausforderung bei blauem und türkisem Wasserstoff in der Handhabung der bei der Erzeugung entstehenden Nebenprodukte. Besonders die Herstellung von blauem Wasserstoff erfordert den Aufbau einer Infrastruktur für CO2. Dies beinhaltet neben dem Bau der entsprechenden CO2-Abscheidungsanlagen auch den Pipelinetransport des Gases, entweder zur dauerhaften unterirdischen Sequestrierung oder zur Nutzung als Rohstoff. Bei türkisem Wasserstoff spielt der vergleichsweise einfache Umgang mit festem Kohlenstoff als Nebenprodukt der Pyrolyse eine Rolle.

Wasserstoffprojekte in Nordwesteuropa

Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) erfasste in einer Studie zur Region Nordwesteuropa öffentlich bekannte Projekte zur Erzeugung von Wasserstoff in den Ländern Belgien und Niederlande sowie in Nordwestdeutschland als direkt angrenzendes Gebiet [8]. Diese Projekte sind über die gesamte Region verteilt. Die meisten befinden sich entlang der Nordseeküste oder in der Nähe großer Verbrauchszentren im deutschen Binnenland, wie dem Rhein-Ruhr-Gebiet oder der Metropolregion Hamburg. 

Die größten geplanten Projekte befinden sich an der nördlichen Küste der Niederlande rund um Groningen mit einem Gesamtproduktionsvolumen von mehr als 15 TWh. NorthH2 ist das größte in Betracht gezogene grüne H2-Projekt mit einer installierten Elektrolysekapazität von insgesamt 4 GW. Weitere Regionen mit bedeutenden Vorhaben sind Rotterdam (5 TWh), Dithmarschen (3 TWh) und Duisburg (2 TWh).  Die vom EWI erfassten Projekte (in Betrieb, geplant und angekündigt) summieren sich zu 39 TWh (1,17 Mt) Wasserstoff. Darunter sind 79 % grün, 13 % blau und der Rest industrielles Nebenprodukt (s. Tab. 1).

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