Diskussion über Klimaschutz-Strategien und sektorenübergreifende Projekte in Köln (vorne v.l.n.r.): Dr. Dieter Steinkamp, Marion Sett und Dr. Sebastian Schulte; im Hintergrund: Franz Lamprecht und Martin Czakainski, „et“

Diskussion über Klimaschutz-Strategien und sektorenübergreifende Projekte in Köln (vorne v.l.n.r.): Dr. Dieter Steinkamp, Marion Sett und Dr. Sebastian Schulte; im Hintergrund: Franz Lamprecht und Martin Czakainski, „et“ (Quelle: RheinEnergie AG)

Dekarbonisierung: Ziele und Strategien

„et“: Der Energiewirtschaft kommt im Kampf gegen den Klimawandel eine Schlüsselrolle zu. Welches Ziel haben Sie sich gesetzt und wie gehen Sie strategisch vor, Herr Dr. Steinkamp?

Steinkamp: Bewusst klimaorientiert ist unser Unternehmen seit mindestens 40 Jahren unterwegs. Bereits Mitte der 1980er-Jahre haben wir ein ein erstes Klimaschutzkonzept für Köln vorgelegt, das konkrete Ziele für die Luftreinhaltung in unserem Einflussbereich benannte. Damals vor allem Stickoxid, Schwefeldioxid und Staub; während der Laufzeit kamen bereits Treibhausgase hinzu. Maßgebend war auch unser Einstieg in die Windkraft im größeren Umfang schon vor 15 Jahren, wichtig ist aber auch die Kraft-Wärmekopplung, die historisch im Unternehmen immer schon eine Rolle gespielt hat. KWK steckt also in unserer Unternehmens-DNA drin. Was die jüngere Vergangenheit betrifft, so haben wir konzeptionell-strategische Pläne für eine umfassende Dekarbonisierung aufgelegt – deutlich weitergehend als bisher für den Wärmemarkt. Wir haben uns dann in einer Mischung aus tiefer Überzeugung und äußerem Anstoß verpflichtet, bis 2035 unser gesamtes Geschäft klimaneutral auszugestalten. Ursprünglich war das bis 2040 geplant.

Für diese sehr anspruchsvolle Zielsetzung haben wir einen konkreten Plan hinterlegt. Besonders für die nächsten fünf Jahre haben wir sehr genau definierte Vorstellungen darüber, was wir realisieren wollen, um erheblich zur Dekarbonisierung im Raum Köln beizutragen – also fossile Energierzeugung zu ersetzen durch saubere und nachhaltige Lösungen. Das ist komplex, weil wir nicht nur bei den Haushalten Wärmekunden haben, sondern auch die Industrie mit Wärme, Strom, Prozessdampf oder Druckluft versorgen. Technologisch und wirtschaftlich ist das nochmals eine andere Dimension.

„et“: Wie packt ein Wohnungsunternehmen das Thema Klimaneutralität an? Wie sind Sie unterwegs, Frau Sett?

Sett: Seit den 1990er Jahren investiert die Wohnungswirtschaft erhebliche Mittel in die energetische Sanierung. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus, um Klimaneutralität herzustellen. Die Wohnungswirtschaft ist intensiv dabei, technische Konzepte für die Erreichung der Klimaneutralität zu entwickeln. Hierzu schauen wir uns zunächst einmal die Bestände an. Diese stammen in großer Menge aus den 1950er/60er/70er-Jahren, die also vergleichsweise sehr hohe Energieverbräuche aufweisen. Bisher waren wir stark auf Effizienz ausgerichtet, heute geht es um CO2-Reduzierung. Wir müssen uns also neu ausrichten und unsere bisherigen technischen Lösungsansätze überprüfen. Zu Beginn unserer Klimastrategie stand die Erstellung einer CO2-Bilanz. Daraus werden nun Investitionsprogramme und Finanzierungswege entwickelt.

Wir haben unsere erste CO2-Bilanz im letzten Jahr abgeschlossen. Wenn man sich die Zahlen einmal ansieht – 50.000 t CO2 pro Jahr für unseren gesamten Bestand −, sind diese schon gewaltig. Das sind im Schnitt 33 kg pro m2 Wohnfläche und Jahr. Diese Daten sind für uns ein erster Eckpunkt. Die Aufgabe ist groß: Unser Ziel Klimaneutralität herzustellen liegt bei ca. 7 kg pro m2 Wohnfläche, der Weg dorthin ist mit hohen Investitionen verbunden. Sie können sich vorstellen, welchen Spagat in Bezug auf bezahlbares Wohnen wir bewerkstelligen müssen. Ohne Förderung wird das nicht gelingen.

„et“: Klimaschutz in der Industrie bedeutete in der Vergangenheit hauptsächlich Effizienzverbesserung in der Produktion. Um welche Ziele geht es in Ihrem Unternehmen heute, Herr Dr. Schulte?

Schulte: Wir nehmen das Klimathema sehr ernst und haben in den letzten vier Jahren über 120 Mio. € in Technologien und Start-ups für den Klimaschutz investiert. 2021 haben wir etwa 160.000 Motoren für den Offhighway-Bereich (Bau-, Landmaschinen, Generatoren etc.) verkauft – 1,6 Mrd. € Umsatz inklusive Servicegeschäft. Wir haben uns als Vision gesetzt, dass wir bis 2031 die Hälfte unseres Umsatzes mit grünen Systemen generieren. Eine Vision, die aber auch stark von exogenen Faktoren wie der Preisentwicklung von fossilen Brennstoffen oder der Verfügbarkeit von Wasserstoff abhängt.

Soviel zur Absatzseite. In der Produktion haben wir an vielen Standorten Prozesse aufgesetzt, die zu einer deutlichen CO2-Einsparung führen. Alle unsere Produktionsstandorte beziehen mittlerweile Ökostrom. Zudem setzen wir auch auf regenerative Eigenerzeugung und haben in Köln eine erste PV-Dachanlage in Betrieb genommen. In Spanien und Marokko nutzen wir das auch, natürlich mit deutlich ergiebigeren Resultaten. Das sind kleine Bausteine, die aber in Summe dazu führen, dass sich die Emissionsbilanz unserer Produktion signifikant verbessert hat – konkret haben wir die CO2 Emissionen unserer Produktionsstandorte in 2021 um 55 % gegenüber 2019 gesenkt.

Grüne Standbeine – neue Geschäftsfelder für den Klimaschutz

„et“: Nach den Zielen und Strategien ein Schritt weiter in die Praxis: Auf welchen Standbeinen steht Ihr Klimaschutzengagement, Herr Dr. Steinkamp?

Steinkamp: Fundamental ist für uns, Strom und Wärme grüner zu machen. Wir bieten unseren Privat- und Gewerbekunden seit diesem Jahr 100 % Ökostrom an, mit HKN-Zertifikaten und ohne Preisaufschlag. Im Wärmesektor haben wir früher hauptsächlich in kleineren Wohneinheiten mit BHKW agiert. Heute offerieren wir für große Quartiere mit 300 Wohneinheiten und mehr komplette Energielösungen. Diese Konzepte basieren auf integrierten Ansätzen mit Luft- und Erdwärmepumpen, die mit selbst produziertem Ökostrom auf dem Dach betrieben werden. Unter Einbindung von Elektromobilität und KI-basierten Algorithmen zur Effizienz-Optimierung. Dabei hilft uns, dass wir eine eigene Tochterfirma haben, die führend ist auf dem Sektor Hochtemperatur- und Großwärmepumpen. Eine effiziente Lösung bietet unsere zentrale Wärmeversorgung auf Basis der vorhandenen KWK-Kraftwerke und Fernwärmenetze. Dort planen wir, Erdgas sukzessive durch Wasserstoff zu ersetzen – ein Prozess, der sich aufgrund der aktuellen geopolitischen Situation noch einmal beschleunigen wird.

Ein weiteres – stark wachsendes – grünes Standbein sind unsere Investitionen in große Wind- und Solarparks. Wir verfügen in diesem Bereich heute über 250 MW eigener Leistung. Das bauen wir konsequent weiter aus: Als Teil der von uns gemeinsam mit der Stadt und der Handwerkskammer Köln initiierten Solarinitiative Köln wollen wir Tempo machen und große Potenziale selbst oder über Partner nutzen, unser Beratungszentrum ist aktuell im Bau, online sind wir seit einem halben Jahr am Start. Es gibt aber nach wie vor große Herausforderungen. Was bei Ein- und Zweifamilienhäusern noch möglich und machbar erscheint – Wärmepumpe, PV auf dem Dach, Speicher – ist in einem hochverdichteten Ballungsraum mit vielgeschossigen Gebäuden nicht ohne Weiteres umsetzbar, weil dort meist die Fläche außer für die PV dafür nicht ausreicht.

„et“: Was sehen Sie aktuell als größte Herausforderung an?

Steinkamp: Die Sektorenkopplung bei Energiedienstleistungen im weitesten Sinne mit Schwerpunkt in den Quartieren ist noch Zukunftsmusik. Wo wir also Strom, Wärme, Elektromobilität, Datenhaltung, Datenmanagement in Verbindung mit dezentraler Erzeugung, im Wesentlichen PV auf dem Dach, kombinieren und vor dem Hintergrund der konkreten Nachfragesituation optimieren. Das müssen wir aber nicht nur technologisch, sondern auch hinsichtlich Kostenwirkungen und Kundennutzen spiegeln. Die genannten Komponenten miteinander zu verknüpfen, ist gegenwärtig sicherlich unsere größte Herausforderung. Da brauchen wir auch Allianzen, in die wir unser Know-how in Sachen Quartiere gerne einbringen.

„et“: Bleiben wir beim Stichwort innovative Technologien: Wie sieht es damit bei den Antriebssystemen aus, Herr Dr. Schulte?

Schulte: Was die Technologien betrifft, setzen wir bei den kleineren Anwendungen, (Gabelstapler, Bagger) bis 50 kW, potenziell auch 100 kW, klar auf Elektrifizierung. Für Maschinen mit größeren Leistungen ist der elektrische Antrieb keine erfolgversprechende Lösung, weil man dafür sehr große Batterien braucht. Deshalb setzen wir in diesen Größenklassen auf Wasserstoff.

Der Wechsel auf die neuen Technologien stellt jedoch eine große Herausforderung dar. Die vorhandene Infrastruktur ist noch nicht darauf ausgerichtet. Wir müssen bei den neuen Produkten den Kunden auch eine Lösung für das Thema Laden und Speichern anbieten. Ein erster Schritt ist der sog. PowerTree, wo wir mehrere Batterien über eine Steuerung kombinieren und damit eine große mobile Ladestation entwickelt haben, die wir auf die Baustelle bringen. Die ersten Kleinserien laufen.

„et“: Welche Arbeitsfelder und Herausforderungen dabei stehen für Sie im Mittelpunkt, Frau Sett?

Sett: Typisch für die Wohnungswirtschaft ist, dass wir in einem Spannungsfeld stehen. Auf der einen Seite die Transformation hinzubekommen zu regenerativen Energien, auf der anderen Seite das Ganze aber für unsere Mieter bezahlbar zu halten. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und genauso wenig verhandelbar wie Klimaschutz. Was uns vor besondere Herausforderungen stellt, ist nicht der Neubau, denn dort planen wir den Klimaschutz entsprechend schon ein. Die Herausforderung ist der Bestand, der den Hauptteil der Gebäude ausmacht.

Neben den großen Investitionsprogrammen streben wir kurzfristig an, den CO2-Ausstoß, der jetzt noch durch fossile Energie im Bestand entsteht, zu reduzieren. Wir beschäftigen uns damit, wie wir unsere bestehenden Anlagen optimieren können. Dabei versuchen wir, unsere Daten über die Heizungs- und Warmwasseranlagen zielgerichtet auszuwerten und steuernd auf Verbräuche einzuwirken. Hierzu schauen wir uns selbst Schornsteinfegerprotokolle und auch die Wartungsprotokolle genauer an. Wir nehmen durch entsprechende Information auch die Mieter mit und regen zur Energieeinsparung an. Dadurch können wir heute schon an die 10 % Energieverbrauch im Bestandsbereich einsparen, vielleicht auch mehr. Und was die Fernwärme betrifft, ist für uns enorm wichtig, dass wir damit einen Energieträger bekommen, der bereits grün ist und wir uns um andere noch gasbetriebene Objekte kümmern können.

Steinkamp: Das sehen wir als Dienstleistungspartner genauso. Unsere Investition in die grüne Fernwärme ist ja eine, die wir quasi für den Vermieter tätigen. Deshalb ist es wichtig, das ganze einmal betriebswirtschaftlich gemeinsam zu durchdenken. Damit für beide Seiten beste Lösungen entstehen. Dazu gehört eine gute vertragliche Grundlage für die Fernwärme, wie sie zurzeit zwischen uns und der Wohnungswirtschaft ausgehandelt wird.

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