Investoren müssen in der Lage sein, einen Business Case zu entwickeln

Abb. 4: Übersicht regulatorischer und politischer Maßnahmen mit Auswirkungen auf Sektorkopplungstechnologien (Quelle: Frontier Economics [9])

Abb. 4: Übersicht regulatorischer und politischer Maßnahmen mit Auswirkungen auf Sektorkopplungstechnologien (Quelle: Frontier Economics [9])

Um die Dekarbonisierung des Gassystems zu gewährleisten und die Energieflexibilität weiterhin zu stärken, müssen private Investoren in der Lage sein, Business Cases für entsprechende Investitionen zu entwickeln. Dem können jedoch verschiedene regulatorische bzw. politisch bedingte Hürden im Weg stehen, die aus vier Bereichen stammen können:

  • technische Regulierungen;
  • wirtschaftliche Regulierungen;
  • Vorgaben zur Versorgungssicherheit (Security of Supply, SoS) und Flexibilität sowie
  • klimapolitische Regeln.

Dabei ist zu bedenken, dass die Einnahmequellen für Investoren entweder kommerzieller oder regulierter Natur sein können:

  • Kommerziell – Ein Teil der Einnahmen kann sich auf unregulierte kommerzielle Aktivitäten beziehen. Im Rahmen der Sektorkopplung könnte dies z.B. eine Wasserstoff-Elektrolyseanlage sein, die auf dem Gelände eines gewerblichen Endverbrauchers, z.B. einer Chemieanlage, installiert ist und Energie sowie Wasserstoff als Feedstock für chemische Produktion liefert.
     
  • Reguliert – Ein Teil der Einnahmen kann sich auf regulierte Tätigkeiten beziehen (z.B. eine Gasmischanlage oder eine auf Systemebene betriebene Power-to-Gas-Anlage, die Strom- und Gasübertragungsnetzbetreiber miteinander verbindet; eine solche Anlage kann in Phasen hoher volatiler Stromeinspeisung Strom entnehmen und in Gas umwandeln).

Abb. 4 (Übersicht regulatorischer und politischer Maßnahmen mit Auswirkungen auf Sektorkopplungstechnologien) verdeutlicht, dass Einnahmen aus beiden Quellen nötig sein können, um bestimmte gesellschaftlich wünschenswerte technologische Lösungen privatwirtschaftlich rentabel zu machen. Hier könnte eine PtG-Anlage als Beispiel dienen, die auf Systemebene (zwischen Strom- und Gas-TSOs) arbeitet, aber auch einen Industriekunden beliefert, der einen Teil des in der PtG-Anlage hergestellten Wasserstoffs für seinen Produktionsprozess abnehmen könnte. Eine zentrale Herausforderung in solchen Fällen besteht darin, eine Kombination aus rein kommerziellen und regulierten Einnahmen unter Einhaltung der EU-Regularien wie jener zum Unbundling zu ermöglichen.

Wie kann die Politik Business Cases unterstützen?

Die Politik kann Business Cases für ökologisch erwünschte Investitionen in Gastechnologien unterstützen, indem sie

  • den positiven Klimabeitrag von kohlenstoffarmem oder treibhausgasneutralem Gas monetär entlohnt;
  • gewährleistet, dass Tarife, Steuern und Abgaben den Wettbewerb zwischen Strom und Gas sowie zwischen verschiedenen Gasen nicht verzerren („Level-Playing-Field“);
  • eine koordinierte Infrastrukturplanung zwischen Gas und Strom sowie zwischen der Übertragungs- und der Verteilnetzebene sicherstellt; und
  • die Integrität des europäischen Gasbinnenmarktes wahrt.

Entlohnung des positiven Klimabeitrags von Gas

Die derzeit stark fragmentierte europäische Energie- und Klimapolitik reflektiert die positiven Auswirkungen von erneuerbaren oder kohlenstoffarmen Gasen nicht systematisch:

  • Das EU-Emissionshandelssystem (ETS) umfasst praktisch keine Emissionen aus Gebäuden und Verkehr (außer dem innereuropäischen Flugverkehr). Die Entscheidung über eine finanzielle Belastung von Treibhausgasemissionen in diesen Sektoren liegt weitestgehend bei den Mitgliedstaaten.
  • Der Anwendungsbereich der Renewable Energy Directive II (RED II) umfasst keine Gase, die zwar nicht aus erneuerbaren Energien, aber dennoch kohlenstoffarm gewonnen werden (z.B. Wasserstoff aus Erdgas über Dampfreformation in Verbindung mit Carbon Capture).

Politische Entscheidungsträger müssen sich auf die richtige Mischung aus Anreizen für erwünschtes Verhalten (z.B. durch Vergütungen oder Subvention von Technologien zur Erzeugung treibhausgasneutraler oder kohlenstoffarmer Gase) und Pönalen für unerwünschtes Verhalten (z.B. der Bepreisung von CO2) einigen und dabei sicherstellen, dass Messung und Bewertung der verschiedenen Umweltattribute in den einzelnen Sektoren und idealerweise in allen Mitgliedstaaten einheitlich sind [10].

Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen

Anders als beim CO2-Preis, der eine explizite beabsichtigte Lenkungswirkung hat, sind viele andere Abgaben und Steuern nicht darauf ausgerichtet, ein bestimmtes Verhalten zu beanreizen. Vielmehr dienen diese dazu, irreversibel entstandene Kosten zu amortisieren – wie z.B. bei der Umlage der Subventionen für erneuerbare Energien.

Die Art und Weise einer derartigen Kostenwälzung – beispielsweise zur Finanzierung von erneuerbaren Energien – kann den Wettbewerb verzerren. Dies ist insbesondere bei verschiedenen Gasen der Fall. Der in PtG-Anlagen verbrauchte Strom wird heute in vielen europäischen Ländern [11] als Endverbrauch betrachtet, d.h. er ist steuer- und abgabenpflichtig. Im Gegensatz dazu werden bei anderen Gasen (z.B. Biomethan) keinerlei staatlich administrierten Zuschläge wie Energiesteuern und Abgaben erhoben.

Eine weitere Herausforderung betrifft die Frage, inwieweit Kosten für historische Gasnetzinvestitionen in einem Szenario mit rückläufiger Gasnachfrage – z.B. als Folge von Emissionsminderungsmaßnahmen – gedeckt werden können. Würde in einem solchen Szenario eine einfache Weitergabe der durchschnittlichen Netzkosten (einschließlich der „versunkenen Kosten“, d.h. der mit Altinvestitionen verbundenen Kosten, die unwiderruflich entstanden und nicht verbrauchsabhängig sind) an den Nutzer erfolgen, so würde dies zu steigenden Gasnetztarifen führen.

Dies kann die Nutzung der Gasinfrastruktur für den Transport treibhausgasneutraler oder kohlenstoffarmer Gase weniger attraktiv machen und behindern, auch wenn eine solche Transporttätigkeit gesellschaftlich wünschenswert wäre. Besser wäre es, wenn die Netznutzungsentgelte die zusätzlichen (statt die durchschnittlichen) Nutzungskosten reflektierten, die von der jeweiligen Netznutzung ausgehen. Gäbe es keine Notwendigkeit für Neuinvestitionen in das Netz, so würde dies zu deutlich niedrigeren Entgelten führen. Es ist daher notwendig, die Entgeltstrukturen ganzheitlich zu betrachten.

Sicherstellung einer koordinierten Infrastrukturplanung

Die Verbände der Fernleitungs- bzw. Übertragungsnetzbetreiber für Gas und Strom ENTSOG und ENTSO-E führen mittlerweile eine gemeinsame Szenarienplanung durch und entwickeln ein integriertes Gas- und Strommodell. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer besser koordinierten Energieinfrastrukturplanung. Jedoch müssen die Regulierungsbehörden ebenfalls sicherstellen, dass Netzbetreiber die richtigen Anreize erhalten. Anstatt also Investitionen in Anlagen zu fördern, für welche die jeweiligen Betreiber verantwortlich sind (Gas oder Strom), sollten Maßnahmen gefördert werden, die zu einer Senkung der Gesamtsystemkosten führen, auch wenn dies bedeutet, dass ggf. stärker in die Infrastruktur des einen Energieträgers (Strom oder Gas) investiert wird.

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