Anstieg der Rohstoffpreise erhöht die Grenzkosten der Stromerzeugung

Abb. 3: Durchschnittliche Merit-Order im Jahr 2020 (links) und 2021 (rechts) (auf Basis des EWI Merit-Order Tools)

Abb. 3: Durchschnittliche Merit-Order im Jahr 2020 (links) und 2021 (rechts) (auf Basis des EWI Merit-Order Tools)

Abb. 4: Monatliche Grenzkosten konventioneller Kraftwerke 2019-2021

Abb. 4: Monatliche Grenzkosten konventioneller Kraftwerke 2019-2021

Die gestiegenen Preise für Brennstoffe sowie CO2-Emissionszertifikate führen unmittelbar zu höheren Grenzkosten von Gas- und Kohlekraftwerken. Kraftwerke bieten in der Day-Ahead-Auktion ihre Erzeugungsleistung zum Preis ihrer Grenzkosten für den folgenden Tag an. Es ergibt sich für jede Stunde eine Angebotskurve, die sogenannte Merit-Order [5] der Kraftwerke. Je günstiger ein Kraftwerk produziert, desto weiter vorne befindet es sich in der Einsatzreihenfolge. Wird die Erzeugungsleistung eines Kraftwerkes benötigt, um die Stromnachfrage der jeweiligen Stunde zu decken, erhält dieses Kraftwerk einen Zuschlag. Die Grenzkosten des teuersten noch bezuschlagten Kraftwerks determinieren den Strompreis (Abb. 3) [6].

Kohlekraftwerke und erneuerbare Energien profitieren

Im Jahr 2021 waren Gaskraftwerke oftmals preissetzend, da sie aufgrund der hohen Gaspreise die teuerste Kraftwerkstechnologie darstellten. Das heißt, dass die Grenzkosten von Gaskraftwerken einen zentralen Treiber der Strompreise ausmachten. Generell lagen die durchschnittlichen Grenzkosten konventioneller Technologien im Jahr 2021 auf einem deutlich höheren Niveau als in vergangenen Jahren, jedoch stiegen die Grenzkosten für Gaskraftwerke am deutlichsten. Während im Jahr 2020 eine Megawattstunde Strom aus einem Gaskraftwerk mit elektrischem Wirkungsgrad von 50 % im monatlichen Durchschnitt zu maximal 51 € erzeugt wurde, betrugen die Grenzkosten für dieselbe Erzeugungstechnologie im Jahr 2021 bis zu 262 €/MWh.

Die Treiber hinter dem Anstieg der Grenzkosten waren die hohen Gaspreise sowie das Rekordniveau der CO2-Zertifikatspreise. Die Kosten für Emissionszertifikate machen dabei allerdings nur einen vergleichsweise geringen Anteil der Grenzkosten aus. Im Dezember 2021 lag der Anteil der Brennstoffkosten an den Grenzkosten der Gasverstromung bei durchschnittlich ca. 88 %. Hauptverantwortlich für den Strompreisanstieg ist folglich der Anstieg der Gaspreise.

Aufgrund der höheren Emissionsintensität spielt der Preis für Emissionszertifikate bei der Entwicklung der Grenzkosten von Kohlekraftwerken eine größere Rolle. Allerdings war der kostensteigernde Effekt durch den Preis für Emissionszertifikate bei Kohlekraftwerken kleiner als der Anstieg der Grenzkosten der Gaskraftwerke: Im Jahr 2021 konnte Strom durchschnittlich günstiger aus Braun- und Steinkohle produziert werden als aus Erdgas. Daher sind Kohlekraftwerksbetreiber neben den Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen (sofern diese ihren produzierten Strom an der Börse vermarkten) die Hauptprofiteure des Strompreisanstiegs. Das wird auch bei Betrachtung der Entwicklung des deutschen Stromerzeugungsmixes deutlich: 2020, als Erdgas historisch günstig war, lag der Anteil von Stein- und Braunkohle an der deutschen Stromerzeugung bei ca. 24 %, 2021 bei ca. 30 % (Abb. 4) [1]..

Unterdurchschnittliche Einspeisung aus Erneuerbaren verstärkt die Effekte

Die Rekordpreise im Stromgroßhandel sind vorwiegend auf die Entwicklungen am Gasmarkt und in geringerem Maße auf den Steinkohlepreis sowie den Anstieg des Preises für Emissionszertifikate zurückzuführen. Rekordpreise für Gas, Steinkohle sowie Emissionszertifikate erhöhten unmittelbar die Grenzkosten der Stromerzeugung.

Gestützt wurde die Preisentwicklung von zusätzlichen Entwicklungen. Zum einen fiel die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen im Jahr 2021 mit 215 TWh (ohne Pumpspeicher) niedriger aus als in den Vorjahren (2020: 233 TWh; 2019: 224 TWh) [1] Dazu kommen Entwicklungen im europäischen Ausland, die aufgrund des grenzüberschreitenden Stromhandels ebenfalls die Preise gestützt haben: bspw. Großbritannien verzeichnete in der zweiten Hälfte des Jahres unterdurchschnittliche Erzeugung aus Windenergieanlagen und in Frankreich fielen gegen Ende des Jahres vier Atomreaktoren mit jeweils 1,5 GW installierter Leistung aus.

Eine Entspannung der Großhandelsstrompreise war im Januar 2022 noch nicht in Sicht. Die europäischen Gaspreise verbleiben in Anbetracht niedriger Speicherfüllstände und geopolitischer Spannungen auf hohem Niveau. Ob die Strompreise kurz- und mittelfristig sinken, hängt maßgeblich von den Entwicklungen des Gasmarktes ab. Langfristig dürften darüber hinaus die weitere Stilllegung von Kern- und Kohlekraftwerken sowie der Zubau von erneuerbaren Energien die Preisbildung am Strommarkt verändern.

Weiterführende Analysen finden sich in der EWI-Kurzanalyse „Strompreis im Jahr 2021 auf Rekordniveau – Wie Rekordpreise für Erdgas die Strompreise im Großhandel getrieben haben“ [7].

Quellen und Anmerkungen

[1] Bundesnetzagentur | SMARD.de, https://www.smard.de
[2] EEX Transparency: Gas Spot Market TTF EGSI, https://www.eex-transparency.com/natural-gas/
[3] Ember: Daily Carbon Prices, https://ember-climate.org/data/carbon-price-viewer/
[4] MarketWatch: Coal (API2) CIF ARA Continuous Contract, https://www.marketwatch.com/investing/future/mtfc00/charts
[5] Die durchschnittliche Merit-Order für das Jahr 2021 lässt sich mit Hilfe des EWI-Merit Order Tools ermitteln. Mit dem Excel-basierten Tool können Entwicklungen auf dem deutschen Strommarkt und deren Wirkung auf die Merit-Order untersucht werden. Das Tool kann gratis von der Website des EWI heruntergeladen werden: https://www.ewi.uni-koeln.de/de/publikationen/ewi-merit-order-tool-2022
[6] Diese vereinfachte Beschreibung der Preisbildung abstrahiert von den weiteren Stufen des Strommarktes wie dem Termin- oder Intraday Handel, sowie dem Einfluss von grenzüberschreitendem Handel auf die Preisbildung.
[7] Çam, E.; Arnold, F.; Gruber, K.: Strompreis im Jahr 2021 auf Rekordniveau − Wie Rekordpreise für Erdgas die Strompreise im Großhandel getrieben haben. Eine Analyse mit dem EWI Merit-Order Tool, Januar 2022, https://www.ewi.uni-koeln.de/cms/wp-content/uploads/2022/01/EWI_Kurzanalyse_Strompreise_20220105.pdf

F. Arnold, Senior Research Associate, K. Gruber, Research Analyst, E. Çam, Manager, Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI), eren.cam@ewi.uni-koeln.de

Beitrag als PDF downloaden


Aktuelle Zukunftsfragen Archiv Zukunftsfragen

3 / 3

Ähnliche Beiträge