Grüner Wasserstoff als Basis für nachhaltig produzierten Stahl

Abb. 1: Entwicklung des CO2-Preises sowie der Wasserstoffbereitstellungskosten je Szenario

Abb. 1: Entwicklung des CO2-Preises sowie der Wasserstoffbereitstellungskosten je Szenario

Abb. 2: Vergleich der Stahlproduktionskosten für die verschiedenen Szenarien

Abb. 2: Vergleich der Stahlproduktionskosten für die verschiedenen Szenarien

Aufgrund des signifikanten Ausstoßes von CO2-Emissionen sowie der technologisch innovativen und vorrausschauend wirtschaftlichen Möglichkeit, Wasserstoff im Rahmen der sog. Direktreduktion im Erzeugungsprozess zu verwenden, wurde das Potential von grünem Wasserstoff in der Stahlerzeugung detailliert analysiert. Dabei wurde angenommen, dass die grundsätzliche technische Einsetzbarkeit von Wasserstoff in der Direktreduktion gegeben ist.

Für die Modellierung wurde eine Beispielanlage mit einer Jahresproduktion von 2 Mio. t Rohstahl sowie ein Direktreduktionsprozess mit einem Eisenschwammanteil von 95 % und einem Stahlschrottanteil von 5 % angenommen. Der Betrachtungsfokus liegt auf dem reinen Erzeugungsprozess von 1 t Rohstahl. Vorbearbeitungen des Stahls wie das Pelletieren des Eisenerzes, Nachbearbeitungen wie Veredelungen und entstehende Nebenprodukte sind demnach in den Rechnungen nicht enthalten. Anhand der übergreifenden und fallspezifischen Annahmen (u.a. Rohstoff- und Energiekosten) wurden die Kostenverläufe für die Erzeugung einer Tonne Rohstahl mithilfe von Wasserstoff sowie für die bedeutendsten fossilen Alternativen bis 2050 erstellt. Die Ergebnisse für die drei Szenarien sind in Abb. 2 dargestellt.

Im ersten Szenario wird die Direktreduktion mittels grünen Wasserstoffs bis Ende des Betrachtungszeitraums aus wirtschaftlicher Sicht nicht mit der Hochofenroute mit Kohle und der Direktreduktion mit Erdgas mithalten können. Die in diesem Szenario angenommene CO2-Bepreisung von 67 €/t im Jahr 2030 und 80 €/t im Jahr 2050 ist zu niedrig, um die hohen Kosten für grünen Wasserstoff von über 4 €/kg in 2030 (3 €/kg in 2050) auszugleichen.

Dahingegen kann in Szenario 2 Kostenparität erreicht werden. Aufgrund des höheren CO2-Ausstoßes der kohlebasierten Hochofenroute im Vergleich zur Direktreduktion mit Erdgas wird grüner Wasserstoff zuerst gegenüber Kohle und später auch gegenüber Erdgas wettbewerbsfähig. Die Kosten für die Produktion einer Tonne Rohstahl mithilfe von grünem Wasserstoff liegen dabei im Jahr 2039 bei 402 €.

Szenario 3 nimmt an, dass die CO2-Preise aufgrund der abnehmenden Anzahl freier Emissionszertifikate und möglicher politischer Maßnahmen im Jahr 2030 auf 133 €/t und im Jahr 2050 auf 200 €/t steigen. Falls gleichzeitig rapide technologische Entwicklungen in der Wasserstoffproduktion gelingen und damit Produktionskosten von 1,9 €/kg im Jahr 2030 und 1,1 €/kg Wasserstoff im Jahr 2050 realisiert werden können, kann sich grüner Wasserstoff schon relativ zeitnah in der Stahlproduktion durchsetzen. Der Rohstahlpreis pro Tonne wird gemäß dieses Szenarios im Jahr 2034 für grünen Wasserstoff etwa 366 € betragen, wohingegen Kohle mit 395 €/t deutlich darüber liegt.

Angesichts der aktuellen politischen Lage und den zunehmenden Nachhaltigkeitsbestrebungen in Gesellschaft und Wirtschaft ist Szenario 1 als eher unwahrscheinlich anzusehen. Mit zunehmender Ausprägung der Nachhaltigkeitsbemühungen sowie der Forschungen und Investitionen im Bereich Wasserstoff bewegen wir uns aktuell zwischen dem zweiten und dritten Szenario, sodass grüner Wasserstoff schon ab Anfang bis Mitte des kommenden Jahrzehnts den günstigsten Brennstoff für die Erzeugung von Rohstahl darstellen kann.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die vorliegende Analyse eine reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung umfasst. Für ein ganzheitliches Bild müssen weitere Einflüsse betrachtet werden. Beispielsweise wird das Problem des Carbon Leakage nicht analysiert. Dies bezeichnet die Gefahr, dass Unternehmen ihre Produktion in andere Länder verlegen, um somit durch Klimamaßnahmen verbundene Kosten zu vermeiden und kann sogar einen Anstieg der Gesamtemissionen zur Folge haben. Diese und weitere Faktoren müssen von der Politik zusätzlich zur reinen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung adressiert werden.

Wirtschaftlichkeitsanalyse weiterer Anwendungsfälle

Neben der Anwendung in der Stahlerzeugung wurden detaillierte Analysen nach der gleichen Methodik für den Einsatz von grünem Wasserstoff in der Mobilität und der Wärme durchgeführt. Die Ergebnisse der jeweiligen Analysemodelle zur Wirtschaftlichkeitsberechnung werden im Folgenden zusammengefasst.

Fossile Antriebe werden mittelfristig aus dem ÖPNV verschwinden

Die Analyse des Einsatzes von Wasserstoff im ÖPNV basiert auf einer Modellierung der Total Costs of Ownership (TCO) für Busse der Antriebstechnologien Diesel, Erdgas, Batterieelektrizität (BEV) und Wasserstoff (FCEV). Stromleitungsbusse wurden aufgrund der benötigten aufwendigen Infrastruktur nicht in die Analyse einbezogen. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die TCO auf Kosten pro km normiert. Betrachtet wurden 12 m lange Nahverkehrsbusse (Solobusse) im innerstädtischen Betrieb mit einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 60.000 km und einer Abschreibung über 12 Jahre. Auch die benötigte Tank- bzw. Ladeinfrastruktur wurde hinsichtlich der Kosten berücksichtigt. Es wurde angenommen, dass die Busse zwischen den Betriebszeiten getankt bzw. geladen werden. Lohnkosten für Busfahr- oder Tank- bzw. Ladepersonal wurden in allen Fällen nicht in die Rechnung miteinbezogen.

Das Modell zeigt, dass in diesem Anwendungsfall grüner Wasserstoff in Szenario 1 und 2 zwar einen Kostenvorteil gegenüber konventionellen Antriebsformen erreichet, nicht jedoch gegenüber den elektrisch betriebenen Bussen. Im ersten Szenario liegt der Schnittpunkt zu den konventionellen Antriebsformen im Jahr 2042. Zu diesem Zeitpunkt betragen die Kosten pro km Fahrleistung für einen FCEV-Bus 1,22 €/km. Im mittleren Szenario liegen die Kosten für FCEV mit 1,23 €/km im Jahr 2035 erstmals unter denen der fossilen Alternativen. Die Kosten der BEV-Busse liegen zu diesem Zeitpunkt jedoch bei lediglich 1,04 €/km.

Gemäß Szenario 3 kann der Busbetrieb mittels grünen Wasserstoffs bereits innerhalb der nächsten zehn Jahre günstiger als mit konventionellen Antriebsformen erfolgen. Den absoluten Kostenvorteil gegenüber batterieelektrischen Bussen erreichen sie jedoch erst im Jahr 2040 mit Kosten von 1,11 €/km. Darüber hinaus eignen sich Wasserstoffbusse aufgrund ihrer hohen Energiedichte insbesondere für den Einsatz bei längeren Distanzen, wie z.B. bei außerstädtischen sowie überregionalen Fahrtrouten.

Zeitnah vermehrt FCEV-Lastkraftwagen auf Autobahnen zu erwarten

Im zweiten Mobilitätsanwendungsfall wurden die TCO von LKW (normiert auf Kosten pro km) mit unterschiedlichen Antriebstechnologien untersucht. Betrachtet wurde der Einsatz von Sattelzügen im Fernverkehr mit einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 130.000 km und einer Abschreibungsdauer von zehn Jahren sowie die benötigte Tank- bzw. Ladeinfrastruktur. Für die Kostenparität von FCEV zu konventionellen Antrieben sind insbesondere der Zugang zu einer Tankinfrastruktur und die technologische Reife bzw. generelle Verfügbarkeit der Brennstoffzellentechnologie bei LKW entscheidend. Im Modell wurden diese Voraussetzungen als gegeben angenommen. Personalkosten wurden auch in diesem Anwendungsfall nicht berücksichtigt.

Gemäß Szenario 1 erreichen batteriebetriebene LKW trotz der benötigten großen Batteriepakete als erstes Kostenparität mit den fossilen Alternativen. Anschließend fallen die Kosten für FCEV allerdings stärker, sodass diese ab 2034 mit 0,73 €/km die kostengünstigste Alternative darstellen. Diese Entwicklung ist maßgeblich durch die höhere Energiedichte von Wasserstoff getrieben.

Im mittleren Szenario kann erwartet werden, dass FCEV-LKW mit Gesamtkosten von 0,77 €/km im Jahr 2026 die wirtschaftlichste Alternative darstellen. In Szenario 3 wird die Kostenführerschaft von grünem Wasserstoff bereits ab 2022 erreicht.

Wasserstoffheizungen vorerst zu teuer

Für die Modellierung des Anwendungsfalls Wärme wurde ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit 140 m2 Wohnfläche betrachtet und basierend auf verschiedenen Parametern wie beispielsweise der angenommenen Brenn- und Heizwerte eine Modellierung der Heizkosten (inklusive Investitionskosten) für Heizung und Warmwasser durchgeführt. Als Alternativen zur Brennwertheizung unter dem Einsatz von Wasserstoff wurden Öl und Erdgas sowie Fernwärme, Wärmepumpen und Solarthermie untersucht.

Die Analyse ergibt, dass ohne Fördermöglichkeiten im gesamten Betrachtungszeitraum des ersten Szenarios keine Wirtschaftlichkeit von Brennwertheizungen unter dem Einsatz von grünem Wasserstoff erreicht werden kann. Steigende CO2-Preise erhöhen zwar die Attraktivität von Wasserstoff, doch die bisher hohen Investitionskosten und vergleichsweise kurze Lebensdauer der Wasserstoffheizung stellen signifikante Kostentreiber dar.

Gemäß dem zweiten Szenario können Wasserstoffheizungen erst ab 2040 mit Heizöl-basierten Heizungen und ab 2045 mit Erdgas-basierten Heizungen konkurrieren. Der Schnittpunkt mit Wärmepumpen wird im Jahr 2038 erreicht und mit Fernwärme im Jahr 2043. Solarthermie-Heizungen bleiben jedoch im gesamten Betrachtungszeitraum die günstigste Alternative.

Selbst unter der Voraussetzung, dass ausreichend Wasserstoff und die entsprechenden Netze verfügbar sind, wird nur in Szenario 3 Kostenparität mit der Solarthermie erreicht – und selbst in diesem Fall erst ab 2039. Zu diesem Zeitpunkt sind die jährlichen Gesamtkosten von Wasserstoffheizungen dementsprechend vergleichbar mit der Solarthermie. Sie betragen etwa 2.450 € pro Jahr und enthalten neben den Heizmittelkosten wie eingangs beschrieben auch die jährliche Abschreibung der Investitionssumme. Damit ist die Wasserstoffheizung 16 % günstiger als die Alternative mit Erdgas und sogar nahezu 30 % günstiger als eine mit Heizöl betriebene Heizung.

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