Mittelwerte lokaler und internationaler Marktrisikoprämien

Abb. 1: Mittelwerte lokaler und internationaler Marktrisikoprämien

Abb. 1: Mittelwerte lokaler und internationaler Marktrisikoprämien [9]

In Abb. 1 sind der von DMS berechneten Welt-Marktrisikoprämie bzw. der europäischen Marktrisikoprämie die lokalen Marktrisikoprämien der einzelnen Länder gegenübergestellt. Berücksichtigt man, dass für die Berechnung der europäischen bzw. weltweiten Marktrisikoprämie von DMS das Bruttoinlandsprodukt bzw. die Marktkapitalisierung der betrachteten Volkswirtschaften als Gewichtungsfaktor herangezogen werden, würde man erwarten, dass die Welt-Marktrisikoprämie sich in der Nähe der Marktrisikoprämien der großen, gewichtigen Länder wie USA, Großbritannien, Deutschland und Japan befindet. Der Blick auf die Abbildung offenbart jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Die Welt-Marktrisikoprämie befindet sich nahe am unteren Ende der Verteilung; lediglich vier Länder mit vergleichsweise kleinen Kapitalmärkten wie Irland oder Belgien weisen eine geringere Marktrisikoprämie als die DMS-Weltmarktrisikoprämie auf.

Dieses ökonomisch recht überraschende und wenig plausible Ergebnis lässt sich auf Basis der käuflich erwerbbaren DMS-Daten nicht replizieren, da DMS die Gewichte zur Portfolioerstellung und zur Berechnung der Welt-Marktrisikoprämie nicht zur Verfügung stellen. Nach den Angaben von DMS wird die historische Zeitreihe zur Marktkapitalisierung auf Basis von „Archivmaterial“ und „zahlreichen Länderquellen“ erstellt, konkrete Angaben hierzu werden aber nicht gemacht [3]. Lediglich für zwei Jahre des 120-jährigen Betrachtungszeitraums (die Jahre 1900 bzw. 2019) werden von DMS Daten zur relativen Marktkapitalisierung der betrachteten Länder veröffentlicht [4].

Die Bestimmung der regulatorischen Eigenkapitalzinsen durch die Bundesnetzagentur basiert somit auf einer Datengrundlage, die empirisch nicht überprüft werden kann. Die Höhe der DMS-Welt-Marktrisikoprämie ist nicht nachvollziehbar und im Vergleich zu den lokalen Marktrisikoprämien ökonomisch unplausibel und deutlich zu gering.

Konzeptionelle Kritik an der Verwendung des globalen CAPM

Mit der Verwendung der Welt-Marktrisikoprämie von DMS unterstellt die Bundesnetzagentur, dass alle Annahmen des sog. globalen CAPM erfüllt sind. Die Gültigkeit und Anwendbarkeit des Modells setzt voraus, dass alle Investoren homogene Erwartungen hinsichtlich der Investitionsrenditen und -risiken haben, international keine Transaktionskosten, Steuern und Marktbeschränkungen existieren und die Investoren die in Fremdwährung erzielte Rendite ohne Verlust von Konsummöglichkeiten in den eigenen Währungsraum transferieren können (Gültigkeit der relativen Kaufkraftparität).

Diese Annahmen müssen für den gesamten Betrachtungszeitraum von 120 Jahren erfüllt sein, um das globale CAPM ohne weitere Korrekturen anwenden zu können. Historisch betrachtet gab es in den vergangenen 120 Jahren jedoch lange Phasen, die durch institutionelle Beschränkungen des internationalen Kapitalverkehrs gekennzeichnet waren, vornehmlich die Kriegs- und Zwischenkriegsjahre oder der Zeitraum des Systems fester Wechselkurse von Bretton-Woods von 1944 bis 1971. Von vollständig integrierten Kapitalmärkten kann insbesondere in diesen Jahren nicht ausgegangen werden.

Mit der Anwendung des globalen CAPM werden zudem die für einen internationalen Investor nachweislich vorhandenen Wechselkursrisiken nicht berücksichtigt. Die Wechselkursrisiken wären aber nur dann zu vernachlässigen, wenn ein US-Investor uneingeschränkt und zu jedem Zeitpunkt auf die Gültigkeit der relativen Kaufkraftparität vertrauen könnte. Die Daten von DMS zeigen jedoch, dass dies gerade nicht der Fall ist. Betrachtet man beispielsweise die Renditen einer Investition über die vergangenen 120 Jahre in Schweizer Aktien stellt man fest, dass 20 % der in US-Dollar erzielten Renditen aus Währungsgewinnen stammen. Ein Schweizer Investor hätte also im Vergleich zu einem US-Investor mit denselben Anlagen durchschnittlich eine deutlich geringere jährliche Rendite erwirtschaftet. Umgekehrt gilt für den gleichen Zeitraum für Italien: ein im Inland ansässiger Investor hätte eine Rendite von 10,2 % (geometrischer Mittelwert) bis 14,1 % (arithmetischer Mittelwert) pro Jahr erwirtschaftet, ein US-Investor jedoch nur eine Rendite von 5,1 % bis 9,7 % [1].

Die offensichtlich vorhandenen Währungsrisiken bleiben bei der Verwendung des globalen CAPM von der Bundesnetzagentur unberücksichtigt, so dass ein bedeutender Bestandteil des Risikos eines internationalen Investors bei der Bestimmung des Eigenkapitalzinssatzes nicht eingepreist wird. Im Ergebnis ist die Anwendung des globalen CAPM in Verbindung mit der DMS-Welt-Marktrisikoprämie auch aufgrund verletzter Annahmen zur Gültigkeit der relativen Kaufkraftparität konzeptionell inkorrekt und führt zu einer Unterschätzung der Marktrisikoprämie und damit des Eigenkapitalzinssatzes.

Anleiheportfolio nicht risikofrei

Eine weitere Schwierigkeit bei der Verwendung der DMS-Welt-Marktrisikoprämie im Rahmen der Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes für deutsche Strom- und Gasnetzbetreiber betrifft das Welt-Anleiheportfolio im DMS-Datensatz. Entgegen der modelltheoretischen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des CAPM ist das Welt-Anleiheportfolio im DMS-Datensatz nicht risikolos. Ablesbar ist dies u.a. an den sehr unterschiedlichen Ausfallprämien für Staatsanleihen. So wurde im Zuge der Finanzkrise die langfristige Zahlungsfähigkeit verschiedener europäischer Länder in Frage gestellt, mit der Folge, dass beispielsweise für Spanien oder Italien steigende Spreads der Credit Default Swaps zu beobachten waren [5]. Da Investoren das Ausfallrisiko einpreisen, sind die Anleiherenditen dieser Länder systematisch höher als der risikolose Basiszins.

Hinzu kommt, dass DMS zur Ermittlung der Welt-Marktrisikoprämie die Periodenrenditen von langlaufenden Staatsanleihen verwenden, während für den risikolosen Basiszinssatz im deutschen Regulierungsrahmen auf die Umlaufsrenditen deutscher Anleihen zurückgegriffen wird. Ein rückläufiges Zinsniveau auf den Kapitalmärkten, wie es seit den 1970er Jahren zu beobachten ist, führt zu steigenden Periodenrenditen und wirkt sich negativ auf die Höhe der berechneten Marktrisikoprämie aus. Ein Effekt, der bei dem verordnungsrechtlich vorgegebenen Umlaufsrenditen inländischer Emittenten nicht gegeben ist [6].

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